Ai Weiweis Dok-Film zeigt das "big picture".

Human Flow

Viele Flüchtlingsdramen spiegeln die humanitäre Katastrophe im Einzelschicksal, auf dass der emotional berührte Zuschauer anfange, sich für die Ursachen der Notleidenden zu interessieren. So zu sehen war es etwa in "Reise der Hoffnung" von Xavier Koller.

Ai Weiwei hat für seinen epischen Dok-Film "Human Flow" einen ambitionierteren Ansatz gewählt: Er will das gesamte Ausmass der Flüchtlingskrise aufzeigen. 65 Millionen Menschen sind heute auf der Flucht, so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Ai und seine elf Kameraleute haben Flüchtlingslager in 23 Ländern besucht. Ai hat als Wegelagerer mit Vertriebenen gesprochen und adelte sie, indem er sie in ästhetischen Bildern einfängt. Sein vor Dringlichkeit vibrierender Dok-Film ist ein Appell, Gefühle zuzulassen und Gleichgültigkeit abzustreifen. (cj.)

NZZ am Sonntag, 5.11.2017