In der Art der faulen Katze

Rückenschmerzen sind weit verbreitet und die Therapien zahlreich. Bei wem weder Massage, Schmerzmittel noch Training nachhaltig geholfen haben, der könnte es einmal mit einem Besenstiel probieren.

Vorbild: die ruhende Katze – Themenkurs «Balance» am Seelandgymnasium Biel. (Bild: zvg)

Sitzen Sie zu viel, zu bequem und ohne Bewegung? Beim Frühstück, im Zug, an der Arbeit, beim Mittag- und Abendessen? Danach vielleicht noch auf der Couch? Lassen Sie mich kurz die anatomischen und physiologischen Folgen zusammenfassen: Das unbewegte Sitzen in einer Haltung, die bestimmte Muskeln gewohnheitsmässig verkürzt und blockiert, führt zu einer Verkümmerung der Beweglichkeit der Wirbelsäule und zu zunehmendem Druck auf einzelne Zwischenwirbel, mit der Folge, dass diese auf den dahinter liegenden Nerv drücken. Dauersitzen hebt die Grundspannung der Muskeln im Bereich der Wirbelsäule an. Der sogenannte Muskelspindelreflex reproduziert in einer Reflexschlaufe diese erhöhte Spannung. Was tun?

Inspiriert von Einsichten der Pädagogin Elsa Gindler (1885–1961), meinen Erfahrungen mit Alexandertechnik, Eutonie, Feldenkrais, Taichi und vierzig Jahren Sportlehrerin, entwickelte ich eine Methode mit dem Namen «micro­move». Im Mittelpunkt steht die Funktion des Parasympathikus, auch «Ruhenerv» genannt. Er ist Teil unseres vegetativen Nervensystems, das an der unwillkürlichen Steuerung unserer inneren Organe und unseres Blutkreislaufs beteiligt ist. Und so funktioniert’s:

Besenstil als Hilfsmittel
Als erstes verabschieden wir unseren Willen – zum Beispiel, indem wir uns das Bild einer faulen Katze vor Augen führen. Sobald wir etwas gezielt machen wollen, sind wir bereits auf dem Holzweg. Also kein Dehnen, keine Kräftigung oder Haltungsänderung anstreben. Stattdessen legen wir uns auf eine Stange, etwa einen Besenstil oder die Eschenstange von micromove, und lassen die Schwerkraft auf unseren Körper wirken. Was simpel klingt, kann mitunter eine enorme Herausforderung sein: bewusstes, achtsames Nichtstun und zulassen, dass sich etwas in der körpereigenen Struktur ändert. Es dauert in der Regel zwanzig Minuten, bis der Parasympathikus seine Arbeit intensiviert. Ein Zeichen dafür ist etwa, wenn es im Bauch anfängt zu rumpeln. Nun senkt sich auch die Grundspannung in den Muskeln. Durch die Stange als Störung unter der Wirbelsäule kann die tiefliegende Rückenmuskulatur in Bewegung kommen und Blockierungen auflösen.

Robert Jungk, Zukunftsforscher und Publizist, beschrieb seine Erfahrungen an einem Kurs von Elsa Gindler 1973 wie folgt: «Körperliche Übungen, die sich nur in kraftvollen, anstrengenden, aber letztlich äusserlich bleibenden Bewegungen erschöpfen, gab es in diesen ungewöhnlichen Stunden nicht. Man legt sich auf den Boden, schob einen Besenstiel unter die Wirbelsäule, bemühte sich, dieses störende Objekt genau zu spüren, schob es wieder weg und versuchte nun, von den Störungen befreit, sich ganz der tragenden Erde zu überlassen, zu fühlen, wie sie einen hielt, den ganzen Körper wahrzunehmen, von den Zehenspitzen bis in jede Fingerspitze hinein, vom Bauch in den Brustkorb, bis in die Schultern hinauf zum Kopf. Dann die Augen öffnen, das Licht empfangen, als sähe man es zum ersten Mal, nicht nach ihm ‹greifen›, nur aufgeschlossen sein, aktiv warten auf eine Begegnung mit der Umgebung, mit sich selbst.»

Wie hier von Jungk beschrieben, wendet auch die micromove-Methode vor und nach dem «Stangenliegen» eine Wahrnehmung in der Rückenlage an, um das Körperbewusstsein durch das Vergleichen von unterschiedlichen Zuständen zu erweitern. Achtung: Alles Ungewohnte fühlt sich falsch an, auch wenn es richtig ist. Deshalb müssen immer wieder objektive Massstäbe zur Überprüfung genutzt werden. Nicht zuletzt aber gilt: Falls sich Ihre Muskeln wie ein rohes Rindsplätzli anfühlen, also schlapp und weich sind, sollten Sie auch regelmässiges Wandern, Schwimmen, Laufen, Velofahren oder Putzen anstreben.  

_____________

Edith von Arps-Aubert ist Gründerin und Leiterin des Instituts für Bewegungsforschung in Ligerz und Autorin des Kurshandbuches «micromove – konzentrative Bewegungsbildung» 2016. Sie hat in Marburg als Erziehungswissenschaftlerin über Elsa Gindler promoviert, war bis zu ihrer Pensionierung Gymnasiallehrerin für Sport und Geschichte und Dozentin an der PH Bern.
Die aktuellen Kursdaten sowie die Anleitung für die Übungen können auf www.bewegungsforschung.ch eingesehen und heruntergeladen werden.