Sehet die Zeichen!

Seit jeher galten Kometen als Himmelsboten, die Unheil verkündeten. In unsicheren Zeiten deuten Menschen Zeichen, um angesichts der Willkür des Lebens nicht den Verstand zu verlieren. Kürzlich ist wieder ein Komet an der Erde vorbeigerast.

«Im Jahr 1531 ist ein Komet in den Niederlanden gesehen worden, der Feuerflammen versprengt hat, wie ein Schmid Eisenfunken wirft – ganz furchtbar anzusehen, wie hier gemalt ist.» (Bild: The Book of Miracles, Taschen 2013)

Kommt es zum Showdown zwischen den USA und dem Iran? Explodiert das Pulverfass Nordkorea? Wir leben in unsicheren Zeiten. Und jetzt auch noch dies: An Halloween, am 31. Oktober, zog der «Totenkopf-Asteroid» an der Erde vorbei. Seinen Namen hat er von Astronomen aufgrund von Kratern in Form von Augenhöhlen erhalten. Was kündet er an?
Für das Webportal «World Religion News» ist klar: Der Asteroid ist ein Zeichen für das nahende Ende der Welt. Die Plattform stützt sich dabei auf das Alte Testament, in dem es zahlreiche Hinweise auf Kometen als Vorboten der Apokalypse gibt: «Und ein grosser Stern fiel vom Himmel, brennend wie eine Fackel, und er fiel auf ein Drittel der Flüsse und auf die Wasserquellen.» Noch ist es nicht so weit. Aber: Der «Totenkopf-Asteroid» wird zurückkommen, im Jahr 2088.
Mit einigen Monaten oder Jahren Verzögerung dürften Erklärungen und Theorien zu den Auswirkungen des Vorbeizugs von TB145, so der offizielle Name des Asteroiden, ins Kraut schiessen – wie schon vor 400 Jahren.

Der Dreissigjährige Krieg begann mit einem Kometen

Als Beginn des Dreissigjährigen Kriegs gilt der Prager Fenstersturz im Mai 1618. Für die Zeitgenossen war ein anderes Ereignis im Nachhinein ausschlaggebend: im Dezember 1618 erschien ein «Winterkomet» mit rutenförmigem Schweif, in dem sie die Prophezeiung eines schrecklichen Krieges sahen. Bestärkt wurden sie durch die Tatsache, dass in diesem Jahr gleich drei Kometen am Firmament gesichtet wurden. Das konnte kein Zufall sein. Mit dem Zeichen am Himmel begann der Krieg auch im Geist – das war nach dem historischen Fenstersturz. Überall im Deutschen Reich deuten Menschen die Erscheinung als Unheilsboten und werden zu Chronisten ihrer Epoche.
Auch zu Beginn des Ersten Weltkriegs, als im September 1914 die Soldaten in klaren Nächten den Kometen Delavan beobachten, sehen sie nichts Gutes auf sich zukommen. Schnell verbreitet sich die Nachricht des «untrügerischen Zeichens kommenden Kriegsunglückes». Der Verweis auf den Winterkometen von 1618 weckt in breiten Bevölkerungsschichten dunkle Vorahnungen. Seinen Niederschlag findet der Komet auch auf den populären deutschen Feldpostkarten von 1915. Dort schüttet dieser Gottes Zorn über die Franzosen aus. Im Vordergrund sieht man die mit Pickelhauben geschmückten Gräber, die den Franzosen zur Last gelegt werden. Die Botschaft »Herr, vergib ihnen!» zeigt klar, wo sich die Sünder befinden: Auf der anderen Seite der Front. Mit der Fürbitte für die armen Sünder auf der anderen Frontseite soll die moralische Überlegenheit der Deutschen bewiesen werden, die ihren Feinden Grausamkeiten vergeben, die sie selbst nie begehen würden.

Das Ende naht

Wenn sich in der Natur etwas Ungewöhnliches ereignet, gibt es immer Menschen, die darin ein göttliches Zeichen sehen. Oder sogar den nahen Weltuntergang. Schon die Bibel deutet himmlische Ereignisse als Zeichen göttlichen Eingreifens in irdische Geschicke. So zum Beispiel die sieben Plagen in Ägypten, das vom Himmel fallende Manna oder die Taube, die bei der Taufe Jesu im Jordan vom Himmel herabgeflogen kommt. Eine geballte Ladung an Wunderzeichen bietet die Geheime Offenbarung des Johannes. Sie sagt Zeichen voraus, welche die Wiederkehr des Messias und die Errichtung seines Tausendjährigen Reichs mit dem Jüngsten Gericht ankündigen.
Im 16. Jahrhundert lesen die Menschen in den Sternen den beschlossenen Weltlauf, der mit sozialen, politischen und religiösen Beben eine neue Zeit ankündigt. Es war eine Zeit, in der sich die noch schwachen Anfänge der Wissenschaft gegen die Zeichendeutung nicht durchsetzen kann. Masse, Zahlen und Gewichte können dem Zeichenglauben nichts entgegensetzen.

Fake News

Die Reformationszeit ist eine bewegte Epoche. Gerade unter Protestanten ist das Interesse an Wunderzeichen gross. Viele sehen im Papst den in der Apokalypse angekündigten Antichrist. In dieser Logik ist dann das Ende der Welt nicht mehr weit.
So erwartet man aufgrund der Sternenkonstellation für das Jahr 1525 eine Sintflut, 1524 bedrohliche Umstürze. Als der Maler Albrecht Dürer 1521 in Holland vom Gerücht hörte, Martin Luther sei ermordet worden, deutet er dies als Beginn der Apokalypse. Wie viele andere Zeitgenossen sieht er in der Konjunktion der Gestirne Hinweise auf die gewaltsame Unterdrückung der neuen Lehre Luthers.
Allein in den Jahren zwischen 1519 und 1524 werden 130 Schriften über das bevorstehende Weltende gedruckt. Wunderzeichen finden ihren Weg auf Flugblättern und in frühneuzeitlichen Weltchroniken zu den Menschen. Sie berichten von Heuschreckenschwärmen, Meteoriten oder Überschwemmungen.

Augsburger Wunderzeichenbuch

Erhalten ist heute das Augsburger Wunderzeichenbuch, das um 1550 angefertigt wurde und als aufwändiges Faksimile im Kölner Taschen Verlag erschienen ist. Es gibt einen Einblick in die damalige Seelenlage der Menschen. Es zeigt Kometen, Mond- und Sonnenfinsternisse, Hagel, Blutregen und dergleichen mehr. Niederschlag im Buch findet alles, was vom Himmel herabkommt und als göttliche Botschaft gedeutet werden kann. Schliesslich finden auch Heuschreckenschwärme und Missernten
Erwähnung. Die damaligen Autoren betreiben keine Ursachen- und keine Wirkungsforschung. Auch wie es zu den Wunderzeichen gekommen ist, interessiert niemanden.
Die kunstvollen Bilder sind Phantom-Zeichnungen. In Protokollsätzen wird darin festgehalten, welche überlieferten Himmelszeichen die Menschen bewegten, interpretiert wird dabei nichts. Das Bild des Kampfes zweier Löwen am Himmel über Glarus zeigt, dass die Urheber des Buches auch über Augsburg hinausschauten. Erwähnung findet auch ein Erdbeben in Italien, das so stark war, dass noch in Konstantinopel die Häuser einfielen, und beispielsweise eine Nattern- und Eidechsenplage, die im Jahr 1545 in Ungarn die Ernte verdirbt.
Interessant: Je näher das Buch der damaligen Gegenwart kommt, desto mehr Himmelserscheinungen und Katastrophen werden registriert, was das Gefühl des bevorstehenden Untergangs befeuert. In diesem Sinne gibt das Buch einen Einblick in die Gefühlswelt der damaligen Menschen.
Wer das Buch in Auftrag gab, ist nicht bekannt. Auch die Maler der eindrücklichen Bilder kennt man nicht. Die Besitzer des kulturhistorischen Schatzes hielten diesen für eine Arbeit aus dem 17. Jahrhundert. Die wissenschaftliche Untersuchung des Papiers datierte die Bilder schliesslich ins frühe 16. Jahrhundert.

Politik machen mit dem Unheil

Wenn etwas vom Dreissigjährigen Krieg bis heute überdauert, dann ist es die Popularisierung des Unheils. Das 21. Jahrhundert hat erst gerade begonnen, und schon machen sich düstere Vorahnungen breit. Der politische Islam, die Disruption von Wirtschaft und Gesellschaft durch neue Technologien, Flüchtlingsströme, Klimaerwärmung und globale Ungleichheit verdichten sich zu einer schwarzen Wolke des Unausweichlichen über unseren Köpfen. Hier ist der Ruf nach einem Verteidiger der alten Ordnung nah. Die Personifizierung dieser Ängste ist heute Donald Trump. Seine Wahl verdankt er nicht positiven Erwartungen, sondern Ängsten vor der Globalisierung, Rachegelüsten und dem Versprechen, zurückzuschlagen. Die starke Hand ist gefragt in unsicheren Zeiten – heute genauso wie vor 400 Jahren.     

______________
Quellen:
Andreas Bähr: Der grausame Komet – Himmelszeichen und Weltgeschehen im Dreissigjährigen Krieg. Rowohlt Verlag: Reinbek bei Hamburg 2017. EUR 19.95.

Ernst Moritz Kronfeld: Der Krieg in Aberglauben und Volksglauben, 1915

Till-Holger Borchert und Joshua P. Waterman (Hrsg.): The Book of Miracles (Das Augsburger Wunderzeichenbuch). Taschen Verlag, Köln 2013. Faksimile und Begleitheft, 560 Seiten.

24. Februar 2019
von: