Seit 50 jahren unbequem

Chapeau für «public eye»

Begonnen hat alles 1968, als 10 000 Menschen das Manifest «Erklärung von Bern» unterzeichneten. Darin wurde die Schweizer Politik und Bevölkerung aufgerufen, Verantwortung für all die Ungerechtigkeiten zu übernehmen, die in der «armen Welt» vorherrschen und in der Schweiz ihren Ursprung haben. Globale Gerechtigkeit, so der Gedanke dahinter, beginnt immer auch bei uns zuhause. In der Folge machte die Organisation «Erklärung von Bern», deren Name 2016 in «Public Eye» umgewandelt wurde und die heute 25’000 Mitglieder zählt, mit spektakulären und innovativen Kampagnen auf sich aufmerksam. So etwa mit einer Besetzung des Bundeshauses, mit der Aktion «Nestlé tötet Babys», der unvergessenen Kampagne «Jute statt Plastik», dem Einsatz für faire Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie, der jahrelangen Verleihung der «Public Eye Awards» am Davoser WEF an die unfairsten Unternehmen oder der Lancierung von landesweiten politischen Initiativen – um nur einige Aktionen zu nennen, die Public Eye bis heute zu der wohl einflussreichsten und bei Grosskonzernen gefürchtetsten NGO unseres Landes gemacht hat. Das allein hätte einen Chapeau verdient.

Doch Public Eye ist noch etwas anderes, nämlich: eine der wenigen wirklich investigativen Nichtregierungsorganisationen der Schweiz. «Licht in die dunklen Geschäfte von Schweizer Firmen bringen», das ist für Public Eye nicht einfach nur ein netter Slogan. Ihr geht es nicht darum, Symptome zu bekämpfen, sie will nach den Ursachen «graben». Das erfordert eine hartnäckige und bisweilen gefährliche Recherche. Beispielhaft dafür ist das Buch «Rohstoff» aus dem Jahre 2012. Was Behörden, aber auch Medien bis dahin versäumten, hat Public Eye auf höchsten – journalistischen – Niveau geleistet: sie hat die vielfältigen Verstrickungen der Schweiz in den internationalen Rohstoffhandel aufgedeckt. Diesen Weg geht Public Eye auch weiterhin. Anlässlich ihres 50-jährigen Jubiläums hat die Organisation einen «Investigation Award» ins Leben gerufen für besonders aufwändige Recherchen über Schweizer Firmen, die im Ausland Menschenrechte verletzen. Die Resultate gleich zweier solcher Recherchen – eine über die Tabakindustrie in Afrika, die andere über die Arbeitsbedingungen beim Abwracken alter Schiffe – werden schon bald veröffentlicht. Wir sind gespannt und wünschen Public Eye viel Erfolg und eine nie erlahmende Schlagkraft.

https://www.publiceye.ch