Die Kraft der nächsten Welt: Empathie

Die nächste Welt wird voller Empathie sein. Oder eine ganz schön unerfreuliche. Denn die Epoche des Kämpfens, Rechthabens und Den-Anderen-ins-Unrecht-Setzens ist nach ein paar tausend Jahren nicht nur lebensgefährlich für die Menschheit geworden. Sie ist auch erschöpft. Die grossen Rechthaber-Konflikte auf der Erde sind zu toten Rennen geworden, die beide Seiten nur noch zermürben  –  man kämpft um die eigenen Zweifel nicht zu spüren.  
Im Kleinen wie im Grossen – Empathie-Verweigerung tut weh! Das Schwanken zwischen Selbstvorwürfen und Rechthaberei ist eine trübe Ersatzbefriedigung, die die Welt zu einem Ort voller Gegner macht – im Aussen und in unserem Inneren.
Wir möchten nun behaupten, dass es dazu eine ausgesprochen lustvolle Alternative gibt: wirkliches Interesse. Hinhören. Lauschen. Was geschähe, wenn wir aufhörten zu wissen und begännen zu fragen? Wenn wir verstünden statt zu (ver-)urteilen? Es ist ein ungeheuer erfüllender Moment, wenn ich mit einem Mal begreife, dass ein scheinbarer Feind sich nicht allzu sehr von mir unterscheidet. Dass er Gefühle hat, die gesehen werden wollen und Bedürfnisse, die nach Erfüllung schreien. Und es ist befreiend, wenn ich die Angst, die Wut und den anarchischen Lebensdrang in mir nicht länger besiegen will, sondern mit freundlicher Neugier betrachte. Manche Menschen denken nun, der empathische Blick auf die Welt sei ein neues Moralprogramm, das uns auffordert, immer nur lieb und gut zu sein. Nein. Empathie ist der Vorschlag, alles, was uns durchweht, willkommen zu heissen.


Das traditionelle Pfingstfestival des «Zentrums für experimentelle Gesellschafts-Gestaltung ZEGG in Belzig bei Berlin steht dieses Jahr unter dem Motto «Experiment Empathie». Warum Empathie: «Weil wir nicht glücklicher, ehrlicher oder gar liebevoller werden, indem wir einander und uns selbst beweisen, was mit uns nicht stimmt. Eine solche Haltung lässt im Grunde nur zwei Reaktionsmöglichkeiten offen: Rebellion oder Unterwerfung.
Pfingstfestival «Empathie», 21. bis 25. Mai 2010. www.experiment-empathie.de

Buchtipp:
Jeremy Rifkin: Die empathische Zivilisation – Wege zu einem globalen Bewusstsein. Campus, 2010. 468 S., geb. Fr. 49.90/Euro
Der Schlüssel für ein künftiges Zusammenleben in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft ist Empathie: die Gabe, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und bei allem Tun,  die Konsequenzen für andere zu bedenken. Nicht Konkurrenz ist der Motor des Fortschritts, sondern Kooperation und Mitgefühl. Das menschliche Gehirn ist auf Vernetzung und Solidarität ausgelegt, wie die Neurowissenschaften bestätigen.