Terra Nova Podcast: Energiewende von unten – ein Gespräch mit Dr. Ulrich Gausmann

Allein in Deutschland gibt es schon 160 Energiewendedörfer: Grosse und kleine Dorfgemeinschaften erzeugen Strom, Wärme, manchmal sogar Treibstoff zu stabilen Preisen - und manchmal sogar gekoppelt mit einer eigenen Komplementärwährung. Gespräch mit Ulrich Gausmann - eine Folge des Terra-Nova-Podcast.

Rettenbach
Rettenbach am Auerberg hat als Energiewendedorf sogar eine eigene Komplementärwährung. Foto: Webseite

Dr. Ulrich Gausmann, Sozialwissenschaftler und Autor, hat die Energiewendedörfer besucht. In seinem Buch: «Wirtschaft und Finanzen neu gedacht. Revolution der Menschlichkeit» stellt er lokale Selbsthilfe-Projekte, Helfer-Netzwerke, Energiewendedörfer, Pflegebauernhöfe, lokale Währungen vor – alles Akteure einer Revolution von unten. 

Ein Auszug aus dem Gespräch:

Zeitpunkt: Sie stellen in Ihrem Buch vor: Neue Dörfer mit lokaler Lebensmittel-Produktion, Energiewendedörfer mit eigener Strom- und Wärmeversorgung, Genossenschaftliches Wohnen und Pflegebauernhöfe, Initiativen aus Unternehmerschaft und Gewerkschaften, weltweite Helfergemeinschaften, Bürgergesellschaften in den Niederlanden: Society 4.0, das Beispiel Wörgl in Tirol sowie die Vorschläge von Silvio Gesell, eigenes Geld – bereits eingeführt: Deutschland, Niederlande, Italien, Belgien, Schweiz, Überlegungen zur digitalen Planung unter demokratischer Kontrolle. Sie sagen, das seien Akteure einer Revolution. Können regionale Initiativen denneine Revolution auslösen? Sie schaffen ja noch nicht das System ab.

CoverDr. Gausmann: Jein. Zum einen stimmt es, viele der Initiativen sind regional. Von oben gesehen, sieht das aber anders aus. Es geht für mich um eine Revolution von ganz unten. Das begann mit den Jahren 2007 und 2008, mit der Finanzkrise. Damals sahen sich Merkel und Finanzminister Steinbrück genötigt, vor die Kamera zu treten und zu sagen: «Die Ersparnisse sind sicher.» Das waren sie damals nicht und sind es heute auch nicht.

Damit begannen Widerstände und sind nicht mehr abgeebbt: Occupy Wall Street, der arabische Frühling, die Gelbwesten.

Im Kern geht der Kampf um die wichtigste Ware: Daten und Informationen. Die Sorge der Eliten war, den Kampf um diese Daten zu verlieren.

Man ist darauf verfallen, im Frühjahr 2020 erstmals in der Menschheitsgeschichte einen weltweiten Lockdown zu verhängen. Man hat die Weltbevölkerung gefangen gesetzt, um ihren Befreiungsimpuls zu stoppen.

Die Gesundheit ist dabei die Kernfrage. Wir haben alle nur ein Leben, eine Gesundheit. Durch die, wie wir inzwischen wissen, inszenierte Pandemie hat sich eine Bewegung entwickelt, die sich weiter ausbreitet. Das beginnt mit der Gesundheitsfrage, geht über auf die Pharmaindustrie und die Frage, warum Krankenhäuser eigentlich heute Profit machen müssen. Dann zur Lebensmittelproduktion – alle Fragen eines gesunden und sinnvollen Lebens. Diese Bewegung hat Kettenreaktionen ausgelöst. In Deutschland und anderen Ländern sind das die Bauernproteste. Da geht es auch um die Frage, soll das Schnitzel zukünftig günstig vom 3D-Drucker hergestellt werden, soll die Milch noch von der Kuh kommen oder billig künstlich produziert werden? Das verbindet sich alles zu einer Bewegung von unten für ein irdisches Leben und die Rückkehr zur Menschlichkeit.

Was muss sich im Kern ändern?

Die Menschen müssen lernen zusammenzuarbeiten. Wenn Menschen anfangen, sich gegen die Zumutungen zu wehren, denen sie ausgesetzt werden, ist das der erste Schritt. Wenn sie sich dann treffen, um über ihre gemeinsame Zukunft zu sprechen, dann beginnt etwas Neues. Veränderung beginnt mit dem Bewusstsein, dass man zusammen stärker ist. Die wesentliche Bewusstseinsveränderung wird ausgelöst durch den Widerspruch zwischen dem Leben, was man lebt, und dem Leben, was uns davon erzählt wird. Da entsteht Skepsis. Und diese Skepsis, dieser Zweifel ist der Beginn. Es ist inzwischen gar kein Beginn mehr, sondern schon mittendrin und wird sich auch weiter entwickeln.

Uns interessieren besonders die Energiewendedörfer, von denen es in Deutschland ja schon 160 gibt, wie Sie schreiben. Sie decken ihren Strombedarf zu 100% und ihren Wärmebedarf zu 50% und zahlen Preise, von denen andere Verbraucher nur träumen können, um die 12ct. Wie geht das?

Es sind Dörfer und ländliche Regionen mit Nutztieren und Produktion, die schauen, wie können wir unsere bestehenden Ressourcen für die eigene Energieerzeugung im Sinne der Kreislaufwirtschaft nutzen. Wie macht man das? Die Biomasse nutzen, Hackschnitzel aus Holzabfällen, Solar - in der Regel sind sie als Genossenschaft organisiert mit einer sehr hohen Beteiligung der Bewohner. Neben Wärme und Strom gibt es sogar Dörfer, die ihren eigenen Treibstoff aus Raps produzieren. Bsp. Rettenbach im Allgäu hat sogar eine eigene Währung eingeführt, den Weichbergtaler. Und mit dem Weichbergtaler kann man im Ort einkaufen, Wurst und Käse und die Handwerker bezahlen, sogar die Gemeindesteuern. Die Auslagen des ehrenamtlichen Bürgermeisters werden auch in Weichbergtaler bezahlt. Aber man damit nicht Amazon und andere bezahlen. Eben nur vor Ort, man finanziert damit die Kreislaufwirtschaft.

Zu den Energiewendedörfern gibt es die Kritik, dass die Energie mit einem hohen Flächenverbrauch erkauft wird, der dann von der Lebensmittelproduktion abgeht.

Das halte ich zumindest teilweise für ein Scheinargument. Schauen Sie doch mal, wie viele Flächen durch Windkraftanlagen und Solaranlagen verbraucht werden! In den Dörfern wird ja das genutzt, was ohnehin da ist. Mehr findet man unter energiewendedörfer.de - inklusive einer Anleitung, wie man ein Energiewendedorf startet, wie man da vorgeht.

Auf jeden Fall ist eine dezentrale Lösung schon deshalb überzeugender, weil der Strom ja allein durch den Transport Verluste von bis zu 50% hat.

Ja, und an den Transportkosten gewinnt jemand, diesen Profit machen die dezentralen Energiewendedörfer zunichte. Ganz davon abgesehen, dass die Energieversorgung heute immer komplizierter wird, angefangen von Russland seit dem Ukrainekrieg über die viel teureren LNG-Gase aus den USA. Also das Argument würde ich damit vom Tisch wischen.


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Im Gespräch mit Andreas Weber, Publizist und Biologe

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- 4. Terra Nova Podcast: Spielen statt Büffeln - so geht lernen!

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