«Geld verdienen allein ist noch kein Erfolg»

Das Unternehmensnetzwerk SunHeart Business Leaders wird am 26. Oktober 2023 eines der ersten Gütesiegel für Business Ethik in der Schweiz lancieren. Ein Gespräch mit Karin Fuchs-Häseli.

zVg von der Webseite der Sunheart Business Leaders

Zeitpunkt: Karin, euer Netzwerk verbindet rund 80 vor allem kleinere Unternehmen hauptsächlich in den Kantonen Zug, Zürich und Luzern, die sich an ethische Richtlinien halten, wie Menschlichkeit, Ehrlichkeit, Nachhaltigkeit und Wertschätzung. Der globale Kapitalismus konnte ja nur entstehen, indem die von euch vertretenen Werte mit den Füssen getreten wurden und Mensch und Natur gravierend ausgebeutet wurden, nach dem Motto: Der Stärkere, Schnellere und Rücksichtslosere macht den Profit. Kann man überhaupt im Wettbewerb bestehen, wenn man sich an Werte hält?

Karin Fuchs-HäseliKarin Fuchs-Häseli: Die knappe Antwort lautet: Nur wenn man sich an ethische Werte hält, kann man in Zukunft überhaupt noch im Wettbewerb bestehen. Wer sich aus einem echten Bedürfnis heraus, zum Guten in der Welt beizutragen, eine starke ethische Firmenkultur aufbaut, ist der wirklich ‘Stärkere’. Der ‘Rücksichtslose, allein auf Profit orientierte’, gehört schon jetzt zu den Verlierern, auch wenn er sich dessen oftmals noch nicht bewusst ist.

Es ist Zeit, dass wir Erfolg neu definieren.

Es ist Zeit, dass wir Erfolg neu definieren. Einfach nur viel Geld zu verdienen ist nicht gleichbedeutend mit Erfolg. Eine Firma, die mit ihren Dienstleistungen und Produkten ohne Rücksicht auf andere Bereiche des Lebens nur eigene, profitorientierte, egoistische Ziele verfolgt, hat keine Daseinsberechtigung. Sie verschwinden früher oder später von der Bildfläche, wie es das Beispiel der CS eindrücklich gezeigt hat.

Die Wirtschaft steht gerade am Anfang eines einschneidenden Wandels über die Nachhaltigkeit hin zu mehr Ethik. Es genügt bei Weitem nicht mehr, den Fokus allein auf Nachhaltigkeit zu richten und sich einige SDG’s (Sustainable Development Goals) auf die Fahne zu schreiben. Wenn die eigenen nachhaltigen Bestrebungen nicht durch ein starkes ethisches Wertefundament und eine aufrichtige Motivation, zu einer regenerativen Wirtschaft nach bestem Wissen und Gewissen beizutragen abgestützt sind, enden entsprechende Bemühungen oftmals im ‘Green Washing’. Das merken die Konsumenten und auch andere Stakeholders. Sie werden entsprechend ethisches Verhalten einfordern … und wenn ein solches nicht glaubwürdig umgesetzt wird, kehren sie einer solchen Firma früher oder später den Rücken.
Sich heutzutage in der Unternehmensführung nicht um ein starkes Wertefundament und glaubwürdig gelebte Ethik zu kümmern, ist ein verheerendes strategisches Versäumnis, aller Wahrscheinlichkeit nach mit schwerwiegenden Folgen.

Möchten Sie mehr erfahren?

Besuchen Sie für weiterführende Informationen zur Ausbildung zum Ethical Business Guardener oder zur Common Journey to Business Ethics die Website der SunHeart Business Leaders oder besuchen Sie die Informationsveranstaltung ‘Der Business Ethik verpflichtet’ am 26. Oktober 2023 in Zug.

Du sprichst von ‘glaubwürdiger Ethik’. Was verstehst Du darunter?

Mit dem Ruf nach Nachhaltigkeit, hat sich das Green Washing entwickelt. Mit dem Ruf nach Impact Investing, das Impact Washing. ‘Ethics is the new Green’, daher müssen wir aufpassen, dass wir in ein, zwei Jahren nicht auch noch von ‘Ethics Washing’ sprechen. Das wird aber geschehen, wenn wir bei der Implementierung von Ethik mit dem gleichen profitorientierten Bewusstsein, das in der Wirtschaft zurzeit noch vorherrscht, ans Werk gehen.

Der Mensch ist kein ‘Homo Oeconomicus’, der nach rein ökonomischen Gesichtspunkten emotionslos denkt und handelt und dessen einziges Ziel die Nutzen- oder Gewinnmaximierung ist. Das ist ein falsches und schädliches Menschenbild, das noch heute viel zu häufig gelehrt wird und das massgeblich zu den heutigen Problemen beigetragen hat. Wir müssen diese falsche Vorstellung endlich überwinden und einen entsprechenden Bewusstseinswandel vornehmen.

Wahre Ethik entspringt einer tiefen Liebe für das Leben, und diese allumfassende Liebe ist Teil unserer eigentlichen, wahren Wesensnatur. Der Mensch ist nicht per se schlecht, rücksichtslos und egoistisch. Das sind alles menschliche Eigenschaften, die wir uns aufgrund von Angst und eines mangelnden Urvertrauens angeeignet haben. Tief im Innern wissen wir um die Verbundenheit allen Lebens, dass wir Teil einer grossen Symbiose sind und dass wir als solcher auch vom ganzen System versorgt werden. Wir können sehr gut unterscheiden, was richtig und was falsch ist und wissen, dass wir nicht einfach wegschauen können, wenn andere wegen unserer egozentrischen Profitgier leiden … sei es die Natur, andere Völker, Mitbewerber, Mitarbeiter, Kunden etc. Wir wissen, dass rücksichtsloses Verhalten – individuell oder kollektiv – uns früher oder später einholt. Dass dies genau jetzt geschieht, sehen wir an den vielen Missständen und Multikrisen, mit denen wir heute konfrontiert sind und unter denen wir alle mehr oder weniger leiden.

Es ist nicht so, dass uns das Leben damit bestraft, das Leben kennt weder Bestrafung noch Schuld. Es gehorcht einfach dem einfachen Prinzip von Ursache und Wirkung. Da nützt kein Zähneknirschen und Jammern, da nützen noch nicht mal schön formulierte Nachhaltigkeitsziele. Das Einzige, was wir wirklich tun können, ist, bessere Ursachen zu setzen, so dass wir uns in Zukunft auf die entsprechenden Wirkungen freuen können.

Besser heisst, die Dinge aus Liebe zum Leben so zu tun, dass sie jedem Teil des Lebens förderlich sind.

Und mit ‘besser’ meinst du… was?

Ursachen werden im Bewusstsein gesetzt, sie beginnen in unserem Denken und Fühlen. Besser heisst, die Dinge aus Liebe zum Leben so zu tun, dass sie jedem Teil des Lebens förderlich sind. Das ist in meinen Augen ‘Servant Leadership’. Stellen Sie sich vor, wir hätten auf jeder Führungsstufe, angefangen ganz zuoberst, dem Leben dienende Führungskräfte. Menschen, die in ihren Entscheidungsprozessen stets das Wohl des Ganzen im Fokus haben und sich bewusst sind, dass ihre Führungsverantwortung darin besteht, mit ihrem Produkt oder ihrer Dienstleistung dem Leben im weitesten Sinn zu dienen, das Leben aufzubauen, die Natur zu regenerieren, Menschen strahlender, gesünder und glücklicher zu machen, Tiere und Pflanzen zu hegen und zu pflegen etc.
Das sollte eigentlich ein natürliches Bedürfnis sein, wenn wir uns der Verbundenheit allen Lebens bewusst sind. All das hat sehr viel mit Dankbarkeit für die Geschenke der Natur und für das Leben überhaupt zu tun. Menschen mit einem solchen Mindset agieren in der Regel angstfrei und sind damit viel weniger anfällig auf Manipulationen der Aussenwelt. Sie sind ausgeglichener, achtsam, resilient und sinnerfüllt und würden abends, wenn sie nach Hause gehen, ihren Kindern mit Freuden davon erzählen, was sie für ihre Mitarbeitenden, ihre Kunden, die Umwelt, unseren Planeten oder irgend einen anderen Teil des Lebens getan haben … und Ihre Kinder würden mit Stolz am nächsten Tag in der Schule davon berichten. Die Auswirkungen auf unsere Gesellschaft wären enorm.

Erfolg wäre eine natürliche Folge solch edler Ursachen, auch in finanzieller Hinsicht. Eine solche Firmenkultur hätte positive Auswirkungen, z.B. auf die Mitarbeiterzufriedenheit, die Fluktuationsrate und die Anfälligkeit der Mitarbeitenden auf Burnout und Depression. Sie hätte ebenso Auswirkungen auf die Kundenzufriedenheit und -bindung oder ob wir am Markt bessere Fach- und Führungskräfte anziehen? All das wirkt sich finanziell aus.

SunHeart Business Leaders wird am 26. Oktober 2023 eines der ersten Gütesiegel für Business Ethik in der Schweiz lancieren. Welche Kriterien müssen Firmen erfüllen, wenn sie künftig ein solches Gütesiegel erhalten wollen? Und wie stellt ihr sicher, dass ihr mit einem Ethik-Gütesiegel nicht selbst zum ‘Ethics Washing’ beitragt?

Wir haben uns bei diesem Gütesiegel bewusst dafür entschieden, nicht den üblichen Weg einer Checkliste, die ein Unternehmen bei einem jährlichen Audit abzuarbeiten hat, zu gehen. Wir wollen nicht, dass eine Firma versucht ist, sich für einen Tag lang von ihrer besten Seite zu zeigen. Wir gehen stattdessen Partnerschaften mit Firmen ein, die sich für eine gemeinsame Reise zu Business Ethik, «A Common Journey to Business Ethics» wie wir sie nennen, verpflichten. Wir arbeiten hauptsächlich mit Firmen, denen eine werteorientierte Unternehmensführung und Nachhaltigkeit schon heute wichtig sind, und deren Führungsverantwortliche wissen, wie essenziell wichtig Ethik für ihren nachhaltigen Erfolg ist … und die sich bewusst sind, dass eine ethische Firmenkultur nicht mit ein, zwei Workshops erreicht wird, sondern permanent gepflegt und weiterentwickelt werden muss.

Ihnen bieten wir das Gütesiegel «Committed to Business Ethics» bereits am Anfang der gemeinsamen Reise an. Es bestätigt, dass sich die Führungsverantwortlichen der Business Ethik verpflichten und zeigt die aufrichtige Absicht und Bereitschaft, gemeinsam mit uns kontinuierlich an sich und einer glaubwürdig gelebten ethischen Firmenkultur zu arbeiten. Ihnen stellen wir einen sogenannten ‘Ethical Business Guardener’ als externen Ethikberater zur Seite, der sie während der gesamten Reise trainiert, beratet und coached, um jeden Teil des Unternehmens mehr und mehr auf Ethik auszurichten und so den nachhaltigen Erfolg sicherzustellen.
Dabei gehen wir zeitlich und thematisch ganz individuell vor und passen uns den aktuellen Gegebenheiten, Herausforderungen, Bedürfnissen und finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens an. Unser Anspruch ist, dass sich jede Firma, die aufrichtig zum Guten in der Welt beitragen will, diese Common Journey to Business Ethics leisten und das Gütesiegel entsprechend verwenden kann.

Wir müssen uns auch vor Augen halten, dass Künstliche Intelligenz nie besser sein kann als Natürliche Intelligenz.

Eine globale Entwicklung besteht im vermehrten Einsatz von KI - unter welchen Voraussetzungen wären die «nicht-menschlichen Kollegen» eine Chance - und keine Bedrohung für unsere menschliche Intelligenz und unsere Arbeitsplätze?

Die Voraussetzungen sind die gleichen, wie oben beschrieben. Wir müssen mit derselben ethischen Wertehaltung und dem Fokus auf das Wohl des Ganzen ans Werk gehen, sei es bei der Entwicklung von Algorhythmen oder dem Einsatz von KI. Nicht alles, was heute möglich ist, dient dem Leben wirklich, so faszinierend es auch sein mag.

Wir müssen uns auch vor Augen halten, dass Künstliche Intelligenz nie besser sein kann als Natürliche Intelligenz… wir können das Leben nicht toppen. Unendlich viele Daten zu sammeln und zu vergleichen, führt noch nicht zu intelligenten Entscheidungen. Wahre, natürliche Intelligenz kann nicht quantitativ gemessen werden. Sie ist eine Frage der Qualität, also des Reifegrads des Einzelnen. Sie bezieht in ihre Entscheidungsfindung emotionale Komponenten wie Liebe, Empathie oder Mitgefühl mit ein. Sie handelt mit Ethik, Anstand und Moral. Sie verfügt über die Fähigkeit, auf ihre Intuition zu vertrauen, Dinge abzuwägen und auch irrational zu handeln, wenn es dem Wohl des Ganzen dient. Sie ist in der Lage, einen Paradigmenwechsel vorzunehmen, wenn sie erkennt, dass wir auf dem falschen Weg sind. Das kann künstliche Intelligenz nicht.

Künstliche Intelligenz muss meiner Meinung nach sehr dezidiert, mit Bedacht und weiser Vorausschau eingesetzt werden. Aber nicht dort, wo die oben erwähnten Qualitäten gebraucht werden … und diese werden viel stärker benötigt, als wir uns das heute eingestehen, gerade auch, wenn es darum geht, die Probleme der heutigen Zeit zu lösen.

Dennoch kann KI das Leben in vielerlei Hinsicht vereinfachen und bereichern, uns so auch mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben verschaffen. Das wäre eine Chance, bedingt aber auch, dass wir anderen Arbeiten oder Beschäftigungen mehr Wert beimessen, als wir das heute tun. Zeit mit den Kindern oder älteren Menschen zu verbringen, soziales Engagement, ehrenamtliche Arbeiten etc. Ich kann mir auch sehr gut eine Gesellschaft vorstellen, in der ein 100% Job 30 bis 35 Stunden Arbeit pro Woche bedeutet.

Die Natur ist generell hierarchisch organisiert … Gott sei Dank.

Du sprichst ja für Naturnähe in der Unternehmensführung. In der Tierwelt haben wir einerseits klare Hierarchien - Leitwölfe und - stuten - und andererseits eine ausgeprägte Schwarmintelligenz wie bei Ameisen und Staren und vielen anderen. Was zeichnet für dich eine gute Führungsstruktur aus - und wie kann ein Unternehmer auch einmal gegen den Willen der Miteigentümer oder der Belegschaft den Kurs wechseln - z.B. hin zu mehr Ethik?

Die Natur ist generell hierarchisch organisiert … Gott sei Dank. Hierarchie bedeutet «Die Macht dem Heiligsten», und der oder die ‘Heiligste’ ist das Wesen, welches das ‘Heil’ oder das Wohl des Ganzen im Blick hat und somit über die grösste Reife verfügt, die entsprechende Verantwortung auch tragen zu können. Egal ob es sich um ein einzelnes Individuum wie beim Wolf oder um eine Schwarmintelligenz wie bei Ameisen handelt, die lenkende Energie dahinter dient dem Wohl des Ganzen zu. Tiere haben keine freie Wahl, wie wir Menschen, sie gehorchen einfach instinktiv dem Lauf der Natur. Deshalb können Sie auch keine falschen Entscheidungen treffen oder sich Karma aufladen.

Wir Menschen haben jedoch eine starke Willenskraft (Yang) und wir verfügen über Unterscheidungsvermögen, einer innewohnenden, natürlichen Weisheit (Yin). Diese beiden Kräfte in Interaktion erlauben uns, schöpferisch tätig zu sein. Und wir haben die freie Wahl, wie wir mit diesen Kräften umgehen und was wir mit ihnen bewirken. Das macht uns für alle unsere Handlungen verantwortlich.

Auch in einer Firma sollte die Macht dem ‘Heiligsten’ im oben erwähnten Sinne gehören. Menschen mit dem höchsten Reifegrad, mit der grössten Liebe für das Leben und dem stärksten intrinsischen Wunsch, zum Guten in der Welt beizutragen, gehören an die Spitze jedes Unternehmens. In einer Struktur wie der Aktiengesellschaften geben wir jedoch die Macht dem Geld, resp. dem Geldgeber. Der Aktionär ist das oberste Organ in einer AG. Das wäre nicht weiters schlimm, wenn der Reifegrad der Aktionäre entsprechend hoch und ihre Motivation ebenso ‘heilig’ ist. Wenn es aber hauptsächlich um Profit geht, müssen wir uns nicht wundern, dass häufig ‘kleine Egos’ in Geschäftsleitungsfunktionen gewählt werden. Welche Auswirkungen das haben kann, erkennen wir tagtäglich an den Missständen in der Wirtschaft.
Eine gute Führungskraft verfügt über eine natürliche Autorität, gepaart mit wahrer Demut. Sie ist nicht gefällig und hat auch keine Angst, Entscheide zu fällen, mit denen vielleicht nicht alle einverstanden sind, die jedoch dem Wohl des Ganzen und nicht nur einer Gruppe von Aktionären oder der Belegschaft dienen. Sie wird es verstehen, Mitarbeitende zu fördern und das Beste in ihnen hervorzubringen und sie dadurch in der Erfüllung ihres Lebenszwecks zu unterstützen.

In diesem Sinne haben Hierarchien, in denen man auf Augenhöhe und mit Respekt miteinander umgeht, ihre Berechtigung. Diese können und sollten jedoch sehr beweglich sein. Je nach Aufgabe oder Projekt kann ein anderes Teammitglied, das über besondere Fähigkeiten und Eigenschaften verfügt, die grad gebraucht werden, den Lead übernehmen. Die Aufgabe ‘des obersten Bosses’ ist es jedoch, zu jeder Zeit sicherzustellen, dass geltende Werte und Normen eingehalten und ethisch ausgerichtet gearbeitet wird, so dass das Resultat immer dem Wohl des Ganzen dient.

Danke dir und viel Erfolg bei eurer Arbeit!


Mehr: www.sunhearts.org