«Al Jazeera» wird in Israel verboten

Der katarische Kanal wird aus Israel und künftig wohl auch aus dem Gazastreifen verbannt. Das Zeigen der Kriegsgräuel und das Aufzeigen der Verhandlungsangebote von Hamas kann die Regierung Netanjahu nicht länger ertragen, schreibt der Freitag
Veröffentlicht: 16. Apr 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 16. Apr 2024

Bürger per staatlicher Verordnung vor Feindsendern abzuschirmen, sei ein alter Hut, so der Freitag weiter, der nach landläufiger Auffassung zum Instrumentarium totalitärer Regime gehöre. Im Nazistaat wurde das Hören von Radio London mit dem Fallbeil bestraft. In der frühen DDR mussten Schüler unterschreiben, dass sie sich kein Westfernsehen anschauen – es wurde trotzdem eingeschaltet.

Heute scheuen sich die nach eigenem Verständnis standhaftesten Demokratien nicht, den Medienkonsum durch ein Heer von mäßig qualifizierten Plattform-Zensoren einzuschränken. Was aber hat die israelische Knesset zu einem Gesetz gegen ausländische Medien bewogen, von denen angeblich die „Staatssicherheit bedroht“ wird? Das verabschiedete Dekret zielt darauf,

Die meisten Israelis geben sich mit den Narrativen zum Gaza-Krieg zufrieden, wie sie die eigenen Massenmedien oder Verlautbarungen von Regierung und Armee abliefern. Sie bekommen wohl Bilder von Luftangriffen und zerstörten Stadtlandlandschaften zu sehen, vertriebene oder hungernde Menschen hingegen kaum, da solche Eindrücke ein unerwünschtes Mitgefühl wecken. Um eine Berichterstattung zu verhindern, die Verständnis oder gar Empathie für die palästinensische Seite auslösen kann, sind in den vergangenen Jahren etliche für Al Jazeera arbeitende Reporter getötet worden. Bekanntestes Beispiel ist die 2022 angeblich versehentlich erschossene, populäre amerikanisch-palästinensische Reporterin Shirin Abu-Akleh, die 25 Jahre für den Sender unterwegs war und zum Zeitpunkt der gezielten Schüsse eine Weste mit Pressekennzeichen trug. (...)

Um das nun ergangene Verbot zu begründen, wird dem Sender vorgeworfen, den Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023 als militärische Operation verklärt und Gewaltexzesse verschwiegen zu haben. Al Jazeera diene als Propagandaplattform der Hamas. In der Tat kam dort zuweilen der martialisch vermummte, selbst ernannte Hamas-Sprecher Abu Obeida zu Wort, der – spiegelbildlich zu Premier Netanjahu – zur vollständigen Vernichtung des Gegners aufrief. 

Für israelische Hardliner erscheint Al Jazeera vor allem deshalb gefährlich, weil der Sender präziser als die eigenen Medien über Verhandlungsangebote der Hamas informiert. Dass sie alle in ihrer Hand verbliebenen Geiseln vorläufig nur bei einem umfassenden Gefangenenaustausch und dauerhaften Waffenstillstand freigeben will, könnte für immer mehr Israelis als allein denkbare Vernunftlösung erscheinen. Vermutlich ein Grund für das Verbot, das zum Dissens mit den USA beiträgt. Joe Biden ließ wissen, dass man im Weißen Haus die Arbeit des Senders gelassen sehe. Sollte Israel Gaza nicht räumen, würde der Bann gegen Al Jazeera auch dort gelten.


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