Zeitpunkt-Apéro: Die Schweizer Neutralität ist ein Friedensprojekt

Neutralität oder NATO: Findet die Schweiz nicht wieder zu ihrer «Seele» zurück, wird sie unweigerlich Teil des US-Kriegsbündnisses. Davor warnte das Podium am Zeitpunkt-Apéro. 

Die Neutralität ist kein SVP-Projekt, sondern vereinigt Links und Rechts: Christoph Pfluger, René Roca, Wolf Linder, Ralph Bosshard (v.l.) (Bild: Samia Guemei)

Der «Zeitpunkt» lud letzten Montag ein und 200 Menschen reisten zur Startrampe Biel , wo der «Zeitpunkt»-Apéro diesmal stattfand. Der Höhepunkt war das Podium zur Neutralität der Schweiz, das auch das Thema des letzten Zeitpunkt-Hefts war. 

«Die Schweiz wird, wenn sie nicht an ihrer Neutralität festhält, in ein paar Jahren NATO-Mitglied sein». Das waren die markigen Worte des emeritierten Professors Wolf Linder. Zusammen mit René Roca, Leiter des Forschungsinstituts für Direkte Demokratie, war er massgeblich beteiligt an der Neutralitätsinitiative. Am Runden Tisch sass zudem, nebst «Zeitpunkt»-Herausgeber Christoph Pfluger, Oberstleutnant a.d. Ralph Bosshard, Militärpublizist und Mitarbeiter der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit).

Wie der häufige Applaus des Publikums zeigte, war es sich einig: Die Neutralität der Schweiz muss, wie es die Initiative verlangt, in der Verfassung verankert werden. Die Schweiz soll, so hatte es Bosshard, formuliert, wieder zum Frieden in der Welt beitragen, statt einseitig dem «Wertewesten» zu dienen. 

Wären die rund 200 Apéro-Gäste der Massstab des Schweizer Volkes, so bewiesen sie, dass die Schweizer Neutralität nicht nur eine SVP-Angelegenheit, sondern ein Anliegen aus der Mitte der Gesellschaft ist.

Denn dies, dass die Neutralitätsinitiative einfach als «rechts» und «SVP» gebrandmarkt würde und damit die Zustimmung der Mehrheit verlöre, das war die grosse Sorge der Podiumsteilnehmer. Christoph Pfluger warf die Frage an die Runde: «Wie schaffen wir es, dass die Neutralitätsinitiative nicht als SVP-Manifest wahrgenommen wird?» 

Roca führte aus, dass er für das Komitee der Initiative lange nach Mitgliedern gesucht habe, aber Linke und Grüne hätten abgewinkt, da sie nicht gemeinsame Sache mit der SVP machen wollten. Roca: «Das Komitee besteht auch aus parteiunabhängigen Kräften.» Und Linder warnte, dass es zu keiner parteipolitischen Polarisierung kommen dürfe. 

Während Bosshard ein Müsterchen davon erzählte, wie die OSZE die Polarisierung der Welt vorantreibe: «Ich erhalte Mails, wonach die Randensuppe Bortsch nun ukrainisch sei und man doch gefälligst keine russischen Komponisten mehr hören solle.»

Für Christoph Pfluger ist die Schweizer Neutralität «die Seele der Schweiz». Die werde aber, wie Wolf Linder veranschaulichte, von den gewählten Politikern preisgegeben, «indem sie sie einfach stillschweigen». «Ja», pflichtet Pfluger bei, «wer Neutralität verstehe, gelte als Putinversteher.» Die Schweiz wage es nicht mehr zu ihren Werten zu stehen, weil sie unter Druck stehe, wie René Roca erläuterte: «Die Banken haben Angst vor US-Sanktionen, da gibt der Bundesrat einfach nach.» 

Bosshard vermittelte, wie das auf den Rest der Welt wirkt: «Die Schweiz wird belächelt, sie wird als schwach angesehen.»

Neutralität ist nicht zum Nulltarif zu haben, da waren sich die Podiumsteilnehmer einig. «Es braucht Mut und Entschlossenheit», so Linder, «um sich zum Beispiel gegen die EU-Sanktionen zu stemmen.»

Ja, eines ist klar, wenn die Schweiz heute entschliesst, neutral zu bleiben, dann wird sie, im Gegensatz zu früher von niemandem hofiert. Bis jetzt habe die Schweizer Neutralität immer jemandem gedient. Im 19. Jahrhundert galt die Schweiz als Passagierland für Grossmächte. Im Zweiten Weltkrieg wurden durch sie Waffen und Geld verschoben. «Und jetzt, wem dient die Schweizer Neutralität?», fragte Wolf Linder. «Sie ist klar ein Friedensprojekt», antwortete Bosshard.

So oder so: Verstärkt die Schweiz ihre Neutralität nicht, landet sie, so Bosshard, in zehn Jahren in der NATO.

Übrigens: Die Neutralitätsinitiative kann noch bis zum 8. Mai unterzeichnet werden und soll, so Roca, fast in trockenen Tüchern sein. Am Zeit-Apéro gingen die Unterschriftsbogen weg wie warme Brötchen.

Bisher im Zeitpunkt zur Neutralitätsinitiative erschienen: 

 

Linke und Grüne für die Neutralitätsinitiative

«Die USA machen Druck auf die Schweiz»

Zeitpunkt-Apero

Russland nimmt die «Abkehr Berns von der Neutralität zur Kenntnis»

 

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06. März 2024
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