Erstmals in Europa richtet die Schweiz eine Beratungsstelle für Menschen mit Elektrohypersensibilität ein.

Das Magazin des Bundesamtes für Umwelt berichtet über die beabsichtigte Arbeit, schreibt Carole Berset
Veröffentlicht: 15. Apr 2024 - Zuletzt Aktualisiert: 15. Apr 2024

Zwar lassen sich die ursächlichen Zusammenhänge wissenschaftlich nicht bestätigen, unbestritten ist aber, dass die Symptome elektrosensibler Menschen real sind. Mit einem neuen Beratungsnetz soll die medizinische Versorgung der Betroffenen verbessert werden. Die Massnahme geht auf einen Beschluss des Bundesrats zurück.

Rund fünf Prozent der Schweizer Bevölkerung bezeichnen sich als elektrosensibel. «Dieser Wert variiert je nach Studie zwischen einem und zehn Prozent», sagt Maurane Riesen, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim BAFU. Ein Bericht der nationalen französischen Agentur für Lebensmittelsicherheit, Umwelt und Arbeitsschutz (ANSES) von 2018 wertete die bestehenden Studien aus uns schätzt diesen Wert ebenfalls auf rund fünf Prozent.

Allerdings: Ein kausaler Zusammenhang zwischen der empfundenen Elektrosensibilität und der Exposition in elektromagnetischen Feldern – oder umgangssprachlich in Elektrosmog – liess sich bisher nicht wissenschaftlich nachweisen. Klar ist aber: Die Leiden Betroffener sind real und äussern sich in einer Vielzahl von Symptomen wie Hautrötungen, Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Übelkeit, Herzrasen oder Verdauungsstörungen. Laut dem Bericht der ANSES werden am häufigsten hochfrequente Quellen wie WLAN-Netze, Mobiltelefonie und Mobilfunkantennen sowie niederfrequente Quellen wie Stromleitungen und elektrische Anlagen als Gründe für das Auftreten dieser Leiden angegeben.

Weltweit hat die Schweiz eine der strengsten Regelungen zum Schutz der Bevölkerung vor solcher nichtionisierender Strahlung. Im Jahr 2000 hat der Bundesrat die Verordnung über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NiSV) in Kraft gesetzt, in der unter anderem die von der internationalen Kommission zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung empfohlenen Grenzwerte über­nommen wurden. Zudem wird das Vorsorgeprinzip angewendet, um die Strahlenbelastung dort zu begrenzen, wo sich Menschen meist während längerer Zeit aufhalten. Etwa in Wohnungen, Schulen, Spitälern oder an ständigen Arbeitsplätzen. Dennoch fühlen sich nicht alle elektrosensiblen Personen ausreichend geschützt.

Im Jahr 2019 veröffentlichte die vom Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) eingesetzte Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung einen umfassenden Faktenbericht. Auf dieser Grundlage beschloss der Bundesrat 2020, ein Monitoring der nichtionisierenden Strahlung einzurichten und eine umwelt­medizinische Beratungsstelle für nichtionisierende Strahlung zu schaffen. Daraufhin hat das BAFU das Institut für Hausarztmedizin der Universität Freiburg beauftragt, das erste medizinische Beratungsnetz für nichtionisierende Strahlung aufzubauen, namens MedNIS. «Das Beratungsnetz hat seine Arbeit im September 2023 aufgenommen», erzählt Maurane Riesen.

MedNIS besteht aus Ärztinnen und -ärzten aus der ganzen Schweiz, die eine Weiterbildung beim Netzwerk absolviert haben. Das Ziel: Haus­ärztinnen und -ärzte im Umgang mit elektrosensiblen Personen zu unterstützen und die Betreuung zu verbessern. «Zudem möchten wir die Forschung zu Elektrosensibilität voranbringen und medizinische und wissenschaftliche Grundlagen schaffen, um Betroffene besser behandeln zu können», sagt Riesen. «Wir planen, eine Gruppe von Personen zusammenzustellen, die sich bereit erklären, ihre medizinischen Informationen zu teilen. Das sollte helfen, diese Problematik besser zu verstehen.»