Melken ist verantwortungsvolle handwerkliche Kunst. Beim Melken begegnen wir der weissen Quelle des Lebens.
Der Abend gestern war lang. Besuch war da, Lagerfeuer, grillen und reden, und es wurde immer später. Heute Morgen bin ich schwer aufgestanden, beim Melken wurden meine Augen schon wieder müde.
Ich hab mich an die Kühe gelehnt und hab versucht, das Gleichgewicht auf dem Melkstuhl zu halten. Der Stall war so lau, die Kühe mollig warm, und meine Augen wurden  immer kleiner.

Und dann der plötzliche Schmerz und die Schwärze vor meinen Augen. Ich war plötzlich hellwach. Es brannte. Mit einer gezielten Bewegung hatte eine Kuh ihren Schwanz um meine Augen gewickelt. Sie war vorher gelegen, ich hab’s gesehen. Sie hatte geschifft, dann geschissen und dann hatte sie sich hingelegt, um auf mich zu warten. Sie hatte ihren Schwanz rhythmisch im Dreck auf und ab geklatscht,
Ich hab’s gesehen, hab’s gewusst, ich wollte den verklebten Schwanz doch nicht anbinden, denn der war nass und schwer. Es würde schon gehen, wie so oft, dachte ich mir.

Ja, es ging, es musste so kommen, brennende Scheisse in den Augen, mühsam gebremste Wut in mir auf alles, was vier Füsse hat und Milch gibt. Ich hab «Scheisse» gebrüllt. Nach einem ersten Wutausbruch hab ich mich wieder beruhigt, mir die Augen ausgewaschen und weitergemolken, hellwach und zweimal geschlagen, einmal von der Kuh und das zweite Mal von mir selbst, weil ich die Konsequenzen des Nichtanschwanzelns nicht tragen konnte.
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