Die Schwestern Julia und Lisa Hermes sind vier Jahre ohne Flugzeug und fast ohne Geld durch die Welt getrampt. Durchquerten unter anderem im Segelboot ohne moderne Navigation den Atlantik und paddelten den Amazonas herunter. Ein Buch und Vorträge locken Nachahmer an.

Julia (links) und Lisa Hermes in Nicaragua. (Bild: https://outthere.eu/blog/)

Fast alle 300 Plätze im Basler Volkshaus sind ausverkauft. Vielen Zuschauern sieht man die verwegenen Reiseabenteurer an. Andere, älteren Semesters, scheinen sich einfach über den Wagemut und Entdeckerlust der beiden jungen Frauen zu freuen. Alle wollen die beiden mutigen Schwestern sehen.

Es ist nicht nur die Reiselust, die die beiden während vier Jahren vorantreibt. Es ist auch die Sehnsucht nach Utopien. Wie kann man leben ausserhalb kapitalistischer Systeme? 2017 trampen sie los. Wie sie wann landen werden? Unbestimmt. Vier Jahre später kehren sie zurück. Lisa ist inzwischen in Mexiko Mutter geworden.

Ihre erste Utopie ist das ZAD (Zone à Défendre), ein 1700 Hektar grosses besetztes Gebiet. Hier hätte in den 1970-er Jahren ein Flugplatz entstehen sollen. Lisa und Julia begegnen Permakultur und Menschen, die dank Meditation und anderen Bewusstseinsübungen, eine grosse Kraft und viel Liebe ausstrahlen.

Die beiden reisen nicht als Zuschauerinnen durch die Welt. Sie reisen als teilnehmende Beobachterinnen. So nennt man in der Ethnologie den Zustand des Erforschens fremder Kulturen. Zutaten sind eine hohe Risikobereitschaft und – wenig Geld. So paddeln sie denn auf dem Amazonas in einem Kanu und steuern immer wieder an den Ufern lebende Gemeinschaften an.

Sie trinken Spuckebier, lehnen gerösteten Affen ab und lassen sich von einer Heilerin einen Segensspruch mit auf dem Weg geben.

Und immer wieder stehen sie Todesängste aus. So, als plötzlich Taschenlampen in ihr Zelt am Rande des Urwaldes gezündet werden.

Eines der grossen Abenteuer ist die Überfahrt auf dem Atlantik. Erst auf dem Ozean merken die beiden, dass ihr Freizeitkapitän zum allerersten Mal navigiert. Und dies ohne moderne Geräte. Naiv baden sie, wo Haie auftauchen. Und die letzten Wochen vor Venezuela müssen sie sich von Nudeln und Instantsoups ernähren, da ihre Vorräte an Obst und Gemüse längst aufgebraucht sind.

Die beiden Frauen können nicht nur reisen. Sie können auch schreiben. «Stell dir ein grosses Holzhaus vor, gebe ein bisschen Magie und Mantras hinzu, den Duft von frisch gebackenem Brot, Melisse, Rosmarin und die elfenhaften Klänge einer Handpan. Das Paradies?» So beschreibt Julia die Gemeinschaft, die mitten im chilenischen Urwald eine Utopie der Liebe errichtet hat.

Jedes Kapitel wird abwechslungsweise von Julia oder Lisa geschrieben. Auch am Vortragsabend wechseln sich die beiden Schwestern ab. Eine verschwindet im Dunkel, eine tritt ins Licht und wendet sich ans Publikum. Die Übergänge verlaufen reibungslos.

Hand und Hand gingen die Schwestern auch durch ihre Abenteuer. Wenn die eine sich aufregt, bewahrt die andere die Ruhe. 

Zunächst, so schildert Lisa ihre Gefühle in der Glücksoase, hätte es sich komisch angefühlt, dass sich die Menschen dauernd in den Armen gelegen seien. Aber dann sei sie tief berührt gewesen. Sie sei weitergereist mit der Erkenntnis, dass es die Menschen glücklich macht, berührt zu werden, miteinander zu singen und einander Komplimente zu machen.

Lisa Hermes ist ausgebildete Fotografin. Sie und Julia, Jule genannt, betreiben während ihrer Reise einen Blog. So wurden nacheinander der Veranstalter des Vortrags Explora und Buchverlage auf sie aufmerksam.

«Wir waren komplett über das Interesse überrascht», sagt Lisa Hermes.

Die beiden Schwestern konnten auswählen, bei welchem Verlag sie ihre Reise veröffentlichen wollten. Ihre spannende, poetische und krasse Geschichte erschien unter dem Titel «Out there»

Und heute, zwei Jahre nach Abschluss ihrer Reise? Lisa Hermes ist inzwischen Mutter von zwei Töchtern. Lisa Hermes Augen leuchten, während sie ein Buch nach dem andern signiert: «Erst vor kurzem haben wir ein Haus im Schwarzwald gefunden. Wir wollen eine Gemeinschaft gründen.» Selbstverständlich wird Julia auch Teil des Wohnprojekts sein.

Hier machen Julia und Lisa Hermes auf ihrer Schweiz-Tournee Halt. Letztes Datum: 4. Februar in Spiez.


Zu Reisen im «Zeitpunkt» bisher erschienen: 

Kommentare

Der Unterschied zwischen um die Welt und durch die Welt

von juerg.wyss
Ich verstehe die Worte anders als Ihr all, nämlich dem Sinn  nach. So auch die verbale Entgleisung des Umstandes durch die planlose Vermischung der Worte "durch die Welt". Zur allgemeinen Information, wenn jemand durch die Welt trampt, dann hat er kein Ziel. Die beiden Frauen hatten  aber sehr wohl Ziele, weshalb sie um die Welt fuhren, um ihre Ziele zu erreichen. Dieser Unterschied macht aus der Berichterstattung eine Farce, da sie den Fakt des "CO2" freien Reisens ohne den Kapitalismus in einen Fakt des geldlosen Reisens ohne Bargeld verwandelt. Mit der Vermischung dieser beiden Aussagen um die Welt und durch die Welt wurde den Lesern das eigenständige Denken genommen. Es wird eine Scheinwelt geschaffen, die dem Realen widerspricht!