Gesundheit und Profit

Die Journalistin Ursel Sieber hat in ihrem Buch "Gesunder Zweifel" den verloren gegangenen Kampf des Pharmakritikers Peter Sawicki mit der Arzneimittelindustrie geschildert und einen Blick auf die skandalösen Praktiken im deutschen Gesundheitswesens geworfen.

Frau Sieber, bei den Änderungen des Arzneimittelsparpakets durch die Regierungskoalition hat sich herausgestellt, dass mehrere Formulierungen nahezu wortwörtlich aus einer Vorlage der forschenden Arzneimittelhersteller übernommen worden sind. Ist dieser Vorfall symptomatisch für die politische Praxis im Bezug auf die Interessen der Pharma-Industrie? Wie sehen ihrer Meinung generell die Beziehungen zwischen der Politik und den Pharma-Lobbys aus?


Ursel Sieber: Ja, das ist symptomatisch für die enge Beziehung zwischen Pharmaindustrie und Politik - leider. Die Industrie hat einen sehr großen Einfluss. Gerade deshalb hat die Industrie ja bis heute in Deutschland hervorragende Vermarktungsbedingungen: Einen freien Zugang zum Markt, direkt nach der Zulassung und freie Preisbildung für neue Medikamente. Ich zeige in meinem Buch, wie und warum der Lobbyismus so gut funktioniert. Die Firmen und der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller VfA haben über Jahre die Nutzen-Bewertung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen IGWiG kritisiert und behauptet, das Institut würde die falschen Studien zur Bewertung heranziehen, die Wahrheit verbiegen und Sparanforderungen der Krankenkassen durchsetzen. Es war eine regelrechte Kampagne, organisiert von der Abteilung "GO" im VfA - auch "Anti-Sawicki-Abteilung" genannt. Unter Peter Sawicki ist die Industrie aber mit ihrer Forderung, auch schlechtere Studien - also Studien, die nur einen niedrigen oder mittleren Evidenzgrad und keinen wirklichen Beweischarakter haben, zu berücksichtigen, nicht durchgedrungen. Und Sawicki und das Institut konnten sich auf Kriterien berufen, die im Gemeinsamen Bundesausschuss zwischen Ärzten, Krankenkassen und Krankenhäusern abstimmt waren. Diese Kriterien sind im Übrigen international anerkannt.

27. September 2010
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