Kriegsmaterialexporte auf neuem Rekordstand

Für 727,7 Mio. Franken wurde 2009 Kriegsmaterial ausgeführt, ein neuer Rekord (2008: 721,9 Mio. Fr, 2007: 464,5 Mio. Fr.). Abnehmer von helvetischen Rüstungsgütern waren im letzten Jahr wieder Staaten, die im Irak und in Afghanistan Krieg führen, die USA, Deutschland, Dänemark, Grossbritannien, Belgien, die Niederlande, Spanien, Frankreich, Italien, Kanada, Norwegen und Griechenland. Daneben waren aber auch Regimes im Pulverfass des Nahen Ostens gute Kunden der Schweizer Rüstungsindustrie: Das Menschenrechte mit den Füssen tretende feudalistische Saudi-Arabien kaufte in der Schweiz wieder Kanonen und Granaten. Auch an Folterstaaten wie Pakistan, Malaysia, Ägypten, Algerien lieferte die Eidgenossenschft Kriegsmaterial. Fazit: Die Neutralität, das Kriegsmaterialgesetz und die Kriegsmaterialverordnung wurden durch den grössten Teil der Rüstungslieferungen des vergangenen Jahres erneut krass verletzt.

70 Professoren für Völkerrecht oder Strafrecht kritisierten im letzten Jahr die Kriegsmaterialexporte. Sie gelangten im Oktober in einem offenen Brief an Bundesrätin Doris Leuthard, sowie an die Direktion für Völkerrecht im Aussendepartement von Bundesrätin Micheline Calmy-Rey an die Öffentlichkeit. Die Professoren bemängelten, wie die seit Dezember 2008 geltende revidierte Kriegsmaterialverordnung gehandhabt werde. Insbesondere kritisierten sie die Auslegung des Artikels, wonach ein Exportverbot für Länder gilt, die «in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt» sind. Würde dies umgesetzt, hielten die Professoren fest, dürften etwa weder nach Deutschland noch in die USA Rüstungsgüter geliefert werden, denn diese Nationen seien in Afghanistan und im Irak an Kriegen beteiligt. Die Argumentation von Bundesrätin Leuthard, dass die Ausfuhr in diese Länder nicht unterbunden werde, weil Uno-Resolutionen die Teilnahme an diesen bewaffneten Konflikten stützten, sei völkerrechtlich irrelevant. Nicht weniger fragwürdig seien Exporte in Staaten wie Saudi-Arabien oder Pakistan, die Menschenrechte verletzten oder in internen Konflikten stünden, stellten die Rechtsgelehrten fest. Bewilligt wurden diese Lieferungen meist mit der Begründung, dass das Material nicht in bewaffneten Auseinandersetzungen und nur für Missionen mit Uno-Mandaten gebraucht werde.

Als einer von drei Erstunterzeichnern des Briefes der Rechtsgelehrten an Doris Leuthard und an Micheline Calmy-Rey exponierte sich Marco Sassòli, Professor für internationales öffentliches Recht an der Universität Genf. Sassòli sagte: «Ausgerechnet die Schweiz, die sich so für das humanitäre Völkerrecht engagiert, manipuliert beim Export von Kriegsmaterial einen zentralen Begriff des humanitären Völkerrechts, die Schweiz halte auch ihre eigenen Vorgaben nicht ein.»

Genf, Bern und Lausanne für ein Verbot der Kriegsmaterialexporte
Die Volksinitiative für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten wurde leider im letzten Jahr abgelehnt, was zu erwarten war. Immerhin waren aber am 29. November 2009 31,8 Prozent Ja Stimmen zu verzeichnen, während bei einer ähnlichen Vorlage 1997 der Stimmenanteil noch bei 22,5 Prozent lag.

Nicht überall wurde die Initiative für ein Verbot der Kriegsmaterialexporte jedoch abgelehnt. Von den fünf grössten Städten der Schweiz haben Genf, Bern und Lausanne das Volksbegehren angenommen. In den zwei anderen grossen Städten, Basel und Zürich, wurde die Mehrheit nur um wenige Stimmen verpasst.

Kriegsmaterialexporte im Vergleich zu einem friedlichen Projekt in Somalia

Mit dem Geld der Schweizer Kriegsmaterialexporte des Jahres 2009, also mit 727,7 Millionen Franken, könnten in armen Ländern viele Projekte realisiert werden, die den Frieden fördern und nicht Tod und Verderben säen würden wie der Export von Waffen. Der Förderverein Neue Wege in Somalia, gegründet von Vre Karrer, beschäftigt in Somalia, in der Stadt Merka, 98 Personen, in einem Ambulatorium, in Schulen usw. Das Budget des Fördervereins Neue Wege in Somalia beträgt rund 200‘000 Franken pro Jahr, also 3‘638 mal weniger als die 727, 7 Millionen Franken die im Jahr 2009 für die Schweizer Waffenexporte bezahlt wurden. Die Primarschule des Fördervereins wird von 335 Mädchen und 300 Knaben besucht. Sie werden von16 Lehrkräfte unterrichtet. An der Sekundarschule werden 164 Mädchen und 364 Knaben von 15 Lehrern betreut. (Infos über den Förderverein Neue Wege in Somalia unter: www.nw-merka.ch).
Mit dem Geld für die Schweizer Kriegsmaterialexporte könnten 2,3 Mio. Kinder geschult werden.

Weitere Informationen:

Gruppe für eine Schweiz ohne Armee:         www.gsoa.ch 
Schutz vor Waffengewalt            www.schutz-vor-waffengewalt.ch
Schweizerischer Friedensrat:            www.friedensrat.ch
Frauen für den Frieden:                www.frauenfuerdenfrieden.ch
Schweizerische Friedensbewegung:        www.friedensbewegung.ch
RüstungsinformationsBüro            www.rib-ev.de
Kampagne Aufschrei                www.aktion-aufschrei.de
Jürgen Grässlin                    www.juergengraesslin.co
26. Februar 2010
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