Das Rätsel des ewigen Wachstums. Während die Menschheit jahrtausendelang mehr oder weniger nachhaltig lebte, setzte ab etwa 1750 eine verheerende Dynamik ein – mit exponentiellem Wachstum der Bevölkerung, des Verbrauchs und der Zerstörung. Was ist eigentlich mit uns geschehen?

Die Wachstumskritik ist sich einig: Weil der Mensch immer mehr will, müssen wir ständig wachsen. Das klingt plausibel, aber stimmt es auch? Der Mensch hat schon immer versucht, seine Lebensbedingungen zu verbessern, ohne damit gleich eine zerstörerische, exponentielle Dynamik loszutreten. Zwar hatten die Römer zur Beheizung ihrer luxuriösen Thermen Italien abgeholzt – aber insgesamt blieb die menschliche Zivilisation einigermassen nachhaltig. Das Auf und Ab der natürlichen Zyklen wies sie in ihre Grenzen.
Wenn die Wachstumskritik also fordert, wir müssten weniger wollen, greift sie zu kurz und vor allem macht sie keine Aussagen über die Ursache der verhängnisvollen Dynamik, die den Planeten Erde an den Rand des Abgrunds drängt. Evidentes exponentielles Wachstum hatten wir nicht schon immer, es plagt uns erst seit neuerer Zeit. Das Verheerende an dieser Form von Wachstum ist unsere Blindheit für seinen naturfremden Charakter. Exponentielles Wachstum kommt in der Biosphäre, wo alles wächst, gedeiht und wieder zerfällt, nur in kurzen Phasen vor. Aber ewiges Wachstum in einer endlichen Welt ist nicht möglich, und deshalb können wir es mit unserer an der Evolution geschulten Wahrnehmung auch nicht erkennen.

Der grösste Fehler des Menschen ist sein Unvermögen, die Exponentialkurve zu verstehen. Davon ist der emeritierte amerikanische Physikprofessor Alfred Bartlett überzeugt und illustriert dies mit seiner mittlerweile berühmt gewordenen Geschichte von der Flasche, in der sich die Zahl der Bakterien jede Minute verdoppelt und die nach einer Stunde voll ist. Die Bakterien merken zwei Minuten vor zwölf – die Flasche ist zu diesem Zeitpunkt zu einem Viertel gefüllt –, dass es eng wird und schicken Kundschafter aus. Nach einer Minute kehren sie mit der frohen Botschaft von drei leeren Flaschen zurück, die das Wachstumsproblem ein für alle Mal lösen würden. Die Erleichterung währt nicht lange: Zwei Minuten nach zwölf sind auch diese voll und das Desaster bricht über die Population herein.
Was man über exponentielles Wachstum wissen muss:
•    Das Wesentliche findet ganz am Schluss statt, wenn es zu spät ist, die Entwicklung zu beeinflussen.
•    Auch ein vergleichsweise bescheidenes Wachstum von jährlich zwei Prozent ist exponentiell. Zur Berechnung der ungefähren Verdoppelungszeit dividiert man 70 durch den Prozentwert; bei zwei Prozent ergibt dies 35 Jahre, bei sieben Prozent, dem aktuellen Wachstum der schweizerischen Exportwirtschaft, zehn Jahre.
•    Verdoppelung bedeutet eine markante Erhöhung des absoluten Wachstums. Wenn die Weltbevölkerung um ein Prozent pro Jahr wachsen würde, ein Wert, den sie erst im 20. Jahrhundert erreichte, dann brauchte es 694 Jahre, um von einer Million auf eine Milliarde zu kommen. Die zweite Milliarde wäre in hundert Jahren erreicht, die dritte in 41, die vierte in 29, die fünfte in 22 und die sechste in 18 Jahren. Der jährliche Zuwachs beträgt zur Zeit 1,14 Prozent und die siebte Milliarde werden wir in diesem Jahr erreichen.

Die Blindheit des Menschen für diese unheilvolle Entwicklung hat noch einen anderen Grund, und da führt uns ein Streifzug in die Geschichte auf die Spur. Als der venezianische Seefahrer Giovanni Caboto als erster seit den Wikingern 1497 die Küsten Nordamerikas erreichte, konnte er den Fischreichtum vor Neufundland fast nicht fassen. «Es wimmelte derart von Fischen, dass sie nicht nur mit Netzen gefangen, sondern mit Körben aus dem Wasser geholt werden konnten», schrieb er. Dies war der paradiesische Naturzustand und gleichzeitig der Anfang einer Fischfangindustrie, die wuchs und wuchs, bis sie in den letzten Jahrzehnten förmlich zusammenbrach und knapp 500 Jahre später, 1992 durch die kanadische Regierung geschlossen werden musste. Die Fischer erkannten das Ausmass der Zerstörung erst, als es zu spät war.
Zur Beschreibung dieser ökologischen Blindheit hat der Fischereiwissenschaftler Daniel Pauly das Konzept des «shifting baseline syndrome» entwickelt, das Syndrom der sich verschiebenden Grundlinie: «Jede Generation von Fischereifachleuten akzeptiert die zu Beginn ihrer Karriere bestehenden Fischbestände als Basis für die Bewertung von Veränderungen. Wenn die nächste Generation antritt, werden die bis dann gesunkenen Bestände als Grundlinie angenommen. Das Resultat ist eine schrittweise Verschiebung der Grundlinie, eine stufenweise Anpassung an das schleichende Verschwinden der Arten.»
Fazit: Der mit dem exponentiellen Wachstum einhergehende Wandel kann zwar wahrgenommen werden, aber seine dramatischen Auswirkungen zeigen sich erst nach Generationen.

Wenn wir verstehen wollen, was heute auf der Erde geschieht, müssen wir also grössere Zeiträume betrachten. Aber da fehlen uns weitgehend die empirischen Daten. Von den grossen Indikatoren der Menschheitsentwicklung – Bevölkerung, Produktivität und Naturverbrauch – gibt es nur über die Bevölkerungszahl einigermassen verlässliche Zahlen. Immerhin. Da entdeckt man im 18. Jahrhundert eine markante Trendwende, das vorher langsame Bevölkerungswachstum beginnt zu steigen.
Was ist da geschehen?

 

Einen sich selbst begründenden Anstieg des Bevölkerungswachstums können wir ausschliessen. Warum auch sollte die Bevölkerungszahl plötzlich ansteigen, wenn sie es Jahrtausende zuvor nicht getan hat? Welche neue Kraft hat also im 18. Jahrhundert die Bühne der Zivilisation betreten, sodass sich die Lebensgrundlagen der Menschheit fundamental änderten? In Frage kommen die Demokratisierung, die Industrialisierung und die Einführung des Kreditgeldes. Die Identifikation einer einzigen Ursache – wenn es denn eine gibt – geht über die Möglichkeiten dieser kurzen Untersuchung hinaus. Aber ein paar plausible Feststellungen lassen sich dennoch machen. Demokratien hat es im antiken Griechenland bereits gegeben, ohne dass sie die Lebensgrundlagen hätten angreifen können. Im Falle Roms ist dies allerdings weniger eindeutig. Die römische Demokratie war fast so expansiv wie später das Cäsarentum. Den Römern fehlte es jedoch nicht nur an technischen Möglichkeiten – die Zahl Null war noch nicht erfunden – es mangelte vor allem am Zwang zur Effizienzsteigerung. Sklaven waren zur Genüge vorhanden, den Hunger der Aristokraten nach Luxus zu befriedigen. Demokratie als hinreichenden Grund für den im 18. Jahrhundert einsetzenden Zeitenwandel können wir also ausschliessen.
Kommt die Industrialisierung dafür in Frage? Auch da sind Zweifel angebracht, die sich ausgerechnet am Beispiel der Dampfmaschine, dem Motor der Industrialisierung schlechthin, manifestieren. Der Historiker Tamim Ansary schreibt in «Die unbekannte Mitte der Welt – Globalgeschichte aus islamischer Sicht»: «In der muslimischen Welt gab es die Dampfmaschine schon drei Jahrhunderte, bevor sie im Westen erfunden wurde. Dort löste sie allerdings rein gar nichts aus. Die Dampfmaschine wurde erfunden, um beim Festbankett eines reichen Mannes einen Drehspiess anzutreiben und ein Schaf von allen Seiten knusprig braun zu grillen; eine Beschreibung des Geräts findet sich in einem Buch des türkischen Ingenieurs Taqi al-Din aus dem Jahr 1551. Nach dem Fest fiel niemandem eine weitere Verwendungsmöglichkeit für den Apparat ein und er wurde wieder vergessen.» Überhaupt war die orientalische Welt, wie viele Jahrhunderte zuvor das chinesische Reich, dem Westen in technischer und wissenschaftlicher Hinsicht weit voraus, ohne dass dies zu einem fatalen Angriff auf die Nachhaltigkeit geführt hätte. Die technisch-industrielle Innovation allein führt also nicht zu einer sich selbst verstärkenden Entwicklung, auch nicht in Verbindung mit Gier, von der vermutlich weder Orientalen noch Chinesen verschont blieben.

Wir kommen der Sache näher, wenn wir die Innovationen im Geldwesen des 18. Jahrhunderts näher betrachten. Die Gründung der Bank of England 1694, der Mutter aller Zentralbanken, gilt allgemein als Geburtsstunde des modernen Geldwesens. Vorher wurden die Zahlungsmittel, vornehmlich Münzen, von der Obrigkeit herausgegeben und waren durch den Wert des Edelmetalls einigermassen gedeckt. Die Schöpfung von Zahlungsmitteln durch den Kredit war marginal und beschränkte sich im Wesentlichen auf Wechsel zur Finanzierung des Handels ohne Münzgeld und die Herausgabe von ungedeckten Goldquittungen durch die Goldschmiede, die damit gleichzeitig Bankiers waren. Diese Zahlungsmittel waren privat, d.h. sie eigneten sich nur mit Einverständnis des Gläubigers zur Bezahlung von Schulden. Mit der Bank of England wurde dies anders.
Ihre Gründung geht übrigens auf einen historischen Demokratisierungsschritt zurück, was allerdings keineswegs bedeutet, dass sie demokratisch legitimiert wäre. 1688 wurde nämlich der calvinistische Holländer Wilhelm III. von Oranien von den Protestanten im englischen Parlament um Hilfe gegen die Rekatholisierungsversuche von König Jakob II. gebeten. Wilhelm kam, vertrieb seinen Schwiegervater und bestieg mit seiner Frau, Maria II., den englischen Thron, allerdings erst, nachdem er die «Bill of Rights» unterschrieben hatte, das Gesetz der Rechte, in dem er sich dem Parlament weitgehend unterwarf. Unter anderem wurde ihm verboten, ohne Zustimmung des Parlamentes Steuern zu erheben. Um seinen Krieg gegen Frankreich finanzieren zu können, wurde deshalb die Bank of England gegründet. Als guter Calvinist war er der Zinswirtschaft nicht abgeneigt, auch wenn er, wie in diesem Fall, selber Zinsen zu zahlen hatte.
Die Gründungsakte verlieh dem privaten, weitgehend unbekannten, Konsortium das Recht, nur teilweise durch Gold gedeckte Banknoten als offizielles Zahlungsmittel herauszugeben. Sofort setzte intensives Schuldenmachen ein, das 1720 im berüchtigten Südseeschwindel seinen vorläufigen Höhepunkt bzw. seinen jähen Absturz fand. Durch die brutale Entwertung der Papiere auf noch knapp 20 Prozent ihres ursprünglichen Wertes blieben Aktiengesellschaften noch fast hundert Jahre in England suspekt.
Ebenfalls 1720 endete in Frankreich John Laws Papiergeld-Euphorie. Seine Banque Royale hatte massenhaft durch königliche Ländereien gedeckte Noten herausgegeben, mit denen Anteile an der Mississippi-Compagnie gekauft wurden und sie in schwindelerregende Höhen trieb. Nach dem verheerenden Platzen der Blase blieb Papiergeld in Frankreich noch über Generationen verdächtig. Fast wäre der Kapitalismus an seinen Kinderkrankheiten gestorben.

Aber die Magie der neuen Geldschöpfung war stärker. Der Schotte William Paterson, auf den die Lizenz der Bank of England ausgestellt worden war, brachte es bereits 1694 in einem Prospekt auf den Punkt: «Die Bank erhält den Zinsgewinn von all den Geldern, die sie, die Bank, aus dem Nichts erzeugt.» Einer solchen Versuchung ist schwer zu widerstehen.
Das Problem dieser Form der Geldschöpfung, und damit wollen wir die historischen Streifzüge abschliessen, zeigt gleichzeitig die enorme Wachstumsdynamik, die sie auslöst. Geld, das als Kredit entsteht, ist damit nicht mehr ein vorhandener Wert, sondern einer, der erst noch geschaffen werden muss. Zudem reicht das in der Volkswirtschaft zirkulierende Geld nur zur Rückzahlung des Kredits, nicht aber von Zins und Zinseszins. Damit ein solches Geld seinen Wert behält, müssen die versprochenen Werte geschaffen werden und ständig neue Kreditnehmer die Geldmenge wachsen lassen. Ein solches Schneeballsystem ist zum Wachstum verurteilt, sonst bricht es zusammen. Und weil die Schulden exponentiell steigen, wird der Ausstieg aus diesem Teufelskreis immer schwieriger.

Wer in einer kapitalistischen Gesellschaft lebt, steigert seine Leistung nicht freiwillig – er muss! Das ist der Schlüssel zum Verständnis der industriellen Revolution, die Europa ab 1750 überrollte, zuerst langsam, dann getreu dem Gesetz der Exponentialfunktion, immer schneller.
Zwar bremste die nach wie vor erforderliche teilweise Golddeckung die Geldschöpfung, aber nicht nach den Bedürfnissen der Volkswirtschaft, sondern nach der Verfügbarkeit von Gold. Wurden neue Goldvorräte entdeckt, stieg die Geldmenge und die Wirtschaft wuchs, sank sie, folgte eine Rezession.
Eine wichtige Marke in der Geldgeschichte ist die Aufhebung des Goldstandards in den europäischen Ländern am Vorabend des Ersten Weltkrieges. Damit wurden die finanziellen Fesseln zur Bezahlung dieses schrecklichen Abenteuers gelöst, auf Kredit natürlich, der im Wesentlichen von Deutschland mit den Reparationen des Versailler Friedensvertrages beglichen werden musste – mit verheerenden Folgen für das Land, die Demokratie und letztlich für die ganze Welt.

Seit Nixon 1971 die letzte Bindung des Dollars an das Gold aufheben musste, weil sich die USA mit dem Vietnamkrieg in übergrosse Schulden stürzten, wird die Geldschöpfung nur noch beschränkt durch die Zahl der Kreditnehmer, die ein finanzielles Wachstum versprechen und durch die kaum vorhandene Spardisziplin von Staaten, die bis vor kurzem erst noch im Ruf standen, nie bankrott gehen zu können. Ob dieses Wachstum den Bedürfnissen der Menschen entspricht, ist dabei sekundär. Ein illustratives Beispiel dafür ist das Auto mit seinen horrenden Kosten, den Millionen von Verkehrsopfern und den unübersehbaren Umweltschäden. Es wird gefördert, weil es unwirtschaftlich ist. In der Tat: Wer auf das Fahrrad umsteigt, kommt schneller voran, wenn man die Arbeitszeit zur Finanzierung des Autos mitrechnet. Und er lebt gesünder und spart Kosten, die die Gesellschaft für den motorisierten Verkehr übernimmt. Das Problem des Umstiegs ist die Infrastruktur, die an vielen Orten mittlerweile ein Leben ohne Auto erheblich erschwert.
Das Auto illustriert im Übrigen den sich gegenseitig verstärkenden Effekt exponentieller Dynamiken: Während sieben Milliarden still sitzende Menschen vielleicht kaum auffallen, erzeugen sieben Milliarden Menschen, die sich mit immer höherer Geschwindigkeit bewegen, eine viel grössere Wirkung. Man muss nicht viel von Physik verstehen, um zu wissen, dass Bewegung Druck erzeugt. Je höher das Tempo, desto mehr Platz braucht der Mensch.
Volkswirtschaftlicher Unsinn sind auch die zentrale Energieversorgung durch fossile oder atomare Grosskraftwerke oder das Gesundheitswesen mit seiner Fokussierung auf teure Reparaturen anstatt günstiger Prävention. Und bei den meisten Konsumartikeln ist die Antwort auf die Schlüsselfrage eindeutig: Existieren sie, weil jemand ein Geschäft machen will (oder muss) oder entsprechen sie einem realen Bedürfnis? Eine Nachfrage, die erst mit milliardenteurem Marketing angekurbelt werden muss, ist weitgehend synthetisch. Die Förderung der Gier ist eben nicht umsonst.

Die Echtheit synthetischer Bedürfnisse in einer solchen Wirtschaft ist nicht einfach zu beurteilen. Legendär sind die Einschätzungen von Daimler-Benz um 1900, es bestehe ein Markt für maximal hunderttausend Automobile, da es gar nicht mehr Kutscher gäbe oder des IBM-Chefs Thomas Watson, der in den 50er Jahren von einem weltweiten Bedarf von vielleicht fünf Computern sprach. Heute ist die Notwendigkeit von Autos und Computern so gross, dass die zivilisierte Welt ohne sie augenblicklich zusammenbrechen würde. So schafft sich das Kreditgeld die Welt, die es für sein ewiges Wachstum braucht. Wir wollen nicht wachsen, wir müssen! Und wir zerstören fortlaufend die Brücken die zu einem menschlichen Mass zurückführen. Die Welt des Wachstums macht sich unentbehrlich.
Dieses wirtschaftliche Schneeballsystem ist kein Ort für zarte Gemüter. Je weiter es gedeiht, desto grösser ist der Schaden für die Allgemeinheit und desto mehr egoistische Energie braucht es, um darin zu überleben oder gar erfolgreich zu sein. Die Gier ist in dieser Hinsicht bloss der Treibstoff, mit dem die fatale Maschine betrieben wird. Und die Gier als Ursache der Finanzkrise oder des Wachstumszwangs zu bezeichnen, ist etwa so sinnvoll, wie Verkehrsunfälle durch Benzinrationierung zu bekämpfen. Dass ein erwünschtes Resultat erreicht wird, bedeutet noch längst nicht eine korrekte Identifikation der Ursache.

So sitzen wir tatsächlich in einer Wachstumsfalle. Drei Wege scheinen kurzfristig aus dem durch Schulden getrieben Wachstumszwang zu führen, und alle drei sind letztlich versperrt:
•    Wenn wir die Schulden durch Rückzahlung reduzieren, verringern wir den Geldumlauf. Geld verdienen wird schwieriger, das Gewicht der Schulden proportional höher, die Erholung erschwert. Dies ist der deutsche Weg, der den Menschen immer höhere Opfer abverlangt und der nur «funktioniert», wenn über den Aussenhandel mit wirtschaftlich schwächeren Staaten Gewinne zu machen sind.
•    Wenn wir in der Hoffnung auf Beseitigung der Schulden das Wachstum mit Krediten befeuern, vergrössern wir nur die Schulden und treiben uns tiefer in den Teufelskreis. Dies ist der amerikanische Weg, der in die Hyperinflation führt.
•    Wenn wir die Produktion drosseln, sinken die Mittel zur Bezahlung der Schulden und Zinsen und damit auch die Werte der Finanzanlagen. Dieser Weg untergräbt die Basis unseres Geldwertes und hebt in letzter Konsequenz die rechtlichen Grundlagen unserer Gesellschaft auf. Ohne verlässlichen Wert beginnen alle Vertragsverhältnisse zu wanken, in denen Geld eine Rolle spielt. Dies ist die «Gefahr» des Negativwachstums.

Es scheint, als würde der österreichische Nationalökonom Ludwig von Mises mit seinem Diktum Recht bekommen: «Es gibt kein Mittel, den finalen Zusammenbruch eines Booms zu verhindern, der auf der Kreditausweitung beruht. Die Alternative ist nur, ob die Krise früher durch eine freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion eintritt oder später als finale und totale Katastrophe des betreffenden Währungssystems.» Den Boom, den er zwar nicht meinte, aber um den es hier geht, ist die industriell-kapitalistische Revolution, die den Planeten Erde seit ungefähr 1750 in eine gigantische Maschine umgebaut hat und die zwangshaft immer mehr natürliche und menschliche Ressourcen in gewinnträchtige Elemente verwandelt. Das ist die ultimative Blase, die wie jede ihrer kleinen Vorgängerinnen platzen muss.
Bei den drei gewaltigen exponentiellen Wachstumsdynamiken Bevölkerung, Produktion/Verbrauch und Umweltzerstörung innert nützlicher Frist eine Trendwende zu erreichen, scheint unwahrscheinlich. Konferenzen, Steuern, Technologien, Gesetze, Appelle – so gut gemeint sie auch sind, sie werden die historischen Kräfte, die sich über die letzten Jahrhunderte aufgebaut haben, nicht in zehn oder zwanzig Jahren neutralisieren können, zumal der dahinter stehende Antrieb, unser Geldsystem, seinerseits mit exponentieller Wucht zuschlägt. Und: Wenn wir es zähmen, wird es zusammenbrechen.

Ungewollt, aber gezwungenermassen sind wir damit bei einer apokalyptischen Perspektive angelangt. Nur bedrohlich ist sie allerdings nicht. Je grösser der Schaden, desto grösser könnte auch die daraus erwachsende Klugheit sein. Nichts spricht dagegen, eine hyperexponentielle Lernfähigkeit zu postulieren.
Wenn das Geldsystem auseinanderfällt, die zerbrechlichste der grossen Wachstumsdynamiken, dann wird sich die Erkenntnis über die Wirkungen des Kreditgeldes und eines zinsfreien, nachhaltigen Geldes leichter verbreiten. Denn einen grossen Vorteil hatte die technisch-industrielle Entwicklung der letzten 250 Jahre. Sie hat das Know-how und die Infrastruktur zur Überwindung des Mangels geschaffen, der die Menschheit seit Beginn der Evolution begleitet hat. Bei gerechter Verteilung und intelligenter Umnutzung, und da gehört ein gerechtes Geld zwingend dazu, ist genug für alle da.

Dürfen wir einen hyperexponentiellen Lernprozess erwarten? Ich glaube ja. Nicht nur wird uns der Schaden die Augen öffnen, auch die Quantenphysik könnte eine Entwicklung ermöglichen, für die es nur einen Begriff gibt: Quantensprung.
Nach den Erkenntnissen der Quantenphysik existieren Phänomene, die es nach konventioneller Physik gar nicht geben darf, z.B. Gleichzeitigkeit oder die Beeinflussbarkeit der Materie durch Information. Diese durch Experimente untermauerten Erkenntnisse bestätigen alte religiöse Mythen, alles sei eins und Trennung letztlich eine Illusion. Für die Stichhaltigkeit dieses Glaubens gibt es erstaunliche Hinweise, z.B. von den amerikanischen GEOS-Satelliten (Geostationary Operational Environmental Satellites), die kontinuierlich wetterrelevante Daten, unter anderem auch den Zustand des Erdmagnetfeldes, übermitteln. Just am 11. September 2001, eine Viertelstunde nach der ersten Attacke auf das World Trade Center registrierten die Satelliten eine Veränderung des Erdmagnetfeldes von bisher unbekannter Stärke. Die weltweite emotionale Hochspannung beeinflusste ganz offensichtlich das Erdmagnetfeld. Und dieses, das weiss man aus anderen psychologischen Forschungen, hat einen Einfluss auf den mentalen Zustand der Menschen. Diese Zusammenhänge können auch im Positiven wirken. Je mehr Menschen aufwachen und die Verbindung erkennen, die alles vereint, desto eher werden wir in der Lage sein, das unvermeidliche Ende des materiellen Wachstums positiv zu nutzen. Im Geistigen können wir dann wieder weiter wachsen. Meinetwegen gerne auch unendlich.
Bis es so weit ist, müssen wir auf individueller Ebene aus dem Wachstumszwang aussteigen, das Glück des einfachen Lebens kultivieren und uns mindestens teilweise gegen die Risiken eines suizidalen Wirtschaftssystems schützen, durch Ausbau der Selbstversorgung und Pflege nachbarschaftlicher Beziehungen. Auch hier können wir hemmungslos wachsen.
Ohne Zwang und mit umso mehr Freude.

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