Heilkaffee aus dem Urwald

Auch wenn wir notorischen Kaffeetrinker es ungern hören: Auf den meisten Kaffeeplantagen geht es ausbeuterisch und umweltzerstörerisch zu. Kaffeemonokulturen fördern Entwaldung, Bodenerosion, Pestizidvergiftungen. Ganz anders hingegen der «Urwaldkaffee» der Kogi aus Kolumbien, den man als Heilkaffee bezeichnen könnte.


Warum? Aus mehreren Gründen. Erstens sehen die indigenen Kogi die Kaffeebäume als Ahnherren und Beschützer des Waldes. Sie würden nie auf die Idee kommen, eine Plantage anzulegen und Pestizide zu benutzen, sondern ernten die Bohnen von einzelnen Bäumen im dichten Nebelwald.


Und zweitens verkaufen sie davon nur vergleichsweise geringe Mengen. Und dies auch nur, um ihre heiligen Stätten zurückzukaufen, die ihnen spanische Kolonisatoren gestohlen haben. Sie brauchen diese Plätze – Berggruppen, Flussmündungen, Felsen –, um ihre Rituale zur Heilung der Erde auszuüben.


Die Kogi sind ein einzigartiges Volk mit der einzigen Hochkultur in Lateinamerika, die die Invasion der Spanier überlebte. Anders als etwa Maya oder Inka kämpften sie nicht, sondern zogen sich in die undurchdringliche Sierra Nevada de Santa Marta zurück, wo sie in ihren auffallend weissen Kleidern noch heute so leben wie ihre Vorfahren. Wie viele sie sind, weiss niemand, denn sie gestatten keinem Weissen den Zutritt in ihre höhergelegene Bergwelt. Nur am Fuss des Gebirges und in der Kaffeeanbauregion erlauben sie die Anwesenheit von Fremden.


Auch die des deutschen Coaches Oliver Driver, der die Kogi durch einen Zufall kennenlernte und ihren Kaffee zu vermarkten versprach. Durch eine Crowdfunding-Kampagne konnte er bis Januar 2015 rund 45 000 Euro sammeln und eine Containerladung Kaffee in den Antwerpener Hafen bestellen. Die KaffeepflückerInnen werden für ihre Arbeit bezahlt und zusätzlich mit 20 Prozent am Gewinn beteiligt – mehr als bei jedem Fairtradehandel.


Die Kogi wollen von Weissen nichts geschenkt bekommen. Eines ihrer wichtigsten Prinzipien ist Zhigoneshi – Gleichgewicht. Wer nimmt, soll geben, der Erde zurückgeben. Sie sehen sich als HüterInnen der Welt, weil sie die jäh vom Meer auf etwa 5700 Meter aufsteigende schneebedeckte Sierra Nevada mit all ihren Klimazonen als deren Abbild begreifen. Sie sind die älteren Brüder, die die Erde von den zerstörerischen jüngeren Brüdern, also uns, beschützen müssen.


«Wir müssen das Gleichgewicht bewahren», sagen ihre Mámas, ihre männlichen und weiblichen Priester. «Alle Gebirge liegen im Sterben, denn der Kleine Bruder zerstört sie, indem er Kohle und Öl daraus hervorholt und die Erde überwärmt.» Woher sie das wissen, ist unklar, denn sie haben keinen Zugang zu Massenmedien. Und auch keine Schrift; ihr umfassendes ökologisches Wissen bleibt unaufgeschrieben. Verschriftlichung führe zur Dogmatisierung und Verknöcherung von Ideen, sagen sie. Die wichtigste Aufgabe der Mütter ist es deshalb, ihren Kindern das Wissen weiterzugeben.


Einige Mamú aber reisen inzwischen bewusst zu den «kleinen Brüdern». Oliver Driver hat einen von ihnen drei Wochen durch Deutschland begleitet und war fasziniert: «Sie kämpfen nicht gegen etwas, sie klagen nicht. Sie sind weniger verzweifelt als so manche Ökoaktivisten. Für sie geht es darum, gute schöne Gedanken zu haben – das erhält die Welt. Geld und Leistung interessiert sie nicht, und vor dem Tod fürchten sie sich nicht.»


Wer die Kogi und ihre Heilrituale für den Planeten unterstützen will, kann dies sehr bequem tun: bei einer Tasse «des nachhaltigsten Kaffees weltweit», wie Oliver Driver sagt. Einzelpersonen und Betriebe können ihn unter
www.urwaldkaffee.de bestellen.