Die heilige Bundeslade von San Francisco

«Der Messias kommt um 19 Uhr», titelte der «Blick am Abend» am 27. Januar, um die Präsentation des neuen «iPads» durch Apples CEO Steve Jobs anzukündigen. Wie wunderbar, die Welt ist gerettet! Oder doch nicht? Ein «Bund»-Redakteur schreibt zum Messias-Vergleich: «Solchen Phantasien steht die offene Frage gegenüber, ob es einen genügend grossen Markt für ein mittelgrosses Dingsbums zwischen einem handlichen Smartphone und einem soliden Laptop gibt.» Der Erlösung der Welt steht also höchstens eine unzulängliche Nachfrage im Wege. Die heilige Bundeslade, ein Kultobjekt der drei monotheistischen Religionen, wäre ja nun gefunden. Nicht in Israel oder Äthiopien, sondern in San Francisco, wo Steve Jobs auftrat.
Der Vergleich sei nicht ernstgemeint, mögen Herr und Frau Käuflich einwenden. Und sie haben recht, auch der oben zitierte «Bund»-Redakteur bezeichnete die Anspielung auf den Messias als «scherzhaft». Doch vielleicht sollten wir uns den Vergleich zu Herzen nehmen, ganz abwegig ist er nicht: In der Sprache verrät sich der Kapitalismus nämlich dann und wann selber. Der freie Markt ist eine Religion, missionarisch und dogmatisch, die Wirtschaft dient nicht den Menschen, die Menschen dienen der Wirtschaft. Ihre Apostel sind mächtig, sich ihnen zu entziehen ist anstrengend... Weiss jemand, wo ich den iPad kaufen kann? Die Bundeslade von San Francisco ist nämlich käuflich, wie man hört. Mit ein wenig Glück treffe ich den Messias vielleicht einmal im Chat an, wenn ich die göttliche Internet-Verbindung nur lange genug aufrecht erhalte.
01. Februar 2010
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