Die Angst, etwas zu verpassen

Das stundenlange Scrollen in fremden Nutzerprofilen auf Social Media ist zermürbend. Den virtuellen Stecker zu ziehen ist nicht einfach; die Angst, etwas zu verpassen, ist gross. Ein gesellschaftliches Phänomen, das sich FOMO nennt: «Fear Of Missing Out».

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Nicht nur junge Menschen leiden an FOMO. Zwar tummeln sich Jugendliche häufiger in sozialen Netzwerken, doch sind es auch Erwachsene, die am virtuellen Puls kleben. Der Drang, online auf dem Laufenden zu bleiben verhindert, Gutes in der realen Welt zu erleben. Statt stundenlang durch fremde Newsfeeds zu blättern, wäre ein Waldspaziergang oder eine Verabredung zum Mittagessen weitaus sinnvoller. 

Mit der permanenten Nachrichtenflut werden die Menschen zunehmend unzufrieden und stellen sich und ihre Lebensumstände infrage. Dank Facebook, Instagram und Co. nehmen wir am Leben anderer teil, ohne präsent zu sein. Währenddessen verrinnt die Lebenszeit am Bildschirm. Fotos vom Wellness-Wochenende oder der neuen Handtasche lösen Neid aus; ein Gefühl, dass sich negativ auf das eigene Wohlbefinden auswirkt. 

«Influencer» und ihr aufgehübschtes Erscheinungsbild prägen vorwiegend die jüngere Generation. Dabei sind die Beeinflusser nichts weiter als Marketinginstrumente, die dafür bezahlt werden. Wie etwa für das «Unboxing» - das Auspacken kommerzieller Gegenstände vor laufender Kamera. Soziale Medien sind digitale Schaufenster für Produktplatzierung. Eine Gefahr für junge Erwachsene, die sich am Leben anderer messen und noch auf der Suche nach ihrer Identität sind.

Das endlose Scrollen wird zur Zwangshandlung. Noch bevor morgens ein Fuss aus dem Bett gesetzt wird, greifen viele nach dem Smartphone – und das nicht nur, um den Wecker nachzustellen. Als erstes werden die elektronischen Nachrichten und Beiträge geprüft. Werden Fotos einer Party gesichtet, zu der man nicht eingeladen war, lässt Menschen bereits negativ in den Tag starten. In das Leben anderer zu gucken ist eine Sucht.

Doch das gesellschaftliche Phänomen FOMO betrifft auch Erwachsene. Hier dienen die Business-Netzwerke für den Vergleich von Leistungsnachweisen und Reichweite. Die Währungen sind «Likes, Reposts & Comments»: Wer gibt wem einen Daumen hoch? Wie oft wurde der Beitrag geteilt und wer hat ihn kommentiert? Werden die Kontakte mit gutem Inhalt gefüttert, steigt die Sichtbarkeit des Nutzerprofils. Folglich wird das Optimieren des eigenen Marktwerts zum Dauerstress. Coachings, wie das Profil aufgepeppt werden kann, stehen hoch im Kurs. Attraktive Profile mit makellosen Lebensläufen und hippen Ehrenämtern sind das A und O auf digitalen Vernetzungsplattformen.

Dass sich das virtuelle Ausbreiten der Aktivitäten aufs Positive beschränkt, wird ausgeblendet. Auch online bleibt Negatives meist Privatsache. Und genau hier liegt der Hund begraben: Wer denkt, dass bei anderen nur Weltreisen und Essen im Sternerestaurant in der Agenda stehen, liegt falsch. Trotzdem ist das Fremdschauen zum Hobby geworden. Das schwächende Gefühl der Angst, etwas zu verpassen, nehmen die Menschen dafür in Kauf.