Zuckerbrot und Peitsche

Wenn soziale Medien und flimmernde Geräte die Regeln diktieren, dann ist es Zeit für Disziplin. Oder wem der gecancelte Psychologiedozent Lennart Freyth manchmal die Peitsche empfiehlt. Die Samstagskolumne.

Zuckerbrot und Peitsche klingt veraltet? Oder doch besser als Wohlfühlpädagogik? (Bild: shutterstocks)

Lennart Freyth de Polo Leon gehört zu den verfemten Psychologen. Mit seinen Forschungsthemen wie Persönlichkeitsunterschieden oder Psychopathie kommt er ins Gehege jener, für die Unterschiede (besonders zwischen Mann und Frau) des Teufels sind. Sie sind an Universitäten tonangebend. Genau wie jene Stimmen, die hinter jeder Aussage Diskriminierung vermuten, und sei es auch von Tätergruppen, die erwiesenermassen bösartig und mitleidslos morden.

Freyths wissenschaftliche Arbeit über die so genannte dunkle Triade (Narzissmus, Psychopathie und Machiavellismus) wurde von einem renommierten Verlag x-mal zurückgewiesen. Nicht etwa, weil der promovierte Psychologe wissenschaftlich unsauber gearbeitet hätte, sondern weil sich die Diversity-Stelle des Verlags «concerned», also besorgt gezeigt hatte. Besorgt, dass sich Psychopathen durch die Studie verzerrt dargestellt vorkommen könnten.

Das war nicht Freyths einzige Begegnung mit Cancel Culture. So wies ihn Hochschulleitung der Uni Linz zurecht, wenn er etwa Medienkritik zur Pandemie lehren wollte. Alarmierend ist zudem, so seine Aussage, «dass sich die Universitäten nach den Befindlichkeiten der Studierenden richten.» Wenn diese jungen Menschen in ihren sozialen Kanälen gegen Profs schiessen, zum Beispiel weil diese nicht gendern, «werden sie fallen gelassen.» Es sind wohl genau diese Studenten, die mit ihrer Mutter zusammen die Mensa und die Vorlesungssaal inspizieren, bevor sie sich immatrikulieren. Lennart hat inzwischen seine Stelle an der Universität Linz quittiert.

Er hat eine Unternehmensberatung gegründet, die ihre Kunden für den Fachkräftemangel fit machen möchten. Freyths Empfehlung: Zuckerbrot und Peitsche. Wow, Freyth wagt das P-Wort in den Mund zu nehmen? Ich zuckte kurz zusammen, fühlte mich dann aber sofort bestätigt. Freyths Analyse des Fachkräftemangels: Die Azubis (Lehrlinge) bleiben den Firmen nicht etwa nicht erhalten, weil sie zu schlecht behandelt werden. Im Gegenteil: Weil sie mit Samthandschuhen angefasst werden. Freyth erzählt im «Kontrafunk»-Podcast, welche Bedingungen junge Leute aushandeln, bevor sie eine Lehrstelle überhaupt antreten: Arbeitsbeginn um 12, Parkplatz unmittelbar vor dem Eingang, damit sie bei Regen nicht nass werden. Freyth empfiehlt seinen Kunden, mit diesen Mätzchen radikal aufzuräumen, ohne das Zuckerbrot zu vergessen, versteht sich.

Freyths Gesellschaftsanalyse erinnert mich an Erzählungen einer Freundin, die als Therapeutin in einer Institution für männliche Jugendliche arbeitet. Dort werden die an verschiedenen Symptomen leidenden, zumeist süchtigen jungen Männer ebenfalls sehr sanft behandelt. Sie verweigern sich nicht nur Therapiegesprächen, ohne Sanktionen fürchten zu müssen. Eine der Therapieformen besteht darin, dass die jungen Psychologen und Psychologinnen mit ihnen gamen. Dazu wurde eigens ein ansprechender Raum gestaltet. Was das therapeutische Gamen einzig noch vom selbstorganisierten Zocken unterscheidet, ist eine Befindlichkeitsrunde, in denen die jungen Heimbewohner kurz sagen müssen, wie es ihnen geht. Die Institutsleitung rechtfertigt das Vorgehen damit, dass die Jungs sonst gar nicht zu aktivieren seien. Übrigens wird in diesem Heim sehr gendersensibel mit männlichen Insassen umgegangen, die sich in einem Frauenkörper wähnen.

Wo hat diese Pamperisierung unserer Gesellschaft, diese bedürfnisorientierte «Erziehung» ihren Anfang genommen? Wohl als Gegenwelle gegen eine allzu autoritäre Erziehung der Nachkriegsgeneration? Doch das Bad ist nolens volens mit dem Kinde ausgeschüttet worden. An die Stelle der brachialen Brechung des kindlichen Willens hat sich ein Laissez-faire durchgesetzt, das in den kleinen schwarzen Geräten seine Vollendung gefunden hat. Ob beim Breiessen oder bei Autofahrten: Die flimmernden Geräte sind zu den zuverlässigsten Erziehern avanciert. Dank ihnen verwandeln sich die wildesten Rotznasen in ruhiggestellte Kindchen.

Und in der Schule geht es mit der Rundumbeflimmerung weiter. Meiner 26-köpfigen 5. Klasse stehen 26 Ipads zur Verfügung. Ich habe sie in neun Monaten einmal eingesetzt. Trotz der erbitterten Bitten der Schüler. Es ist ein Tropfen auf den heissen Stein. Denn vielleicht ein Kind der Klasse darf nicht ungeregelt gamen. Mein Gegenspiel gegen das Gerät ist das Theater. Im bisherigen Schuljahr bestand es vor allem in Einübung von Disziplin: Geregelt im Kreis stehen, nicht lachen, einander nicht schubsen, das Telefonspiel als Highlight.

Diese Woche haben meine 9-monatigen Theaterbemühungen endlich gefruchtet. Vier Jungs, die sonst durch Herumdrucksen und Arbeitsverweigerung auffallen, haben eine komplexe Szene erfunden und aufgeführt. Mit diesem besonderen Glanz im Gesicht, der von Eifer und Engagement zeugt. Zwei aus der Klasse durften allerdings gar nicht mitproben. Sie wurden, auf mehrfachem Wunsch der Klasse, weil sie das Improvisieren immer wieder gestört hatten, aus dem Erarbeiten von Szenen ausgeschlossen und mussten im selben Raum Grammatikübungen machen. Sie nahmen das Verdikt murrend hin. Zuckerbrot und Peitsche eben.

Kommentare

HÄ?!

von MS
Ich sags ja ungern, aber nebst Schreibfehlern (kann ja mal passieren, obschon hier von mehr Strenge die Rede ist) und fehlendem Überbau, wird mir nicht klar, worauf die Schreibende genau hinaus will? Also zuerst geht's irgendwie um einen gecancelten Wissenschaftler und dann plötzlich um die eigenen SchülerInnen. Wieso Bedürfnisorientierung schlecht sein soll, bleibt mir ein Rätsel. Es ist doch eher eine Frage von Verantwortung und Kommunikation. Aber vielleicht versteh ja nur ich den Punkt nicht?