Das Ende des Genkults

Am vergangenen Montag wurde die Aktie von Decode Genetics zum letzten Mal gehandelt. Jetzt wird die Firma, die vor elf Jahren die Medizin im Forschungslabor Island revolutionieren wollte wohl abgewickelt. Mit flächendeckenden Gentests und der Analyse von Stammbäumen und Krankenakten wollte das Unternehmen die Zusammenhänge zwischen Genen und Krankheiten entschlüsseln und ist damit grandios gescheitert – fast auf den Tag genau hundert Jahre, nachdem der dänische Botaniker Wilhelm Johannsen den Begriff «Gen» in die Wissenschaft eingeführt hatte.
Der hundertjährige Geburtstag des Gens als wissenschaftlicher Mythos ist damit gleichzeitig sein Todestag. Wie bei allen Mythen ist es allerdings ein langsames Sterben. Offiziell tot wird es wie andere wissenschaftliche Glaubenssätze erst sein, wenn auch die Wissenschaftler, die davon leben, gestorben sind.

Die Gen-Hypothese ist ja auch von bestechender Einfachheit und damit attraktiv für alle, die mit Geheimnissen nicht leben können. Nach dieser Hypothese ist jeder Abschnitt der DNA als gen verantwortlich für die Synthese eines bestimmten Proteins. Die Entschlüsselung aller Abschnitte der DNA vor ein paar Jahren versprach deshalb die Offenlegung des Bauplans des Menschen, der die Schaffung neuer Kreaturen und die Behandlung vieler Krankheiten möglich machen sollte. Irrtum! Die vergleichsweise einfache Diagnostik ist fehlerhaft und funktioniert nur bei Krankheiten, die auf ein einziges defektes Gen zurückgehen.
Der viel anspruchsvolleren Gentherapie fehlen weitgehend die Erfolge. «Wir alle kratzen uns am Kopf und wundern uns», sagt deshalb Francis Collins, Leiter des US-amerikanischen «National Human Genome Research Institute». Erfolge, wenn man sie denn als solche bezeichnen darf, «feiert» die Gentechnologie nur beim Saatgut. In grossen Agrarstaaten wie den USA, Brasilien oder Argentinien ist bereits die Mehrheit der Ackerflächen gentechnisch verseucht. Monsanto profitiert von ihrem Monopol, derweil die Bauern mit resistenten Unkräutern, hohen Kosten, sinkenden Erträgen und renitenten Konsumenten kämpfen.

In den letzten Jahren hat die Wissenschaft weitere Entdeckungen gemacht, die die Gen-Hypothese in ihren Grundfesten erschüttern. So hat sich gezeigt, dass das Erbgut keine Konstante ist, sondern sich während des Lebens verändert. Und: 98 Prozent der DNA enthalten gar keine Gene. Noch wird gerätselt, wozu sich die Natur diesen scheinbar nutzlosen Informationsüberschuss leistet. «Das Gen ist in einer Identitätskrise», schrieb denn auch die New York Times. Mittlerweile richtet sich die Aufmerksamkeit der Forschung auf die ältere RNA, die u.a. Gene an- und abschalten kann. Wieder hofft die Pharma-Industrie auf Medikamente und Therapien. Ein weiteres Forschungsgebiet ist die Epigenetik, der weitläufigen Zusammenhänge um die eigentliche Genetik herum. Diese sind allerdings so kompliziert, dass es zu deren Erforschung die Zusammenarbeit von Biologen, Medizinern, Chemikern, Mathematikern und Informatikern braucht.
Das ist allerdings die Spitze der Wissenschaft. Der Hauptharst denkt und arbeitet immer noch in den alten Mustern. So ist zum Beispiel Dirk Dobbelaere, Professor für Biopathologie an der Uni Bern und Leiter des nationalen Forschungsprogramms 59 (Nutzen und Risiken der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen) trotz der eklatanten Misserfolge der Gentechnologie überzeugt: «Die Gentechnologie kommt früher oder später auch in die Schweiz». Mit dieser Haltung ist der Mann denkbar ungeeignet, die Grundlagen für einen rationalen und unvoreingenommenen Entscheid zu schaffen. Denn wer den Wissenschaftsbetrieb kennt, weiss: Mit genügend Geld lässt sich fast alles irgendwie beweisen. Jahrzehntelang wurden uns unbedeutende Erkenntnisse als bevorstehende Durchbrüche serviert. Auf den Tatbeweis warten wir immer noch.

Während die Gentechnologie auf dem Totenbett liegt und von einer gut bezahlten Truppe von gestrigen Wissenschaftlern im Wachkoma gehalten wird, gelangen unabhängige Forscher zu tatsächlich bahnbrechenden Erkenntnissen. Der Biophysiker Pjotr Garjajev von der Russischen Akademie der Wissenschaft hat festgestellt, dass die DNA nicht nur Träger von molekularbiologischen Informationen ist, sondern auch über ein typisches elektromagnetisches Schwingungsmuster verfügt. In einem Experiment zeichnete er die Schwingungsmuster von Salamanderembryonen auf und bestrahlte damit Froscheier. Aus ihnen entwickelten sich – Salamander! Richtig froh kann einem diese Entdeckung allerdings nicht machen.