Die Krönung – The Coronation

Seit Jahren wird die Normalität fast bis zum Zerreissen gedehnt und ein Seil immer enger gespannt, bis dann ein schwarzer Schwan es mit seinem Schnabel zerhackt. Nun, da das Seil gerissen ist - binden wir seine Enden wieder zusammen, oder wollen wir seine baumelnden Enden noch weiter auseinander rupfen, um zu sehen, was wir daraus weben können?

(Foto: Engin Akyurt / Unsplash

Wenn die Menschheit in einer gemeinsamen Sache vereint ist, ist ein phänomenal schneller Wandel möglich. Das zeigt uns Covid-19. Keines der Weltprobleme ist eigentlich schwierig zu lösen; sie haben ihren Ursprung in der menschlichen Uneinigkeit. Wenn die Menschheit zusammenhält, sind ihre schöpferischen Kräfte grenzenlos. Noch vor einigen Monaten wäre ein Vorschlag zur Einstellung des kommerziellen Flugverkehrs als absurd bezeichnet worden. Auch die radikalen Veränderungen, die unser Sozialverhalten, die Wirtschaft und die Rolle der Regierung durchliefen, hätten wir niemals ernsthaft in Betracht gezogen.

Covid-19 demonstriert die Kraft unseres kollektiven Willens, wenn wir uns auf das Wesentliche einigen. Was könnten wir sonst noch erreichen, wenn wir gemeinsam arbeiten? Was wollen wir erreichen, und welche Welt wollen wir uns schaffen? Das ist immer die nächste Frage, wenn jemand zu seiner wahren Macht erwacht.
Covid-19 ist wie eine Entziehungskur, die unsere Sucht nach Normalität durchbricht. Eine Gewohnheit zu unterbrechen, bedeutet, sie sichtbar zu machen; es bedeutet, sie von einem Zwang zu einer Wahl zu machen. Wenn die Krise abklingt, haben wir vielleicht Gelegenheit, uns zu fragen, ob wir zur Alltagsroutine zurückkehren - oder ob wir etwas aus dieser Zeit für die Zukunft mitnehmen wollen.

Nachdem so viele ihren Arbeitsplatz verloren haben, könnten wir uns fragen, ob es sich bei diesen verlorenen Jobs um die Arbeitsplätze handelt, die die Welt am meisten braucht; oder ob unsere Arbeit und unsere Kreativität anderswo besser eingesetzt werden könnten. Wir könnten uns fragen, ob wir wirklich so viele Flugreisen, Ausflüge zum Disneyland oder Besuche an Messen brauchen. Welche Wirtschaftszweige wollen wir dann wieder aufbauen, und auf welche könnten wir verzichten? Und welche Rechte, die uns jetzt weggenommen werden - bürgerliche Freiheiten, Versammlungsfreiheit, Souveränität über unseren Körper, persönliche Zusammenkünfte, Umarmungen, Händeschütteln und das öffentliche Leben - wollen wir auf persönlicher und politischer Ebene wieder zurück haben?

Den grössten Teil meines Lebens hatte ich das Gefühl, dass die Menschheit sich einem Scheideweg nähert. Immer stand der Zusammenbruch unmittelbar bevor, gleich hinter der Kurve, aber er kam und kam nicht. Stellen Sie sich vor, Sie gehen eine Strasse entlang, und vor Ihnen sehen Sie die Kreuzung. Sie ist gleich hinter dem Hügel, um die Kurve, hinter dem Wald. Wenn Sie den Hügel besteigen, sehen Sie, dass Sie sich geirrt haben, es war eine Fata Morgana, sie war weiter weg, als Sie dachten. Sie gehen weiter. Manchmal kommt sie ins Blickfeld, manchmal verschwindet sie wieder und es scheint, dass dieser Weg ewig weitergeht. Vielleicht gibt es keine Kreuzung. Nein, da ist sie wieder! Immer ist sie fast hier. Doch niemals kommt sie.#

Jetzt gehen wir plötzlich um eine Kurve herum und hier ist die Kreuzung. Wir halten an und können nicht glauben, dass wir nach Jahren des immer gleichen Wegs unserer Vorgänger nun endlich eine Wahl haben. Wir halten zu Recht an, erstaunt über diese neue Situation. Hundert verschiedene Wege liegen nun neben, vor und hinter uns. Einige führen in die gleiche Richtung, in die wir bereits gegangen sind. Einige führen in die Hölle auf Erden. Und einige führen zu einer Welt, die heiler und schöner ist, als wir uns je zu erträumen wagten.
Ich schreibe diese Worte mit der Absicht, hier bei Ihnen zu stehen - verwirrt, vielleicht verängstigt, aber auch mit dem Gefühl neuer Möglichkeiten - an diesem Punkt divergierender Wege. Lassen Sie uns auf einige davon blicken und sehen, wohin sie führen.

Ich habe folgende Geschichte letzte Woche von einer Freundin gehört. Sie war in einem Lebensmittelladen und sah eine schluchzende Frau in einem Gang. Unter Missachtung der Regeln der sozialen Distanz ging sie zu der Frau hin und umarmte sie. "Danke", sagte die Frau, "das ist das erste Mal seit zehn Tagen, dass mich jemand umarmt hat."

Ein paar Wochen ohne Umarmungen scheinen ein kleiner Preis zu sein, den wir bezahlen müssen, wenn damit eine Epidemie eingedämmt wird, die Millionen von Menschenleben fordern könnte. Es gibt ein starkes Argument für eine soziale Distanzierung: so kann verhindert werden, dass ein plötzlicher Anstieg von Covid-Fällen das medizinische System überfordert. Ich möchte dieses Argument in einen größeren Zusammenhang stellen, vor allem, wenn wir auf die langfristige Perspektive schauen. Damit wir die Distanzierung nicht institutionalisieren und die Gesellschaft deswegen neu gestalten müssen, sollten wir uns bewusst sein, welche Wahl wir treffen und warum.

Dasselbe gilt für die anderen Veränderungen im Zusammenhang mit der Coronavirus-Epidemie. Einige Kommentatoren haben beobachtet, wie sie sich gut in eine Agenda der totalitären Kontrolle einfügt. Eine verängstigte Öffentlichkeit akzeptiert Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten, die sonst schwer zu rechtfertigen sind, wie die ständige Überwachung der Bewegungen aller, die erzwungene medizinische Behandlung, die nicht freiwillige Quarantäne, die Einschränkung der Reise- und Versammlungsfreiheit, die Zensur dessen, was die Behörden als Desinformation betrachten, und die militärpolizeiliche Überwachung der Zivilbevölkerung. Viele dieser Maßnahmen waren bereits vor Covid-19 im Gange.

Das Gleiche gilt für die Automatisierung des Handels, die Zwangspause von Sport und Unterhaltung, die Migration des Lebens aus dem öffentlichen in den privaten Raum, den Übergang von der ortsgebundenen Schule zur Online-Bildung, den Niedergang der Läden und Betriebe und die Verlagerung von menschlicher Arbeit und Freizeit auf den Bildschirm. Covid-19 beschleunigt bereits existierende politische, wirtschaftliche und soziale Trends.

Während alle oben genannten Entwicklungen dadurch gerechtfertigt werden, dass damit die epidemiologische Wachstumskurve abflachen soll, hören wir auch viel über eine "neue Normalität", d.h. die Veränderungen seien vielleicht überhaupt nicht vorübergehend. Da die Bedrohung durch Infektionskrankheiten, wie auch die Bedrohung durch den Terrorismus, niemals verschwindet, können Kontrollmaßnahmen leicht zu einer dauerhaften Erscheinung werden. Wenn wir uns ohnehin in diese Richtung bewegen würden, muss die derzeitige Rechtfertigung dafür Teil eines tieferen Impulses sein. Ich werde diesen Impuls in zwei Teilen analysieren: den Reflex der Kontrolle und den Krieg gegen den Tod. So verstanden, ergibt sich eine Initiationsmöglichkeit, die wir bereits in Form der Solidarität, des Mitgefühls und der Fürsorge sehen, die Covid-19 inspiriert hat.

Der Reflex der Kontrolle

Nach den derzeitigen Erkenntnissen der offiziellen Statistik sind etwa 25.000 Menschen an Covid-19 gestorben. Wenn die Entwicklung so weiter geht, könnte die Zahl der Todesopfer zehn- oder hundertfach, oder sogar, wenn die alarmierendsten Vermutungen richtig sind, tausendmal größer werden. Jeder dieser Menschen, die sterben, hat Angehörige, Familie und Freunde. Mitgefühl und Gewissen fordern uns auf, alles zu tun, um unnötige Tragödien zu verhindern. Das ist für mich auch eine persönliches Anliegen: Meine unendlich liebe, aber gebrechliche Mutter gehört zu den am meisten gefährdeten Menschen, die einer Krankheit ausgesetzt sind, an der vor allem alte und gebrechliche Menschen sterben.

Wie werden die endgültigen Zahlen aussehen? Diese Frage ist zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels unmöglich zu beantworten. Die ersten Berichte waren alarmierend; wochenlang lag die offizielle Sterberate am Virus in Wuhan, die ständig in den Medien verbreitet wurde, bei schockierenden 3,4%. Dies, zusammen mit der hohen Ansteckungsgefahr, deutete auf Dutzende von Millionen von Todesfällen weltweit hin, oder sogar auf bis zu 100 Millionen. In jüngster Zeit sind die Schätzungen stark gesunken, da sich herausgestellt hat, dass die meisten Fälle nur leicht oder asymptomatisch sind. Seitdem die Tests einseitig auf die Schwerkranken beschränkt wurden, sieht die Todesrate künstlich hoch aus. In Südkorea, wo Hunderttausende von Menschen mit leichten Symptomen getestet wurden, liegt die gemeldete Todesfallrate bei etwa 1%. In Deutschland, wo auch viele Menschen mit leichten Symptomen getestet werden, liegt die Sterblichkeitsrate bei 0,4%. In einer kürzlich in der Zeitschrift Science erschienenen Studie wird argumentiert, dass 86% der Infektionen nicht dokumentiert wurden, was auf eine wesentlich tiefere Sterblichkeitsrate hindeutet als allgemein vermutet wird.

Die Geschichte des Kreuzfahrtschiffes Diamond Princess untermauert diese Ansicht. Von den 3.711 Menschen an Bord wurden etwa 20% positiv auf das Virus getestet; weniger als die Hälfte davon hatte Symptome, und acht sind gestorben. Ein Kreuzfahrtschiff ist ein perfekter Ort für eine Ansteckung, und es gab genügend Zeit, um das Virus an Bord zu verbreiten, bevor jemand etwas dagegen unternahm, doch nur ein Fünftel war infiziert. Außerdem war das Kreuzfahrtschiff stark auf ältere Menschen ausgerichtet: fast ein Drittel der Passagiere war über 70; und mehr als die Hälfte über 60 Jahre alt. Ein Forschungsteam schloss aus der großen Zahl asymptomatischer Fälle, dass die tatsächliche Sterblichkeitsrate in China bei etwa 0,5% liegt. Das ist immer noch fünfmal so hoch wie bei einer normalen Grippe.

Auf der Grundlage der obigen Zahlen (und unter Berücksichtigung der viel jüngeren Demographie in Afrika und Süd- und Südostasien) schätze ich die Zahl der Todesfälle in den USA auf etwa 200.000-300.000 - mehr, wenn das medizinische System überfordert würde, weniger, wenn die Infektionen sich über längere Zeit ausbreiten - und auf 3 Millionen weltweit. Das sind ernste Zahlen. Seit der Hongkong-Grippe-Pandemie von 1968/69 hat die Welt so etwas nicht mehr erlebt.

Meine Vermutungen könnten leicht um eine Größenordnung daneben liegen. Jeden Tag berichten die Medien über die Gesamtzahl der Covid-19-Fälle, aber niemand hat eine Ahnung, wie hoch die tatsächliche Zahl ist, weil nur ein winziger Teil der Bevölkerung getestet wurde. Wenn Dutzende von Millionen Menschen das Virus haben und asymptomatisch bleiben, können wir es nicht wissen. Erschwerend kommt hinzu, dass die hohe Rate falscher positiver Resultate bei den bestehenden Tests möglicherweise bis zu 80% beträgt. (Und lesen Sie hier über noch alarmierendere Unsicherheiten bezüglich der Testgenauigkeit.)

Lassen Sie mich wiederholen: Niemand weiß, was wirklich passiert, auch ich nicht. Seien wir uns zweier widersprüchlicher Tendenzen in menschlichen Angelegenheiten bewusst. Die erste ist die Tendenz zur Hysterie, die sich selbst ernährt, und diejenige, Fakten wegzulassen, die nicht zum Klima der Angst passen. Die zweite ist die Verleugnung, die irrationale Ablehnung von Informationen, die die Normalität und den Komfort stören könnten. Wie Daniel Schmachtenberger fragt: Woher wissen Sie, was Sie für wahr halten?

Angesichts dieser Ungewissheit möchte ich eine Vorhersage treffen: Die Krise wird sich so entwickeln, dass wir letztlich nie Gewissheit darüber haben werden. Wenn die endgültige Todesbilanz, die auch umstritten sein wird, niedriger ausfallen wird als wir befürchten, werden einige sagen, das liege daran, dass die Kontrollen funktioniert haben. Andere werden sagen, dass es daran liegt, dass die Krankheit nicht so gefährlich war, wie uns gesagt wurde.

Am rätselhaftesten ist für mich, warum es beim derzeitigen Stand der Dinge keine neuen Fälle in China zu geben scheint. Die Regierung hat erst lange nach der Entdeckung des Virus mit Abriegelungsmassnahmen begonnen. Die Krankheit hätte sich während des chinesischen Neujahrsfestes stark verbreiten müssen, wenn jedes Flugzeug, jeder Zug und jeder Bus voll mit Menschen ist, die durch das ganze Land reisen. Was geht hier vor sich? Auch hier weiß ich es nicht, und Sie wissen es auch nicht.

Unabhängig davon, ob sich die endgültige Zahl der Todesopfer weltweit auf 50.000, 500.000 oder 5 Millionen belaufen wird: Lassen Sie uns einige andere Zahlen unter die Lupe nehmen, um eine gewisse Perspektive zu erhalten. Mein Punkt ist nicht, dass Covid nicht so schlimm ist und wir nichts tun sollten.

Laut der FAO sind im vergangenen Jahr weltweit fünf Millionen Kinder an Hunger gestorben (insgesamt starben 162 Millionen Menschen an Unterernährung und 51 Millionen an Untergewicht). Das sind 200 Mal mehr Menschen als bisher bei Covid-19 gestorben sind, doch keine Regierung hat deswegen den Ausnahmezustand ausgerufen oder verlangt, dass wir unsere Lebensweise radikal ändern, um diese Menschen zu retten.

Auch sehen wir kein vergleichbares Ausmaß an Alarmismus und Maßnahmen im Zusammenhang mit Selbstmord - der nur die Spitze eines Eisbergs von Verzweiflung und Depression ist. Jährlich nehmen sich weltweit über eine Million und in den USA 50.000 Menschen das Leben. Auch bei Drogenüberdosierungen, an denen in den USA 70.000 Menschen sterben, der Autoimmunitätsepidemie, von der 23,5 Millionen (NIH-Angaben) bis 50 Millionen (AARDA) betroffen sind, oder der Fettleibigkeit, von der weit über 100 Millionen Menschen betroffen sind, gibt es keine solch drastischen Eingriffe. Warum handeln wir nicht entsprechend, um ein nukleares Armageddon oder einen ökologischen Kollaps abzuwenden, sondern treffen im Gegenteil Entscheidungen, die genau diese Gefahren vergrößern?

Wenn wir uns so radikal ändern können wegen Covid-19, können wir es auch für diese anderen Bedrohungen tun. Fragen wir uns, warum wir in der Lage sind, unseren kollektiven Willen zur Eindämmung dieses Virus zu vereinen, und warum wir es nicht schaffen, andere schwerwiegenden Gefahren für die Menschheit ebenso energisch zu bekämpfen. Warum ist die Gesellschaft in ihrer Entwicklung so eingefroren?
Die Antwort ist aufschlussreich. Angesichts von Hunger, Sucht, Autoimmunität, Selbstmord oder ökologischem Kollaps in der Welt wissen wir als Gesellschaft einfach nicht, was wir tun sollen. Unsere Krisenreaktionen, die allesamt eine Art von Kontrolle darstellen, sind nicht sehr effektiv, um diese Zustände zu bewältigen. Jetzt kommt eine ansteckende Epidemie, und endlich können wir in Aktion treten.

Es ist eine Krise, bei der die Kontrolle funktioniert: Quarantäne, Abriegelung, Isolation, Händewaschen; Kontrolle der Bewegungen, Kontrolle der Informationen, Kontrolle unserer Körper.
Das macht Covid zu einem nützlichen Gefäss für unsere unausgesprochenen Ängste, zu einem Ort, wohin wir unser wachsendes Gefühl der Hilflosigkeit angesichts der Veränderungen, die die Welt überrollen, kanalisieren können. Covid-19 ist eine Bedrohung, der wir zu begegnen wissen; gegen Covid-19 haben wir einen Plan, den wir gegen andere Gefahren nicht haben.

Die etablierten Institutionen unserer Zivilisation sind den Herausforderungen unserer Zeit zunehmend hilflos ausgeliefert. Deshalb begrüßen sie eine Herausforderung, der sie sich endlich stellen können und freuen sich sehr darüber, sie als eine prioritäre Krise zu behandeln. Es ist erstaunlich, wie selbstverständlich ihre Systeme der Informationsverwaltung für die alarmierendsten Darstellungen dieser Krise ausgewählt werden, oder wie leicht sich die Öffentlichkeit der Panik anschließt, diese Bedrohung annimmt und den Behörden bei der Bewältigung der Krise vertraut.

Heute können wir die meisten unserer Herausforderungen nicht mehr mit Gewalt, Stärke oder Macht lösen. Unsere Antibiotika und unsere chirurgischen Eingriffe können den zunehmenden Gesundheitskrisen wie Autoimmunität, Sucht und Fettleibigkeit nicht mehr begegnen. Unsere Gewehre und Bomben, die gemacht wurden, um andere Armeen zu besiegen, sind nutzlos, um den Hass im Ausland auszulöschen oder häusliche Gewalt aus unseren Häusern fernzuhalten. Unsere Polizei und unsere Gefängnisse können die Kriminalität nicht ausrotten. Unsere Pestizide können zerstörten Boden nicht wiederherstellen.

Covid-19 erinnert an die guten alten Zeiten, als die Infektionskrankheiten von der modernen Medizin und Hygiene besiegt wurden, während die Nazis sich der Kriegsmaschinerie hingaben und sich die Natur selbst der technologischen Eroberung und dem Fortschritt unterwarf, oder es schien zumindest so, dass sie sich unterwarf. Covid erinnert an die Zeit, als unsere Waffen ihren Zweck erfüllten und die Welt sich mit jeder Kontrolltechnologie zu verbessern schien.

Welche Art von Problemen lässt sich durch Beherrschung und Kontrolle lösen?  Wenn die Ursache des Problems etwas ist, das uns selbst vertraut ist, wie Obdachlosigkeit oder Ungleichheit, Sucht oder Fettleibigkeit, dann gibt es nichts, wogegen man kämpfen kann. Wir können versuchen, einen Feind zu installieren, indem wir zum Beispiel die Milliardäre, Wladimir Putin oder den Teufel zu den Schuldigen erklären, aber so unterschlagen wir wichtige Informationen, wie zum Beispiel die Grundlagen, die es den Milliardären (oder Viren) überhaupt erst ermöglichen, sich zu reproduzieren.

Wenn es eine Sache gibt, in der unsere Zivilisation gut ist, dann ist es der Kampf gegen einen Feind. Wir begrüßen Situationen, in den wir tun können, worin wir gut sind und die die Stärke und Richtigkeit unserer Technologien, Systeme und unserer Weltsicht beweisen. Dementsprechend erfinden wir Feinde, und Probleme wie Kriminalität, Terrorismus und Krankheiten vereinfachen wir zu "Wir-gegen-die" und mobilisieren dann unsere kollektiven Energien für jene Herausforderungen, die auf diese simple Weise betrachtet werden können. So machen wir bei Covid-19 mobil, indem wir die Gesellschaft wie für einen Krieg umorganisieren, während wir die Möglichkeit eines nuklearen Armageddons, eines ökologischen Zusammenbruchs und den Hungertod von fünf Millionen Kindern als normal behandeln.

Die Geschichte der Verschwörung

Da Covid-19 so viele Punkte auf der totalitären Wunschliste zu rechtfertigen scheint, gibt es diejenigen, die glauben, dass es sich um ein absichtliches Machtspiel handelt. Es ist nicht meine Absicht, diese Theorie voranzutreiben oder zu entlarven, obwohl ich einige Bemerkungen auf der Metaebene machen werde. Zunächst ein kurzer Überblick.

Die Theorien (es gibt viele Varianten) sprechen vom Ereignis 201 (gesponsert von der Gates Foundation, der CIA usw. im vergangenen September) und einem Weißbuch der Rockefeller Foundation aus dem Jahr 2010, in dem ein Szenario namens "Lockstep" beschrieben wird, die beide die autoritäre Reaktion auf eine hypothetische Pandemie darlegen. Sie stellen fest, dass die Infrastruktur, die Technologie und der gesetzliche Rahmen für das Kriegsrecht seit vielen Jahren in Vorbereitung sind. Alles, was nötig war, sagen sie, war ein Weg, um die Öffentlichkeit dazu zu bringen, es anzunehmen, und das ist nun geschehen. Unabhängig davon, ob die derzeitigen Kontrollen dauerhaft sind oder nicht, wird ein Präzedenzfall geschaffen:

  • Die Verfolgung der Bewegungen von Menschen zu jeder Zeit (weil Coronavirus)
  • Die Aussetzung der Versammlungsfreiheit (wegen dem Coronavirus)
  • Die militärpolizeiliche Überwachung der Zivilbevölkerung (wegen des Coronavirus)
  • Außergerichtliche, unbefristeter Hausarrest (Quarantäne, weil Coronavirus)
  • Das Verbot von Bargeld (wegen dem Coronavirus)
  • Zensur des Internets (zur Bekämpfung der Desinformation, da Coronavirus)
  • Zwangsimpfungen und andere medizinische Behandlungen, die die Souveränität des Staates über unseren Körper begründen (weil Coronavirus)
  • Die Einteilung aller Aktivitäten und Reiseziele in das ausdrücklich Erlaubte und das ausdrücklich Verbotene (dafür kann man sein Haus verlassen, aber dafür nicht), die Beseitigung der unkontrollierten, nicht juristischen Grauzone. Dies ist das Wesen des Totalitarismus schlechthin. Sie ist jetzt aber notwendig, denn, nun ja, jetzt ist Coronavirus.

Das ist ein interessantes Material für Verschwörungstheorien. Soweit ich weiß, könnte eine dieser Theorien wahr sein; allerdings könnte sich der gleiche Verlauf der Ereignisse von einer unbewussten systemischen kollektiven Neigung hin zu immer stärkerer Kontrolle entfalten. Woher kommt diese Neigung? Sie ist in die DNA der Zivilisation eingewoben. Seit Jahrtausenden hat die Zivilisation (im Gegensatz zu traditionellen Kulturen im kleinen Maßstab) Fortschritt als eine Frage der Ausdehnung der Kontrolle auf die Welt verstanden: die Domestizierung der Wildnis, die Eroberung der Barbaren, die Beherrschung der Naturkräfte und die Ordnung der Gesellschaft nach Recht und Vernunft.

Der Aufstieg der Kontrolle beschleunigte sich mit der wissenschaftlichen Revolution, die den Fortschritt zu neuen Höhen führte: die Ordnung der Realität in objektive Kategorien und Mengen und die Beherrschung der Materie durch Technologie. Schließlich versprachen die Sozialwissenschaften, die gleichen Mittel und Methoden einzusetzen, um das (auf Platon und Konfuzius zurückgehende) Bestreben zu erfüllen, eine perfekte Gesellschaft zu schaffen.

Diejenigen, die die Zivilisation beherrschen, werden daher jede Gelegenheit begrüßen, ihre Kontrolle zu verstärken, denn schließlich steht sie im Dienst einer großen Vision des menschlichen Schicksals: der perfekt geordneten Welt, in der Krankheit, Verbrechen, Armut und vielleicht auch das Leiden selbst "abgeschafft" werden können. Es sind keine schändlichen Motive dafür notwendig. Natürlich möchten die Machthaber den Überblick über alle behalten - um das Gemeinwohl zu sichern, wie sie sagen werden. Für sie zeigt Covid-19, wie notwendig das ist. "Können wir uns angesichts des Coronavirus demokratische Freiheiten leisten?", fragen sie. "Müssen wir diese jetzt aus der Not heraus für unsere eigene Sicherheit opfern?" Es ist ein bekannter Refrain, denn er hat in der Vergangenheit andere Krisen wie 9/11 begleitet.

Um es mit einer Metapher zu sagen: Stellen Sie sich einen Mann mit einem Hammer vor, der nach einem Grund sucht, ihn zu benutzen. Plötzlich sieht er einen Nagel abstehen. Er hat lange nach einem Nagel gesucht, auf Schrauben und Bolzen gehämmert und nicht viel erreicht. Er hat eine Weltanschauung, in der der Hammer das beste Werkzeug ist, und die Welt kann durch das Einhämmern von Nägeln verbessert werden. Und hier ist ein Nagel! Man könnte vermuten, dass er in seinem Eifer den Nagel selbst dort platziert hat, aber das ist kaum von Bedeutung. Vielleicht ist es nicht einmal ein Nagel, der heraussteht, aber er ähnelt einem Nagel genug, um mit dem Schlagen zu beginnen. Wenn das Werkzeug bereit ist, wird sich eine Gelegenheit ergeben, es zu benutzen.

Und ich füge hinzu, für diejenigen, die dazu neigen, an den Behörden zu zweifeln - vielleicht ist es diesmal wirklich ein Nagel. In diesem Fall ist der Hammer das richtige Werkzeug - und das Prinzip des Hammers wird umso stärker hervortreten, je stärker er für die Schraube, den Knopf, die Klammer und den Riss bereit ist.
So oder so, das Problem, mit dem wir uns hier befassen, ist viel tiefer als das des Sturzes einer bösen Kaste der Illuminaten. Selbst wenn es sie gibt, würde angesichts der Neigung der Zivilisation die gleiche Tendenz ohne sie anhalten, oder es würde eine neue Illuminatengruppe entstehen, die die Funktionen der alten übernimmt.

Ob es stimmt oder nicht, die Vorstellung, dass die Epidemie eine monströse Verschwörung ist, die von Übeltätern kreiert wurde, ist nicht so weit von der Denkweise entfernt, wie der Erreger zu finden ist. Es ist eine Kreuzzugsmentalität, eine Kriegsmentalität. Sie lokalisiert die Quelle einer gesellschaftspolitischen Krankheit in einem Erreger, gegen den wir dann kämpfen können, einem von uns selbst getrennten Opfer. Sie läuft Gefahr, die Grundlagen zu ignorieren, die die Gesellschaft zu einem fruchtbaren Boden dafür zu machen. Ob dieser Boden absichtlich oder durch den Wind gesät wurde, ist für mich eine zweitrangige Frage.

Was ich als Nächstes sagen werde, ist relevant um beschreiben, ob der Virus eine gentechnisch veränderte Biowaffe ist, ob er mit der 5G-Einführung zusammenhängt, ob er zur Verhinderung einer "Enthüllung" verwendet wird, ob der Virus ein trojanisches Pferd für eine totalitäre Weltregierung ist, ob er tödlicher ist, als uns gesagt wurde oder weniger tödlich ist, als uns gesagt wurde, ob er aus einem Biolabor in Wuhan stammt, in Fort Detrick entstand oder genau so ist, wie es uns die CDC und die WHO gesagt haben.
Es gilt auch dann, wenn sich alle über die Rolle des SARS-CoV-2-Virus in der gegenwärtigen Epidemie völlig irren. Ich habe meine Meinung, aber wenn ich eines im Laufe dieses Notfalls gelernt habe, dann, dass ich nicht wirklich weiß, was passiert.

Ich denke nicht, dass jemand inmitten des Durcheinanders von Nachrichten, gefälschten Nachrichten, Gerüchten, unterdrückten Informationen, Verschwörungstheorien, Propaganda und politisierten Geschichten, die das Internet füllen, etwas wissen kann. Ich wünschte, viel mehr Menschen würden es begrüßen, wenn sie es nicht wissen. Das sage ich sowohl denen, die an die allgemein akzeptierten Versionen glauben, als auch denen, die sich an abweichende Meinungen klammern. Welche Informationen könnten wir ausblenden, um die Integrität unserer Standpunkte zu wahren? Seien wir bescheiden in unseren Überzeugungen: Es geht um Leben und Tod.

Der Krieg gegen den Tod

Mein 7-jähriger Sohn hat seit zwei Wochen kein anderes Kind mehr gesehen oder mit ihm gespielt. Millionen anderer Kinder sind in der gleichen Lage wie er. Die meisten würden zustimmen, dass ein Monat ohne soziale Interaktion für all diese Kinder ein angemessenes Opfer ist, um eine Million Leben zu retten. Aber wie wäre es, 100.000 Leben zu retten? Und was, wenn ein solches Opfer nicht für einen Monat, sondern für ein Jahr gelten würde? Sondern für ein Jahr? Fünf Jahre? Unterschiedliche Menschen werden je nach den ihnen zugrunde liegenden Werten unterschiedliche Meinungen dazu haben.

Lassen Sie uns diese Fragen durch etwas Persönlicheres ersetzen, dass das unmenschliche, utilitaristische Denken durchdringt, das Menschen in Statistiken verwandelt und einige von ihnen für etwas anderes opfert. Die für mich relevante Frage lautet: Würde ich alle Kinder der Nation bitten, für eine gewisse Zeit auf das Spielen zu verzichten, wenn dadurch das Risiko meiner Mutter, zu sterben, oder übrigens auch mein eigenes Risiko verringert würde? Oder ich könnte fragen: Würde ich das Ende der menschlichen Umarmungen und Händeschütteln anordnen, wenn es mein eigenes Leben retten würde? Es geht nicht darum, das Leben meiner Mutter oder mein eigenes Leben, die beide wertvoll sind, abzuwerten. Ich bin dankbar für jeden Tag, an dem sie noch bei uns ist. Aber diese Fragen werfen tiefe Fragen auf. Was ist die richtige Art zu leben? Was ist die richtige Art zu sterben?

Die Antwort auf solche Fragen, ob sie im eigenen Namen oder im Namen der Gesellschaft insgesamt gestellt werden, hängt davon ab, wie wir den Tod empfinden und wie sehr wir das Spielen, die Berührung und das Miteinander und die bürgerlichen sowie persönlichen Freiheiten schätzen. Es gibt keine einfache Formel, um diese Werte auszugleichen.
Im Laufe meines Lebens habe ich festgestellt, dass die Gesellschaft immer stärkeren Wert auf Sicherheit und Risikominderung legt. Das hat sich besonders auf die Kindheit ausgewirkt: Als kleiner Junge war es für uns normal, unbeaufsichtigt eine Meile von zu Hause wegzugehen - ein Verhalten, das den Eltern heute einen Besuch des Kinderschutzes einbringen würde. Es äußert sich auch in Form von Latexhandschuhen für immer mehr Berufe; überall sind Handdesinfektionsmittel im Einsatz; verschlossene, bewachte und überwachte Schulgebäude; verschärfte Flughafen- und Grenzsicherheit; erhöhtes Bewusstsein für gesetzliche Haftpflicht; Metalldetektoren und Durchsuchungen vor dem Betreten vieler Sportstätten und öffentlicher Gebäude und so weiter. Es entwickelt sich vieles hin zu einem Sicherheitsstaat.

Das Mantra "Sicherheit geht vor" kommt von einem Wertesystem, das das Überleben zur obersten Priorität macht und andere Werte wie Spaß, Abenteuer, Spiel und das Infragestellen von Grenzen herabsetzt. Andere Kulturen hatten andere Prioritäten. So sind viele traditionelle und indigene Kulturen beispielsweise viel weniger protektiv, was ihre Kinder angeht – das ist in Jean Liedloffs Klassiker "Das Kontinuum-Konzept" dokumentiert. Sie erlauben ihnen Risiken und Verantwortlichkeiten, die den meisten modernen Menschen wahnsinnig erscheinen würden; denn  diese Kulturen glauben, dass dies für Kinder notwendig ist, damit sie Selbstvertrauen und ein gutes Urteilsvermögen entwickeln. Ich denke, die meisten modernen Menschen, insbesondere die jüngeren, behalten einen Teil dieser angeborenen Bereitschaft, Sicherheit zu opfern, um ein vollwertiges Leben zu führen.

Die uns umgebende Kultur lobbyiert jedoch unerbittlich dafür, dass wir in Angst leben sollen, und hat Systeme konstruiert, die Angst verkörpern. In ihnen ist es von überragender Bedeutung, sicher zu bleiben. So haben wir ein medizinisches System, in dem die meisten Entscheidungen auf Risikoberechnungen beruhen und in dem das schlimmstmögliche Ergebnis, das den endgültigen Misserfolg des Arztes kennzeichnet, der Tod ist. Und doch wissen wir die ganze Zeit, dass der Tod ungeachtet dessen auf uns wartet. Ein gerettetes Leben bedeutet eigentlich einen aufgeschobenen Tod.

Die letztendliche Erfüllung des Kontrollprogramms der Zivilisation wäre der Triumph über den Tod selbst. Weil das nicht gelingt, begnügt sich die moderne Gesellschaft mit einer Nachbildung dieses Triumphes: Verleugnung statt Eroberung. Unsere Gesellschaft ist eine Gesellschaft der Todesverleugnung, vom Verstecken von Leichen über ihren Fetisch für Jugendlichkeit bis hin zur Abschiebung alter Menschen in Pflegeheime. Sogar die Besessenheit der Menschen, Geld und Eigentum zu haben - Erweiterungen des Selbst, wie das Wort "mein" andeutet - drückt die Illusion aus, dass das vergängliche Selbst durch seine Bindungen dauerhaft gemacht werden kann. All dies ist unvermeidlich angesichts der Geschichte des Selbst, das die Moderne bietet: das getrennte Individuum in einer Welt des Anderen. Umgeben von genetischen, sozialen und wirtschaftlichen Konkurrenten muss dieses Selbst beschützen und dominieren, um zu gedeihen. Es muss alles tun, um den Tod zu verhindern, der (in der Geschichte der Trennung) die totale Vernichtung bedeutet. Die biologische Wissenschaft hat uns sogar gelehrt, dass es in unserer Natur liegt, unsere Überlebens- und Reproduktionschancen zu maximieren.

Ich habe einen Freund, einen Arzt, der Zeit mit den Q'ero in Peru verbracht hat, gefragt, ob die Q'ero jemanden intubieren würden (wenn sie es könnten), um sein Leben zu verlängern. "Natürlich nicht", sagte sie. "Sie würden den Schamanen herbeirufen, um diesem Menschen zu helfen, gut zu sterben." Gut zu sterben (was nicht unbedingt dasselbe ist wie schmerzlos zu sterben) gilt nicht viel im heutigen medizinischen Vokabular. Es werden keine Krankenhausaufzeichnungen darüber geführt, ob Patienten gut sterben. Das würde nicht als positives Ergebnis gewertet werden. In der Welt der getrennten Ichs ist der Tod die ultimative Katastrophe.

Aber ist er das? Dr. Lissa Rankin sieht es auf ihre Weise: "Nicht alle von uns würden sich auf einer Intensivstation aufhalten wollen, isoliert von ihren Lieben mit einer Maschine, die für uns atmet, in der Gefahr, allein zu sterben - selbst wenn sie dadurch ihre Überlebenschancen erhöhen könnten. Einige von uns würden vielleicht lieber in den Armen ihrer Lieben zu Hause gehalten werden, selbst wenn das bedeutet, dass unsere Zeit gekommen ist. Denn der Tod ist nicht das Ende. Der Tod geht nur nach Hause."

Wenn das Selbst als relational, interdependent, ja sogar interexistent verstanden wird, dann blutet es in den anderen über, und der andere blutet in das Selbst über. Wenn man das Selbst als einen Ort des Bewusstseins in einer Beziehungsmatrix versteht, sucht man nicht mehr nach einem Feind als Schlüssel zum Verständnis jedes Problems, sondern sucht stattdessen nach Ungleichgewichten in den Beziehungen. Der Krieg gegen den Tod weicht dem Streben nach einem guten und vollständigen Leben, und wir sehen, dass die Angst vor dem Tod eigentlich die Angst vor dem Leben ist.
Auf wie viel Leben werden wir verzichten, um sicher zu bleiben?

Totalitarismus - die Perfektion der Kontrolle - ist das unvermeidliche Endprodukt der Mythologie des getrennten Selbst. Was sonst als eine Bedrohung des Lebens, wie ein Krieg, würde eine totale Kontrolle verdienen? So identifizierte George Orwell in seinem Buch "1984" den immerwährenden Krieg als Schlüssel für die Herrschaft der "Partei".

Vor dem Hintergrund des Programms der Kontrolle, der Verleugnung des Todes und des getrennten Selbst steht die Annahme, dass die öffentliche Politik versuchen sollte, die Zahl der Todesopfer zu minimieren, fast außer Frage. Dies ist ein Ziel, dem andere Werte wie Spiel, Freiheit usw. untergeordnet sind. Covid-19 bietet die Gelegenheit, diese Sichtweise zu erweitern. Ja, halten wir das Leben für heilig, heiliger denn je. Der Tod lehrt uns das. Halten wir jeden Menschen, ob jung oder alt, ob krank oder gesund, für das heilige, kostbare, geliebte Wesen, das er ist. Und im Kreis unserer Herzen lasst uns Platz machen für andere heilige Werte. Das Leben heilig zu halten bedeutet nicht nur, lange zu leben, sondern auch gut und richtig und in vollem Umfang zu leben.

Wie jede Angst deutet auch die Angst rund um das Coronavirus an, was ihr zugrunde liegen könnte. Jeder, der das Hinscheiden eines nahen Angehörigen erlebt hat, weiß, dass der Tod ein Portal der Liebe ist. Covid-19 hat den Tod in den Vordergrund gerückt im Bewusstsein einer Gesellschaft, die ihn verleugnet. Auf der anderen Seite der Angst können wir die Liebe sehen, die der Tod befreit. Lasst sie sich ausgießen. Lasst sie den Boden unserer Kultur sättigen und seine Grundwasser füllen, damit er durch die Risse unserer verkrusteten Institutionen, unserer Systeme und unserer Gewohnheiten sickert. Einige von diesen könnten dann ebenfalls sterben.

In welcher Welt sollen wir leben?

Wie viel vom Leben wollen wir auf dem Altar der Sicherheit opfern? Wollen wir in einer Welt leben, in der sich die Menschen nie versammeln können, nur weil das uns sicherer macht? Wollen wir in der Öffentlichkeit ständig Masken tragen? Wollen wir uns bei jeder Reise medizinisch untersuchen lassen, wenn dadurch jedes Jahr eine gewisse Anzahl von Leben gerettet werden kann? Sind wir bereit, die Medizinisierung des Lebens im Allgemeinen zu akzeptieren, indem wir die endgültige Souveränität über unseren Körper an medizinische Autoritäten (die von politischen Autoritäten ausgewählt werden) abgeben? Wollen wir, dass jedes Ereignis nur noch ein virtuelles Ereignis ist? Wie sehr sind wir bereit, in Angst zu leben?

Covid-19 wird irgendwann nachlassen, aber die Bedrohung durch Infektionskrankheiten ist permanent. Unsere Reaktion darauf stellt die Weichen für die Zukunft. Das öffentliche Leben, das Gemeinschaftsleben, das Zusammenleben und die sozialen Begegnungen der Menschen ist über mehrere Generationen hinweg geschrumpft. Anstatt in Geschäften einzukaufen, lassen wir uns Dinge nach Hause liefern. Anstatt dass die Kinder draußen spielen, haben sie Spielverabredungen im Internet und digitale Abenteuer. Statt des öffentlichen Platzes haben wir das Online-Forum. Wollen wir uns noch weiter voneinander und von der Welt abschotten?

Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, insbesondere wenn die soziale Distanzierung erfolgreich ist, dass uns Covid-19 über die 18 Monate hinaus, die wir für seinen Verlauf erwarten sollen, erhalten bleibt. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass in dieser Zeit neue Viren auftauchen werden. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass Notfallmaßnahmen normal werden (um die Möglichkeit eines weiteren Ausbruchs zu verhindern), denn auch der nach 9/11 ausgerufene Ausnahmezustand ist heute noch in Kraft. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass (wie uns gesagt wird) eine Reinfektion möglich ist, so dass die Krankheit nie stoppen wird. Das bedeutet, dass die vorübergehenden Veränderungen in unserer Lebensweise möglicherweise dauerhaft werden.

Sollen wir uns, um das Risiko einer weiteren Pandemie zu verringern, dafür entscheiden, für immer in einer Gesellschaft ohne Umarmungen, Händedruck und High-Fives zu leben? Sollen wir uns dafür entscheiden, in einer Gesellschaft zu leben, in der wir uns nicht mehr massenhaft versammeln? Sollen das Konzert, der Sportwettbewerb und das Festival der Vergangenheit angehören? Sollen Kinder nicht mehr mit anderen Kindern spielen? Sollen alle menschlichen Kontakte durch Computer und Masken vermittelt werden? Keine Tanzkurse, keine Karatekurse, keine Konferenzen, keine Kirchen mehr? Soll die Reduzierung der Todesfälle der Maßstab sein, an dem der Fortschritt gemessen wird? Bedeutet menschlicher Fortschritt Trennung? Ist dies die Zukunft?

Dieselbe Frage gilt für die administrativen Instrumente, die zur Kontrolle der Bewegung von Menschen und des Informationsflusses erforderlich sind. Im Moment bewegt sich das ganze Land auf einen Lockdown zu. In einigen Ländern muss man ein Formular von einer Regierungswebsite ausdrucken, um das Haus zu verlassen. Das erinnert mich an die Schule, in der man sich jederzeit an seinem Standort autorisieren lassen muss. Oder an das Gefängnis. Stellen wir uns eine Zukunft mit elektronischen Ausweisen vor, ein System, bei dem die Bewegungsfreiheit jederzeit und dauerhaft von den staatlichen Behörden und ihren Computern geregelt wird? Wo jede Bewegung verfolgt wird, entweder erlaubt oder verboten? Und, zu unserem Schutz, wo Informationen, die unsere Gesundheit bedrohen (wie wiederum von verschiedenen Behörden beschlossen), zu unserem eigenen Wohl zensiert werden? In einem Notfall, wie einem Kriegszustand, akzeptieren wir solche Einschränkungen und geben unsere Freiheiten vorübergehend auf. Ähnlich wie bei 9/11 überstimmt Covid-19 alle Einwände.

Zum ersten Mal in der Geschichte gibt es die technologischen Mittel, um eine solche Vision zu verwirklichen, zumindest in der entwickelten Welt (z.B. die Nutzung von Handy-Standortdaten zur Durchsetzung sozialer Distanzierung; siehe auch hier). Nach einem holprigen Übergang könnten wir in einer Gesellschaft leben, in der sich fast das gesamte Leben online abspielt: Einkaufen, Treffen, Unterhaltung, Geselligkeit, Arbeit, sogar Verabredungen. Ist es das, was wir wollen? Wie viele gerettete Leben ist das wert?

Ich bin sicher, dass viele der heute geltenden Kontrollen in einigen Monaten teilweise gelockert werden. Teilweise gelockert, aber in Bereitschaft. Solange die Infektionskrankheit bei uns bleibt, werden sie in Zukunft wahrscheinlich immer wieder neu eingeführt werden oder uns in Form von Gewohnheiten auferlegt werden. Wie Deborah Tannen in ihrem Beitrag zu einem Artikel im Politico darüber, wie das Coronavirus die Welt dauerhaft verändern wird, sagt: "Wir wissen jetzt, dass es riskant sein kann, Dinge zu berühren, mit anderen Menschen zusammen zu sein und die Luft in einem geschlossenen Raum zu atmen. Es könnte soweit kommen, dass wir vor dem Händeschütteln oder Gesichtsberührungen zurückweichen - und wir alle könnten zu Erben der gesellschaftsweiten Zwangsstörung werden, da keiner von uns aufhören kann, sich die Hände zu waschen." Ist es nach Tausenden von Jahren, Millionen von Jahren der Berührung, des Kontakts und des Zusammenseins der Höhepunkt des menschlichen Fortschritts, dass wir solche Aktivitäten einstellen, weil sie zu riskant sind?

Leben ist Gemeinschaft

Das Paradoxe am Programm der Kontrolle ist, dass sein Fortschritt uns selten dem Ziel näher bringt. Trotz der Sicherheitssysteme in fast jedem Haus der oberen Mittelschicht sind die Menschen nicht weniger ängstlich oder unsicher als noch vor einer Generation. Trotz ausgeklügelter Sicherheitsvorkehrungen kommt es in den Schulen nicht zu weniger Massenerschießungen. Trotz phänomenaler Fortschritte in der Medizintechnik sind die Menschen in den letzten dreißig Jahren eher noch weniger gesund geworden, da sich chronische Krankheiten ausgebreitet haben und die Lebenserwartung stagniert und in den USA und Großbritannien sogar gesunken ist.

Auch die Maßnahmen, die zur Kontrolle von Covid-19 eingeführt werden, könnten am Ende mehr Leid und Tod verursachen, als sie verhindern. Die Minimierung der Todesfälle bedeutet eine Minimierung der Todesfälle, die wir vorhersagen und messen können. Es ist unmöglich, die zusätzlichen Todesfälle zu messen, die durch folgende Ursachen hervorgerufen werden können: Zum Beispiel durch Isolation verursachte Depressionen, die durch Arbeitslosigkeit verursachte Verzweiflung oder die verminderte Immunität und die Verschlechterung des Gesundheitszustands, die durch chronische Angst verursacht werden kann. Es hat sich gezeigt, dass Einsamkeit und fehlende soziale Kontakte Entzündungen, Depressionen und Demenz verstärken. Laut Dr. Lissa Rankin erhöht die Luftverschmutzung das Risiko zu sterben um 6%, für Fettleibigkeit um 23%, für  Alkoholmissbrauch um 37% und für Einsamkeit um 45%.

Eine weitere Gefahr, die nicht in den Büchern steht, ist die Schwächung des Immunsystems, die durch übermäßige Hygiene und Distanzierung verursacht wird. Für die Gesundheit ist nicht nur der soziale Kontakt notwendig, sondern auch der Kontakt mit der mikrobiellen Welt. Im Allgemeinen sind die Mikroben nicht unsere Feinde, sondern unsere Verbündeten in der Gesundheit. Ein vielfältiges Darmbiom, das Bakterien, Viren, Hefen und andere Organismen umfasst, ist für ein gut funktionierendes Immunsystem unerlässlich, und seine Vielfalt wird durch den Kontakt mit anderen Menschen und mit der Welt des Lebens aufrechterhalten. Übermäßiges Waschen der Hände, übermäßiger Gebrauch von Antibiotika, aseptische Sauberkeit und mangelnder menschlicher Kontakt können mehr schaden als nützen. Die daraus resultierenden Allergien und Autoimmunerkrankungen können schlimmer sein als die Infektionskrankheiten. Sozial und biologisch gesehen kommt Gesundheit von der Gemeinschaft. Das Leben gedeiht nicht in der Isolation.

Wenn man die Welt als ein „Wir-gegen-die“ sieht, wird man blind für die Realität, dass Leben und Gesundheit in der Gemeinschaft stattfinden. Am Beispiel der Infektionskrankheiten versäumen wir es, über den bösen Erreger hinauszuschauen und zu fragen: Welche Rolle spielen Viren im Mikrobiom? (Siehe auch hier) Unter welchen Bedingungen vermehren sich schädliche Viren im Körper? Warum haben einige Menschen leichte und andere schwere Symptome (neben der Nicht-Erklärung der "geringen Resistenz")? Welche positive Rolle könnten Grippe- und Erkältungskrankheiten und andere nicht tödliche Krankheiten für die Erhaltung der Gesundheit spielen?

Die aktuellen Vorgehensweisen des Krieges gegen die Krankheit bringen ähnliche Ergebnisse hervor wie der Krieg gegen den Terror, der Krieg gegen die Kriminalität, der Krieg gegen das Unkraut und die endlosen Kriege, die wir politisch und zwischen den Menschen führen. Erstens erzeugen sie weitere endlose Kriege; zweitens lenken sie die Aufmerksamkeit von den Ursachen ab, die Krankheiten, Terroristen, Verbrechen oder Unkraut zugrunde liegen.

Trotz der ständigen Behauptung von Politikern, dass sie den Krieg um des Friedens willen führen, führt Krieg unweigerlich zu mehr Krieg. Die Bombardierung von Ländern zur Tötung von Terroristen ignoriert nicht nur die Ursachen des Terrorismus, sondern verschärft diese noch. Das Einsperren von Kriminellen ignoriert nicht nur die Ursachen, die Verbrechen hervorbringen, sondern schafft diese, weil die Inhaftierungen ganze Familien und Gemeinschaften auseinanderreißt und die Gefangenen an die Kriminalität gewöhnt. Und Behandlungen mit Antibiotika, Impfstoffen, Virostatika und anderen Medikamenten richten verheerende Schäden an der Körperökologie an, die die Grundlage einer starken Immunität bildet. Außerhalb des Körpers werden die massiven Sprühkampagnen, die von Zika, Dengue-Fieber und nun auch von Covid-19 ausgelöst wurden, der Ökologie der Natur unermessliche Schäden zufügen. Hat sich jemand Gedanken darüber gemacht, welche Auswirkungen es auf das Ökosystem haben wird, wenn wir es mit antiviralen Verbindungen übergießen? Eine solche Politik (die an verschiedenen Orten in China und Indien umgesetzt wurde) ist nur denkbar, wenn man sich auf eine Trennung konzentriert, die nicht versteht, dass Viren ein integraler Bestandteil des Lebensnetzes sind.

Um das zu verstehen, betrachten Sie einige Sterblichkeitsstatistiken aus Italien (vom nationalen Gesundheitsinstitut), die auf einer Analyse von Hunderten von Covid-19-Todesfällen basieren. Von den analysierten Personen waren weniger als 1% frei von ernsthaften chronischen Gesundheitszuständen. Etwa 75% litten an Bluthochdruck, 35% an Diabetes, 33% an Herzischämie, 24% an Vorhofflimmern, 18% an einer niedrigen Nierenfunktion, zusammen mit anderen Erkrankungen, die ich aus dem italienischen Bericht nicht entziffern konnte. Fast die Hälfte der Verstorbenen hatte drei oder mehr dieser ernsten Leiden. Amerikaner, die von Fettleibigkeit, Diabetes und anderen chronischen Krankheiten geplagt sind, sind mindestens genauso anfällig wie Italiener.

Sollten wir dann dem Virus die Schuld geben (das nur wenige ansonsten gesunde Menschen getötet hat), oder sollten wir die Schuld dem zugrunde liegenden schlechten Gesundheitszustand der betroffenen Personen geben? Auch hier gilt wieder die Analogie des gespannten Seils. Millionen von Menschen in der modernen Welt befinden sich in einem prekären Gesundheitszustand und warten nur darauf, dass etwas, das normalerweise trivial wäre, sie umbringt. Natürlich wollen wir kurzfristig ihr Leben retten; die Gefahr besteht darin, dass wir uns in einer endlosen Abfolge von kurzen Zeiträumen verlieren, indem wir eine Infektionskrankheit nach der anderen bekämpfen und uns nie mit den wahren Ursachen befassen, die die Menschen so verletzlich machen. Die sind ein weitaus schwierigeres Problem, denn die Bekämpfungen der Seuchen können sie nicht beseitigen. Es gibt keinen Erreger, der Diabetes oder Fettleibigkeit, Sucht, Depressionen oder Posttraumatische Belastungsstörung verursacht. Diese haben andere Gründe und kommen nicht von irgendeinem Virus ausserhalb von uns.

Selbst bei Krankheiten wie Covid-19, bei denen wir ein pathogenes Virus benennen können, ist die Sache nicht so einfach wie ein Krieg zwischen Virus und Opfer. Es gibt eine Alternative zur gängigen Keimtheorie über Krankheiten – diese Alternative betrachtet Keime als Teil eines größeren Prozesses. Wenn die Bedingungen stimmen, vermehren sie sich im Körper, wobei sie manchmal den Wirt töten, aber möglicherweise auch die Bedingungen verbessern, unter denen sie sich anfangs angesammelt haben, z.B. indem sie die angesammelten toxischen Ablagerungen durch Schleimaustritt beseitigen oder (metaphorisch gesprochen) mit Fieber verbrennen. Die manchmal als "Terrain-Theorie" bezeichnete Theorie besagt, dass Keime eher ein Symptom als eine Krankheitsursache sind. Wie ein Mem es erklärt: "Ihr Fisch ist krank. Die Keimtheorie sagt: isolieren Sie den Fisch. Die Gelände-Theorie aber sagt: Reinigen Sie das Becken."

Eine gewisse Schizophrenie hat die moderne Gesundheitskultur befallen. Auf der einen Seite gibt es eine aufkeimende Wellness-Bewegung, die sich der alternativen und ganzheitlichen Medizin verschrieben hat. Sie befürwortet Kräuter, Meditation und Yoga, um das Immunsystem zu stärken. Sie bekräftigt die emotionale und spirituelle Dimension der Gesundheit, wie z.B. dass Einstellungen und Überzeugungen die Macht haben, krank zu machen oder zu heilen. All dies scheint aber vom Covid-Tsunami weggeschwemmt worden zu sein, da die Gesellschaft wieder in alte Verhaltensmuster verfallen ist.

Ein typisches Beispiel: Die kalifornischen Akupunkteure wurden zur Schließung gezwungen, da sie als "nicht notwendig" eingestuft wurden. Dies ist aus der Perspektive der konventionellen Virologie durchaus verständlich. Aber wie ein Akupunkteur auf Facebook bemerkte: "Was ist mit meinem Patienten, mit dem ich zusammenarbeite, um von den Opioiden gegen seine Rückenschmerzen wegzukommen? Er wird sie wieder verwenden müssen."

Aus der Weltanschauung der medizinischen Autoritäten sind alternative Behandlungen, soziale Interaktion, Yoga-Kurse, Nahrungsergänzungsmittel und so weiter leichtsinnig und belanglos, wenn es um echte Krankheiten geht, die durch echte Viren verursacht werden. Sie werden angesichts einer Krise in einen ätherischen Bereich des "Wohlbefindens" verbannt. Das Wiederaufleben der Orthodoxie unter Covid-19 ist so stark, dass alles, was auch nur im Entferntesten unkonventionell ist, wie intravenöses Vitamin C, in den Vereinigten Staaten bis vor zwei Tagen völlig vom Tisch war (es gibt immer noch zahlreiche Artikel, die den "Mythos" entlarven, dass Vitamin C zur Bekämpfung von Covid-19 beitragen kann). Ich habe auch nicht gehört, dass die CDC die Vorteile von Holunderbeerextrakt, Heilpilzen, der Reduzierung der Zuckerzufuhr, NAC (N-Acetyl-L-Cystein), Astragalus oder Vitamin D evangelisiert hat. Dies sind nicht nur schwachsinnige Spekulationen über "Wellness", sondern werden durch umfangreiche Forschung und physiologische Erklärungen unterstützt. Zum Beispiel hat sich gezeigt, dass NAC (hier allgemeine Informationen über eine doppelblinde, plazebokontrollierte Studie) die Inzidenz und den Schweregrad der Symptome bei grippeähnlichen Erkrankungen radikal reduziert.

Wie die Statistiken über Autoimmunität, Fettleibigkeit usw. zeigen, stehen Amerika und die moderne Welt im Allgemeinen vor einer Gesundheitskrise. Ist nun die Antwort darauf, dasselbe dagegen zu tun, was wir getan haben, nur noch gründlicher? Die bisherige Antwort auf Covid bestand darin, die Orthodoxie zu verdoppeln und unkonventionelle Praktiken und abweichende Standpunkte beiseite zu räumen. Eine andere Antwort wäre, unsere Sichtweise zu erweitern und das gesamte System zu untersuchen, einschließlich der Frage, wer dafür bezahlt, wie der Zugang gewährt wird und wie die Forschung finanziert wird, aber auch die Ausweitung auf Randbereiche wie Kräutermedizin, funktionelle Medizin und Energiemedizin in Betracht zu ziehen. Vielleicht können wir diese Gelegenheit nutzen, um die vorherrschenden Theorien über Krankheit, Gesundheit und den Körper neu zu bewerten. Ja, schützen wir die erkrankten Fische so gut wir können, aber vielleicht müssen wir beim nächsten Mal nicht so viele Fische isolieren und betäuben, wenn wir zuerst einmal das Becken reinigen.

Ich sage Ihnen nicht, dass Sie sofort losrennen und NAC oder andere Ergänzungsmittel kaufen sollen, und auch nicht, dass wir als Gesellschaft unsere Reaktion auf Krankheiten abrupt ändern, die soziale Distanzierung sofort aufgeben und stattdessen mit der Einnahme von Ergänzungsmitteln beginnen sollten. Aber wir können die Pause von der Normalität oder diese Pause an einem Scheideweg nutzen, um bewusst zu wählen, welchen Weg wir weiterverfolgen wollen; welche Art von Gesundheitssystem, welches Gesundheitsparadigma, welche Art von Gesellschaft wir wollen. Diese Neubewertung findet bereits statt, da Ideen wie die universelle kostenlose Gesundheitsversorgung in den USA neuen Schwung erhalten. Und dieser Weg führt auch zu Abzweigungen.

Welche Art von Gesundheitsversorgung wird für die Allgemeinheit verfügbar? Wird sie für alle da sein oder nur für alle obligatorisch - jeder Bürger wird zum Patienten, vielleicht mit einem unsichtbaren Barcode, der bescheinigt, dass er über alle vorgeschriebenen Impfungen und Untersuchungen verfügt. Und dann kann man zur Schule gehen, ein Flugzeug besteigen oder ein Restaurant betreten. Dies ist ein Weg in die Zukunft, den wir wählen können.

Doch wir haben auch eine andere Möglichkeit. Anstatt die Kontrolle zu verdoppeln, könnten wir endlich die ganzheitlichen Paradigmen und Praktiken akzeptieren. Die haben nur darauf gewartet, dass sich das Zentrum auflöst, so dass wir sie nun in den Mittelpunkt rücken und ein neues System um sie herum aufbauen können.

Die Krönung

Es gibt eine Alternative zu dem Paradies der perfekten Kontrolle, das unsere Zivilisation so lange angestrebt hat und das so schnell verschwindet wie eine Fata Morgana am Horizont. Ja, wir können wie bisher auf dem Weg zu mehr Isolation, Abschottung, Herrschaft und Trennung voranschreiten. Wir können ein höheres Maß an Trennung und Kontrolle zur Normalität erklären, glauben, dass sie notwendig sind, um uns zu schützen, und wir können eine Welt akzeptieren, in der wir Angst haben, einander nahe zu sein. Oder wir können diese Pause, diesen Bruch ausnutzen, um uns auf einen Weg des Holismus, der Wiederherstellung verloren gegangener Verbindungen, der Reparatur von Gemeinschaft und der Wiedervereinigung des Lebensnetzes zu begeben.

Verdoppeln wir unsere Anstrengungen zum Schutz des getrennten Selbst oder nehmen wir die Einladung in eine Welt an, in der wir alle zusammen sind? Diese Frage stellt sich nicht nur in der Medizin, sondern auch in der Politik, in der Wirtschaft und in unserem persönlichen Leben. Nehmen Sie zum Beispiel das Thema des Hamsterns beim Einkaufen, das die Idee verkörpert: "Es wird nicht genug für alle geben, also werde ich dafür sorgen, dass es genug für mich gibt." Eine andere Antwort könnte lauten: "Einige haben nicht genug, also werde ich das, was ich habe, mit ihnen teilen." Sollen wir egoistische Überlebenskünstler oder Helfer sein? Wozu ist das Leben da?

In einem grösseren Zusammenhang stellen die Menschen nun weitere Fragen. Was sollen wir mit den Obdachlosen tun? Was sollen wir mit den Menschen in den Gefängnissen tun? In den Slums der Dritten Welt? Was sollen wir mit den Arbeitslosen tun? Was ist mit all den Hotelmädchen, den Uber-Fahrern, den Klempnern und Hausmeistern und den Busfahrern und Kassierern, die nicht von zu Hause aus arbeiten können? Und so blühen jetzt endlich Ideen wie der Schuldenerlass für Studenten und das universelle Grundeinkommen auf. "Wie schützen wir diejenigen, die für Covid anfällig sind", führt uns gedanklich weiter zu "Wie kümmern wir uns allgemein um gefährdete Menschen?"

Das ist der Impuls, der sich in uns regt, ungeachtet der Oberflächlichkeit unserer Meinungen über die Gefahr von Covid, über dessen Herkunft oder die beste Politik zu seiner Bekämpfung. Es bedeutet, dass wir uns ernsthaft darum bemühen sollten, uns umeinander zu kümmern. Erinnern wir uns daran, wie wertvoll wir alle sind und wie wertvoll das Leben ist. Lasst uns eine Bestandsaufnahme unserer Zivilisation machen und lasst uns gemeinsam schauen, ob wir nicht noch eine schönere bauen können.
Je mehr Covid unser Mitgefühl weckt, desto mehr von uns erkennen, dass wir nicht zu einem normalen Leben zurückkehren wollen, dem es so sehr an vielem mangelt. Wir haben jetzt die Gelegenheit, eine neue, mitfühlendere Normalität zu formen.

Hoffnungsvolle Zeichen dafür gibt es im Überfluss. Die Regierung der Vereinigten Staaten, die lange Zeit die Gefangene herzloser Unternehmensinteressen zu sein schien, hat Hunderte von Milliarden Dollar an Direktzahlungen an Familien freigesetzt. Donald Trump, der nicht als Vorbild des Mitgefühls bekannt ist, hat ein Moratorium für Zwangsvollstreckungen und Vertreibungen erlassen. Sicherlich kann man diese beiden Entwicklungen zynisch betrachten, aber sie verkörpern das Prinzip der Fürsorge für die Schwachen.
Aus der ganzen Welt hören wir Geschichten über Solidarität und Heilung. Ein Freund beschrieb, wie er je 100 Dollar an zehn Fremde schickte, die in großer Not waren. Mein Sohn, der bis vor einigen Tagen bei Dunkin' Donuts arbeitete, sagte, die Leute würden fünfmal so viel Trinkgeld geben wie üblich - und das sind Menschen aus der Arbeiterklasse, viele von ihnen hispanische Lastwagenfahrer, die sich selbst in einer wirtschaftlichen Unsicherheit befinden. Ärzte, Krankenschwestern und "unverzichtbare Arbeitskräfte" in anderen Berufen riskieren ihr Leben, um der Öffentlichkeit zu dienen. Hier sind einige weitere Beispiele für den Ausbruch von Liebe und Freundlichkeit, die ServiceSpace zu verdanken ist:

Vielleicht sind wir gerade dabei, eine neue Epoche einzuläuten. Stellen Sie sich vor, die italienische Luftwaffe setzt Pavarotti ein, das spanische Militär leistet Dienst und die Straßenpolizei spielt Gitarre - um *inspirieren* zu können.
Andere Beispiele: Unternehmen, die unerwartete Gehaltserhöhungen vornehmen. Kanadier, die mit der "Freundlichkeitsförderung" beginnen. Eine Sechsjährige in Australien schenkt der Zahnfee Geld, eine Achtklässlerin in Japan stellt 612 Masken her, und überall kaufen College-Kinder Lebensmittel für ältere Menschen. Kuba schickt eine Armee in "Weiß" (Ärzte), um Italien zu helfen. Ein Vermieter, der den Mietern die Miete erlässt, ein irisches Priestergedicht, das sich verbreitet, behinderte Aktivisten, die Handdesinfektionsmittel herstellen. Stellen Sie sich das vor. Manchmal ruft eine Krise unseren tiefsten Impuls hervor - dass wir immer mit Mitgefühl reagieren können.

Wie Rebecca Solnit in ihrem wunderbaren Buch "Ein in der Hölle gebautes Paradies" beschreibt, befreit die Katastrophe oft die Solidarität. Eine schönere Welt schimmert direkt unter der Oberfläche und taucht auf, wenn die Systeme, die sie unter Wasser halten, ihren Halt verlieren.

Lange Zeit haben wir als Kollektiv einer immer mehr kränkelnden Gesellschaft hilflos gegenübergestanden. Ob es sich nun um den Verfall der Gesundheit, den Verfall der Infrastruktur, Depressionen, Selbstmord, Sucht, Umweltzerstörung oder die Konzentration von Reichtum handelt, die Symptome des Zivilisationsunwohlseins in der entwickelten Welt sind offensichtlich, aber wir sind in den Systemen und Mustern stecken geblieben, die sie verursachen. Nun hat Covid uns einen möglichen Neustart geschenkt.

Eine Million abzweigender Pfade liegen vor uns. Ein universelles Grundeinkommen könnte ein Ende der wirtschaftlichen Unsicherheit und der Blüte der Kreativität bedeuten, da Millionen von der Arbeit befreit werden, von der Covid uns gezeigt hat, dass sie weniger notwendig ist, als wir dachten. Oder angesichts der aktuellen Dezimierung von Kleinunternehmen könnten viele von staatlichen Hilfen abhängig werden, die an strenge Bedingungen geknüpft ist. Die Krise führt entweder zu Totalitarismus oder Solidarität, zu medizinischem Kriegsrecht oder einer zu einer ganzheitlichen Renaissance, zu einer größeren Angst vor der mikrobiellen Welt oder einer größeren Widerstandsfähigkeit, zu dauerhafte Normen der sozialen Distanzierung oder zum Wunsch, uns wieder zu vereinen.

Wer oder was kann uns als Individuen und als Gesellschaft leiten, wenn wir den Garten der sich gabelnden Wege durchschreiten? An jeder Kreuzung müssen wir uns bewusst werden, was wir anstreben: Angst oder Liebe, Selbsterhaltung oder Großzügigkeit? Sollen wir in Angst leben und eine Gesellschaft aufbauen, die auf dieser Angst basiert? Sollen wir leben, um unser getrenntes Selbst zu bewahren? Sollen wir die Krise als Waffe gegen unsere politischen Feinde einsetzen? Das sind nicht Alles-oder-Nichts-Fragen, es heisst nicht, entweder „totale Angst“ oder „totale Liebe“. Vor uns liegt der nächste Schritt in die Liebe. Dieser fühlt sich als Wagnis, aber nicht als rücksichtslos an. Die Liebe schätzt das Leben, während sie den Tod akzeptiert. Und sie vertraut darauf, dass mit jedem Schritt der nächste sichtbar wird.

Bitte glauben Sie nicht, dass die Entscheidung für die Liebe statt für die Angst allein durch einen Willensakt erreicht werden kann und dass auch die Angst wie ein Virus besiegt werden kann. Das Virus, mit dem wir es hier zu tun haben, ist die Angst, sei es die Angst vor Covid-19 oder die Angst vor der totalitären Reaktion darauf, und auch dieses Virus hat sein Terrain. Angst, zusammen mit Sucht, Depressionen und einer Vielzahl körperlicher Leiden, gedeiht in einem Terrain der Trennung und der Traumata: ererbte Traumata, Kindheitstraumata, Gewalt, Krieg, Missbrauch, Vernachlässigung, Scham, Bestrafung, Armut und das gedämpfte, normalisierte Trauma, das fast jeden betrifft, der in einer monetarisierten Wirtschaft lebt, eine moderne Schulbildung durchläuft oder ohne Gemeinschaft oder persönliche Verbindung zu einem Ort lebt.

Dieses Terrain kann verändert werden, durch Traumaheilung auf persönlicher Ebene, durch einen systemischen Wandel hin zu einer mitfühlenderen Gesellschaft und durch die Umwandlung der grundlegenden Geschichte der Trennung: das getrennte Selbst in einer Welt des Anderen, das Ich getrennt vom Du, die Menschheit getrennt von der Natur. Allein zu sein ist eine Urangst, und die moderne Gesellschaft lässt uns immer mehr allein. Aber die Zeit der Wiedervereinigung ist gekommen. Jeder Akt des Mitgefühls, der Freundlichkeit, des Mutes oder der Großzügigkeit heilt uns von der Geschichte der Trennung, denn er sichert sowohl den Akteuren als auch den Beobachtern zu, dass sie zusammen gehören.

Abschließend möchte ich noch eine weitere Dimension der Beziehung zwischen Menschen und Viren erwähnen. Viren sind ein integraler Bestandteil der Evolution, nicht nur vom Menschen, sondern aller Eukaryoten. Viren können DNA von Organismus zu Organismus übertragen und manchmal in die Keimbahn einführen (wo sie vererbbar wird).

Dies ist ein primärer Mechanismus der Evolution, der als horizontaler Gentransfer bekannt ist und es ermöglicht, dass sich das Leben gemeinsam viel schneller entwickelt, als es durch zufällige Mutation möglich ist. Wie Lynn Margulis es einmal formulierte, sind wir unsere Viren.

Und nun möchte ich mich auf spekulatives Gebiet begeben. Vielleicht haben die großen Zivilisationskrankheiten unsere biologische und kulturelle Evolution beschleunigt, indem sie uns wichtige genetische Informationen verliehen und sowohl individuelle als auch kollektive Initiationsmöglichkeiten geboten haben. Könnte die gegenwärtige Pandemie genau das sein? Neue RNA-Codes verbreiten sich von Mensch zu Mensch und versorgen uns mit neuen genetischen Informationen; gleichzeitig erhalten wir andere, esoterische "Codes", die auf dem Rücken der biologischen Codes reiten und unsere Systeme auf dieselbe Weise stören, wie eine Krankheit die Körperphysiologie stört. Das Phänomen folgt dem Schema der Initiation: Trennung von der Normalität, gefolgt von einem Dilemma, Zusammenbruch oder einer Tortur, gefolgt (wenn es vollständig sein soll) von Reintegration und Feier.

Nun stellt sich die Frage: Initiation in was? Was ist das spezifische Wesen und der Zweck dieser Initiation? Der volkstümliche Name für die Pandemie gibt einen Hinweis: Coronavirus. Eine Korona ist eine Krone. "Neuartige Coronavirus-Pandemie" bedeutet "eine neue Krönung für alle".

Schon jetzt können wir die Macht erahnen, die wir bekommen können. Ein wahrer Souverän läuft nicht in Angst vor dem Leben oder vor dem Tod davon. Ein wahrer Souverän beherrscht und erobert nicht (das ist ein Schattenarchetyp, der Tyrann). Der wahre Souverän dient dem Volk, dient dem Leben und respektiert die Souveränität aller Menschen. Die Krönung markiert das Auftauchen des Unbewussten in das Bewusstsein hinein, die Kristallisierung des Chaos in Ordnung, die Transzendenz des Zwangs in die Wahl. Wir werden die Herrscher über das, was uns beherrscht hat. Die neue Weltordnung, die die Verschwörungstheoretiker fürchten, ist ein Schatten der glorreichen Möglichkeiten, die souveränen Wesen zur Verfügung steht. Wir sind nicht mehr die Sklaven der Angst, sondern können Ordnung in das Königreich bringen und eine selbstgewählte Gesellschaft auf der Liebe aufbauen, die bereits jetzt durch die Risse der Welt der Trennung hindurchstrahlt.
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Der vorliegende Text wurde im März 2020 geschrieben. Übersetzung: Jonas Baud (mithilfe von deepl.com)

Charles Eisenstein ist ein US-amerikanischer Autor und Vortragsredner, der vor allem die Verbindungen zwischen Spiritualität und Wirtschaft erforscht. Seine jüngsten Bücher: Climate — A New Story; The More Beautiful World Our Hearts Know Is Possible; The Ascent of Humanity; Sacred Economics. Auf deutsch im Scorpio-Verlag erschienen.

12. April 2020
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