«Mantelerlass» – was dahinter steht und warum das Referendum gelingen muss

Was Verfassungsbrüche mit der politischen Schweiz anrichten, haben wir in der Pandemie erlebt. Mit dem sogenannten Mantelerlass sind nun Natur und Landschaft an der Reihe.

Gemäss Richtplan sollen zwischen Teufen und St. Gallen knapp 250 Meter hohe Windräder aufgestellt werden. (Fotomontage: pro Landschaft arai)

Der «Mantelerlass» tönt irgendwie erwärmend. Aber es ist ein Bundesgesetz, und dieses hat es in sich: Obwohl durch die Verfassung geschützt, sollen Stromerzeugungsanlagen auch in Schutzgebieten von nationaler Bedeutung gebaut werden können. Wie massiv der Eingriff in die Landschaft sein wird, zeigt der Richtplan, der auf dem Höhenzug zwischen Teufen und St. Gallen neun, knapp 250 Meter hohe Windräder vorsieht.

Die Verschandelung ist einmalig, das Kosten-Nutzen-Verhältnis unterirdisch und die Beugung des rechts symptomatisch: Der Kanton st. Gallen hat dazu ein Naherholungsgebiet kurzerhand zur Industriezone umklassiert.

Bereits der Titel ist irreführend: Der «Einheitliche Änderungserlass für eine sichere Stromversorgung aus erneuerbaren Energien», verabschiedet von den Eidg. Räten am 29. September 2023, kann die Sromversorgung mit Erneuerbaren gar nicht sichern.

Die Erneuerbaren produzieren Flatterstrom – Ausnahme Wasser –, und damit lässt sich beim besten Willen in Ermangelung massiver Speicherkapazitäten die Versorgung nicht sichern. Sonne und Wind bleiben noch auf längere Zeit komplementär.

Der Mantelerlass verstösst gegen mehrere Verfassungsartikel, wie Prof. Alain Griffel von der Universität Zürich in einem Schreiben festhält.

«Ein genereller Vorrang des Interesses an der Erzeugung erneuerbarer Energien vor allen anderen Interessen, insbesondere solchen des Naturschutzes … verstösst in verschiedener Hinsicht gegen die Bundesverfassung.»

Prof. Alain Griffel: Beurteilung der Verfassungsmässigkeit des sog. «Mantelerlasses». 7.10.2023


Die Verfassung kann man jederzeit ändern, dafür gibt es Verfahren; die Gesetzesänderung gehört nicht dazu.
Der Bund greift mit dem Erlass zudem in die Raumplanungskompetenz und die Bewilligungsverfahren der Kantone ein, wozu ihn die Verfassung nicht legitimiert.

Der Bundesrat erhält im Weiteren weitgehend freie Hand, auf Verordnungsebene zusätzliche Massnahmen aller Art zu beschliessen, gegen die kein Referendum möglich ist. So kann er über die Verkürzung der Bewilligungsverfahren die ohnehin eingeschränkte Mitsprache der Bevölkerung weiter unterminieren.

Energieminister Rösti fasst zusammen:

In allen Stromproduktionsbereichen haben wir einen Vorrang gegenüber dem Naturschutz … Die Güterabwägung zwischen Nutzen und Schutz ist gemacht. Das heisst, dass das nicht am Schluss die Gerichte machen müssen.

Aber es sind nicht Verstösse gegen die geltende Rechtsordnung, die die Bürgerinnen und Bürger wütend machen. Es sind vor allem die riesigen, weithin sichtbaren Anlagen mit ihrer Botschaft: Du kannst dich hier nicht mehr zuhause fühlen; das Land gehört den Stromkonzernen.

Dazu verbreiten sie Unwahrheiten. Die Axpo – im Besitz der nordostschweizerischen Kantone! – schreibt etwa zum Mantelerlass: «Insbesondere Solar- und Windenergie haben das Potenzial, einen Grossteil des zusätzlichen Strombedarfs … langfristig zu decken.»

Das ist weniger als die halbe Wahrheit. Die Axpo weiss haargenau, dass Wind und Sonne nur Flatterstrom liefern. Für die sichere Versorgung braucht es Bandenergie oder Wasser-, bzw. Gaskraftwerke, die kurzfristig eingeschaltet werden können, mit einer Kapazität, die tendenziell dem gesamten Flatterstrom gleichkommt.

Die grossen Windturbinen sind nicht nur für Vögel tödlich und für Menschen grässlich, sie verursachen auch echte Umweltschäden. Pro Turbine müssen Waldflächen von der Grösse eines Fussballfeldes gerodet und je 7000 Tonnen Aushub und Stahlbeton transportiert werden. Für die dazu erforderlichen 600 Fahrten mit (dieselbetriebenen) LKWs müssen Strassen gebaut und wintertauglich gehalten werden.

Die Lebensdauer der Windräder ist begrenzt. Gerade mal 16,5 Jahre alt waren die Anlagen im Durchschnitt, die 2017 in Deutschland stillgelegt wurden, hat die «Fachagentur Wind an Land» errechnet.

Dazu kommt: Windkraftanlagen sind in der Schweiz – und an vielen Orten in Europa – nur dank garantierten Einspeisevergütungen rentabel zu betreiben. Rentabel für den Betreiber heisst noch lange nicht wirtschaftlich für die Allgemeinheit, die solche Anlagen über erhöhte Strompreise letztlich bezahlt.

Selbstverständlich verstecken sich im Mantelerlasse auch ein paar wirklich gute Neuerungen. Zum Beispiel wird der sogenannte «Zusammenschluss zum Eigenverbrauch» (ZEV) nicht mehr wie bis anhin behindert, sondern sogar gefördert. Ein ZEV ermöglicht die gemeinsame Nutzung von Solaranlagen und so die optimale Nutzung des selbst erzeugten Stroms.

Quelle: Solarspar

 

In einem grösseren Zusammenschluss findet sich immer ein Verbraucher, sodass die Stromernte den Umweg über das nationale Netz der Swissgrid, der den Preis schlagartig verdoppelt, nicht nehmen muss. Solche ZEVs, die sich innert weniger Jahre amortisieren, können jetzt sogar das öffentliche Netz verwenden. Aber dazu muss nicht die Verfassung gebrochen und schon gar nicht die Landschaft verschandelt werden.

Obwohl der Mantelerlass den schwerwiegendsten Eingriff in den Natur- und Landschaftsschutz seit Jahrzehnten darstellt, ergreifen die Naturschutzorganisationen das Referendum nicht. Vermutlich sind sie so intensiv mit der Klimapolitik imprägniert, dass sie lieber das Kohlendioxid reduzieren als die Natur zu retten, in der wir leben. Ausnahme ist die relativ mächtige Fondation Franz Weber.

So wird denn das Referendum vom neu gegründeten «Bündnis Natur und Landschaft» getragen. Präsident ist Pierre-Alain Bruchez (Hilterfingen). Prominente Gründungsmitglieder sind Hans Weiss, ehem. Direktor der Stiftung Landschaftsschutz und Philippe Roch, ehemaliger Direktor des Bundesamtes für Umwelt und des WWF.

Das Bündnis braucht zweifellos jede mögliche Unterstützung. Vor allem die machtentscheidende Unterschriftensammlung auf der Strasse braucht wetterfeste, selbstständige Menschen, die auch ohne grosse organisatorische Unterstützung zur Sache gehen. Die Referendumsfrist läuft am 18. Januar ab.

Unterschriftenbogen und Informationen
Weitere Informationen: https://www.pro-landschaft-arai.ch