Ökoinsel El Hierro: 100 Prozent erneuerbar

Das Gute von Ute

Die kleinste kanarische Insel, El Hierro, versorgt sich seit dem 27. Juni zu 100 Prozent selbst mit erneuerbarer Energie. Seitdem liefert das Pumpspeicherkraftwerk «Gorona del Viento» Windstrom sowie  – in einmaliger Kombination – auch Trinkwasser an die knapp 11‘000 Insulaner.
Ein riesiger Lorbeerbaum hat die «Bimbache», die Ureinwohner von El Hierro, angeblich mehrfach vor dem Verdursten gerettet. An den Blättern des legendären «Wasserbaums» kondensierte so viel Feuchtigkeit aus den Atlantikwinden, dass sich Tümpel unter ihm bildeten. Deshalb ist der Garoé, wie der heilige Baum genannt wird, heute noch das Insel-Wahrzeichen. «Der Garoé des 21. Jahrhunderts ist unser Pumpspeicherkraftwerk. Es kämmt mit Windkraft ebenfalls Wasser aus dem Himmel», erzählt Juan Manuel Quintero, der Chefingenieur der Anlage.

Fünf riesige Windanlagen liefern knapp zwölf Megawatt Strom – weitaus mehr, als die Spitzennachfrage von etwa sieben Megawatt auf der gesamten Insel erfordert. Mit dem Stromüberschuss werden vor allem nachts drei Meerwasser-Entsalzungsanlagen betrieben, die früher mit teurem und dreckigem Dieselöl Süsswasser herstellten. Elektropumpen befördern das kostbare Nass über zwei Röhren in ein Becken auf etwa 700 Meter über dem Meeresspiegel. Dieser frühere Vulkankrater dient nun als Energie- und Wasserspeicher. Wenn der Wind nicht weht, was selten vorkommt, rauscht Wasser in ein 150 Meter tiefer liegendes Becken und treibt Stromturbinen an. Die abgelegene Atlantikinsel, die zu Spanien gehört und den südwestlichsten Punkt Europas darstellt, übersteht damit vier Tage Flaute. Die Inselgemeinde, die in der Vergangenheit mehrfach von dramatischer Wasserknappheit heimgesucht wurde, hält einen Anteil von 60 Prozent an dem modernen «Wasserbaum», Gewinne sollen reinvestiert werden.


El Hierro schlägt damit einen deutlich anderen Weg ein als die benachbarten Inseln, vor allem das mit touristischen Bettenburgen zugebaute Teneriffa. Seit den 1990er Jahren erarbeitete eine visionäre Inselregierung Pläne zur «nachhaltigen Entwicklung». Die einmalige Inselnatur mit ihren bizarren Vulkankegeln und Lorbeerwäldern sollte geschützt und nur sanfter Tourismus gefördert werden, seit 2000 ist das Eiland offiziell UNESCO-Biosphärenreservat.
Auch die Landwirtschaft, die vor allem Wein, Bananen, Ananas und Ziegenkäse produziert, soll sukzessive auf Bio umgestellt werden. Die rund 6‘000 Fahrzeuge auf der Insel sollen bis 2020 vollständig mit der Energie fahren, die der «Wasserbaum des 21. Jahrhunderts» aus dem Himmel holt und in Grünstrom verwandelt. Eine innovative Infrastruktur sieht Elektroaufladestationen sowie die Förderung von Bussen, Radwegen und Gemeinschaftsautos vor. Sämtlicher Abfall, der bisher noch größtenteils nach Teneriffa exportiert wird, soll irgendwann recycelt werden. Die Mülllaster fahren bereits jetzt mit aufbereitetem Biodiesel aus altem Speise- und Frittieröl etwa von Restaurants.
Ein großer Teil der Bevölkerung unterstützt die Ökopläne. «Das ist doch unsere einzige Perspektive», sagt ein Restaurantbesitzer. Das hindert ihn allerdings nicht daran, die Überreste der Mahlzeiten seiner Gäste ohne jede Mülltrennung zu entsorgen.