Abtreibungsstreit: «Freiheit, Freiheit über alles»
So könnte man das Motto der Frauenbewegung formulieren. Nicht die Freiheit, Kinder zu bekommen und sich auch um diese zu kümmern, das wäre das völlig falsche Frei. Das richtige Frei ist, nur an die eigene Karriere zu denken. Ohne einen Gedanken an den Rest der Menschheit oder die eigenen Gefühle. Das macht zwar vermutlich nicht glücklich, aber immerhin nicht arm. Dazu passt die Forderung, Abtreibung rechtlich einem Gang zum Friseur gleichzustellen. Was Frauen viel mehr schaden würde, als ihnen zu nutzen.
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Foto: Getty Images

Wie ist das: Darf eine Frau wirklich ganz allein entscheiden, was sie mit ihrem Bauchinhalt so anstellt? Wäre es zum Beispiel moralisch okay, wenn Frauen gezielt Mädchen abtreiben, weil sie lieber Söhne haben? In der zehnten Woche zum Arzt gehen, um sich sagen zu lassen, was es denn wird: ein Junge oder eine Abtreibung? Oder regt sich da doch ein Störgefühl? Und falls ja: warum? Wenn Embryonen nur Zellklumpen ohne jegliche Rechte sind, warum soll eine Frau nicht frei entscheiden dürfen, ob sie die nächsten achtzehn Jahre eine Tochter oder einen Sohn grossziehen möchte? Her body, her choice? 

Oder eine andere Möglichkeit: Embryonen sind begehrte Forschungsobjekte. Darf eine Frau schwanger werden und ihren abgetriebenen Fötus dann verkaufen? Vermutlich dürfte selbst die hartgesottenste Radikalfeministin hier Bedenken erheben. Natürlich darf man nicht gezielt Mädchen abtreiben. Und natürlich darf man keine Embryonen verkaufen. Und wenn wir mal eine Sekunde ehrlich sind, dann liegt der Grund darin, dass diese kleinen Wesen leben. Dass sie einen Herzschlag haben und es sehr viel gewichtigere Gründe braucht, sie abzutreiben als ein schneller Euro oder eine Vorliebe für ein bestimmtes Geschlecht. 

Doch diese Ehrlichkeit ist derzeit verpönt: Wer erwähnt, dass Föten die Stimme ihrer Mutter erkennen, ist entweder eine Vertreterin des Patriachats oder doch zumindest rechtsradikal. Ach so, oder katholisch. Da wurde ich doch neulich ernsthaft gefragt: Sag mal, bist du eigentlich katholisch? Nein, bin ich nicht. Aus diesem Verein bin ich ausgetreten, kaum dass ich erwachsen war.

Und um das gleich zu Beginn klarzustellen: Ich bin auch keine Pro-Life-Vertreterin. Ich denke nicht, dass man Frauen dazu zwingen sollte, eine ungewollte Schwangerschaft auszutragen, Gott bewahre! Aber ich halte Abtreibung für einen schweren und folgenreichen Schritt. Manchmal bietet einem das Leben nicht die Möglichkeit, sich richtig zu entscheiden. Manchmal bleibt nur die Wahl für das kleinere Übel. Dafür muss man aber nicht so tun, als wäre Abtreibung nur eine unwichtige Nichtigkeit, kaum der Rede wert. Das ist unehrlich und lässt Frauen in einer schwierigen Situation im Stich. Und, um hier einmal so richtig provokant zu werden: Ich glaube, die ersatzlose Abschaffung des §218 wäre in letzter Konsequenz massiv zum Schaden von Frauen.

Was würde sich denn ändern, wenn der §218 gestrichen würde? Abtreibung wäre dann legal. Man dürfte dafür werben, sie wäre einfach eine Dienstleistung. Heute sind Abtreibungen grundsätzlich strafbar, Frauen werden aber straffrei gestellt, wenn sie während der ersten zwölf Wochen abtreiben. Das klingt wie ein ziemlich komisches Konstrukt, strafbar, aber straffrei gestellt, und man fragt sich schon: Wozu die Verrenkung und kann man das nicht gleich durch eine saubere Fristenlösung ersetzen? Aber dieser Umweg hat wichtige Auswirkungen.

Erstmal würde mit der Abschaffung des §218 die Beratungspflicht wegfallen. Bislang muss man dort hingehen, die Entscheidung liegt aber ganz allein bei den Frauen. Es weiss wohl jeder, der bis drei zählen kann, dass an dem Tag, an dem die Fristenregelung eingeführt wird, auch gleich die Mittel für die Beratungen gestrichen werden. Frau müsste zusehen, wie sie mit ihrer Entscheidung allein klarkommt. Davon abgesehen, sieht es für mich nicht so falsch aus, dass Frauen, die trotz Aufklärung in der Schule und der Möglichkeit der Empfängnisverhütung sowie der Pille danach ungewollt schwanger werden, mal mit einer emphatischen Zuhörerin über ihre Situation reden. Da gibt es vielleicht doch oft einiges zu besprechen?

Es ist auch kein Zufall, dass die FDP die Frage der Straffreiheit von Abtreibungen an die Erlaubnis zur Leihmutterschaft koppelt. Wenn wir erstmal juristisch niedergelegt haben, dass ein Embryo nichts Besonderes ist, nur ein paar Zellen ohne jede eigene Rechte, kann die Frau ja auch beginnen, ihren Uterus zu vermieten. Und den Embryo zur Handelsware machen. Warum eigentlich nicht, wo das doch alles gar nichts bedeutet? 

Vielleicht wäre es an dieser Stelle nicht schlecht, nochmal zurückzudenken an die alte Forderung, Prostitution nicht mehr als sittenwidrig zu klassifizieren, um die Huren zu entkriminalisieren. Hand aufs Herz, was ist durch die Streichung der Sittenwidrigkeit passiert? Deutschland ist zum Bordell Europas verkommen. Frauen haben jetzt die ach so grosse Freiheit, ihre Vagina und andere Körperöffnungen vermieten zu dürfen. Oder sie können das Zuhälter «für sie» machen lassen. Es hat ihren Körper ganz legal zur Handelsware degradiert. Und zu einem noch grösseren Elend bei den Prostituierten geführt, da würde wohl kaum einer widersprechen. Streichen wir den §218, um «endlich abtreibende Frauen zu entkriminalisieren», dürfen sie zusätzlich zu ihrer Vagina auch noch ihre Gebärmutter vertickern. Echt jetzt?

Noch wichtiger aber ist die Streichung der Strafbarkeit für künftige Unterhaltsansprüche. Eine Straftat nicht zu begehen, kann niemals negative juristische Auswirkungen auf eine Person haben. Entscheidet sich eine Frau also gegen eine Abtreibung und für ihr Kind, können ihr bei Strafbarkeit keine Unterhaltsansprüche aberkannt werden. Auch wenn der Kindesvater das Baby und die Verpflichtung nicht möchte und auf einen Schwangerschaftsabbruch drängt. Weil der §218 anerkennt, dass es eben nicht nur so ein kleiner Zellklumpen ist. 

Das ist auch der Grund, warum Männerrechte-Vertreter sehr für eine Straffreiheit von Abtreibungen sind. Wenn Schwangerschaftsabbruch rechtlich mit einer Zahnreinigung gleichgestellt wird, dann ist die Frau zwar noch immer allein für die Entscheidung verantwortlich, denn ihr Bauch gehört ja ihr – aber eben durchaus auch für die Folgen. Denn sie hätte schliesslich auch abtreiben können. Wenn sie meint, hier einen auf Mutter machen zu wollen: tja, ihr Problem. Der Mann wäre dann fein raus und sie hätte die finanziellen Folgen allein zu bewältigen. Sex ohne jegliches Restrisiko für ihn, einfach traumhaft. Und ihr erklärt man halt, da wäre ja wohl nichts dabei. 

Und das passt sehr gut hinein in das Bild der ach so befreiten Frau, wie es die moderne Welt fordert: Sie hat sicherzustellen, dass Sex unverbindlich, unkompliziert und folgenfrei ablaufen kann. Jederzeit. Empfängnisverhütung, möglichst eine Variante, die die Monatsblutung unterbindet, weil igittigitt. Schamhaare ab, denn sie könnten stören; Sex beim ersten Date, klar, wenn er das so will. Ansprüche und Wunsch nach Beziehung – natürlich nicht. Bereit sein, alles mit sich machen zu lassen, und so tun, als hätte man mit Würgen oder so kein Problem, denn sonst wäre man ja verklemmt und vielleicht ein enttäuschendes Date. Sollte es bei dieser sterilen, kurzen und unverbindlichen Begegnung doch zu ungewünschten Nebenwirkungen kommen: Einfach abtreiben, Alte, macht doch nichts. Das ist ja wohl das Mindeste, was er von ihr erwarten kann.

Am besten mit einer Abtreibungspille, die ist nicht nur spottbillig, die kann sie auch freitags einschmeissen, dann übers Wochenende die Überreste ihres Kindes auskrampfen und -bluten, um dann am Montag wieder frisch frisiert (oben und unten bitte, weil hey!) am Arbeitsplatz zu erscheinen. Und immer lächeln! So verliert man keinen Arbeitstag, und ein Beratungsgespräch braucht man ja eh nicht, sagt Frau Brosius-Gersdorf. Und dann noch ein paar Überstunden, weil Girl-Boss und abends ab auf Tinder. Zack-zack, das ist Befreiung, kapier das doch. 

Hat sie dann doch das Gefühl, gerade einem beginnenden Leben das Ende bereitet zu haben, fühlt sich hohl und jämmerlich, dann kommt frau von allen Seiten unter Beschuss und ja – am stärksten von der Seite, die sich angeblich für ihre Rechte einsetzt: der Frauenbewegung. Man solle sich bloss kein schlechtes Gewissen einreden lassen, kann man in der Emma lesen. Und wehe, frau hat doch eines! Dann bescheidet einem Alice Schwarzer: «Frauen wollen im 21. Jahrhundert Wunschkinder oder keine. Das ist der einzige Weg. Für Mütter wie Kinder.» 

Der einzige Weg also. Wenn nicht Wunschkind, dann weg damit. Das sei die einzige Lösung – nicht nur für Mütter, Schwarzer versteigt sich sogar zur Behauptung, das sei der einzige Weg für Kinder, deren Herzschlag da ein Ende bereitet wird. Aber ach so, da reden wir ja nicht darüber. Also liebe Frauen, weiter an der Karriere basteln und ja nicht traurig sein. Gefühle sind irgendwie eh so ein weibliches Fehlverhalten, das stört bloss bei dem Griff nach der Macht.

Also warum sollten wir jetzt genau für die Abschaffung des Paragraphen 218 eintreten? Damit die Beratungen gestrichen werden? Damit die Möglichkeiten, Notlagen von Frauen auszunutzen und Profit aus ihrer Gebärmutter zu schlagen, gestärkt werden? Damit Männer keinen Unterhalt mehr zahlen müssen? Ich würde so gerne mal einen vernünftigen Grund hören, was denn besser würde durch die Streichung. Weil die Gründe, die man in der Emma lesen kann, können doch nicht wirklich ihr Ernst sein. Da bekommt man tatsächlich zu lesen, bayerische Frauen müssten nach Berlin fahren, weil man in Bayern nicht abtreiben könne (siehe obige Quelle). Da wüsste ich doch gerne mal einen Fall, der nicht über dreissig Jahre zurückliegt. Bayern hat als Bundesland die zweitmeisten Abtreibungen in Deutschland. 

Und Frauen müssten angeblich bei der Beratung bitte-bitte sagen. So ein Käse. Frauen haben das Recht, in den ersten zwölf Wochen straffrei abzutreiben. Sie müssen zu einer Beratung gehen (und diese gesetzliche Verpflichtung sichert auch die Finanzierung ab), die Entscheidung liegt aber ganz allein bei der Frau. Ich sehe beim besten Willen nicht, was Frauen von der Abschaffung des Paragrafen 218 haben sollen. Transhumanisten, klar. Männerrechtsvertreter, logisch. Abtreibungsanbieter, ok. Aber schwangere Frauen?

Und es sieht so aus, als wäre die Abtreibungsfrage hier nur die Spitze des Eisberges. Sie ist ein Teil der Fruchtbarkeit von Frauen, ohne Zweifel der weniger schöne. Der wunderbare Teil ist es, dass Frauen schwanger werden können. Dann entsteht nicht nur ein Baby, sondern auch eine Mutter. Und ich habe nicht den Eindruck, dass die Welt heute viel übrig hat für Frauen, die gerne Mütter sein wollen. Jedenfalls nicht, wenn sie es wagen sollten, sich auch noch um ihr Kind kümmern zu wollen. Frauen, die zu Hause bleiben, werden heute mit ähnlich viel Abfälligkeit behandelt, wie das für den Durchschnitts-Chauvi in den fünfziger Jahren selbstverständlich war. Dummes Heimchen am Herd. Kinder werden hier nicht als eine Erfüllung gesehen, sondern als Hemmschuh. Und wenn man das Glück einer Person über ihre Rentenansprüche definiert, stimmt das ja auch – obwohl, war da nicht was? Ohne Kinder gibt es niemanden, der die Rente zahlen kann? Hm.

Sollte die Frau also wirklich so blöde sein, irgendwann ihre Fortpflanzungsorgane benutzen zu wollen, dann ist es heute erstmal wichtig, den Karriereknick zu vermeiden, nicht dass man hinter den Männern zurückfällt. Bloss keine Halbtagsfalle. Also das Baby in die Kita, fünfzig Stunden mindestens, weil sie ja mindestens vierzig Stunden arbeitet, eigentlich noch mehr wegen der Karriere, dann noch die Mittagspause und die Fahrtzeit. 

Fünfzig-Stunden-Woche für das Kleinkind klappt eigentlich nur, wenn Mama und Papa zusammenhelfen. Ist die Mutter alleinerziehend, darf es gerne noch was mehr sein. Sollte das Kind krank werden, gibt es Paracetamol, das senkt das Fieber und ab in die Kita, weil frau muss ja zuverlässig sein. Wenn abends gar nichts mehr geht, gibt es für das Kleine noch ein IPad, da sind die Kinder noch ein paar Stunden still vorm Bettgehen. Weil Haushalt und Steuererklärung und Einkaufen.

Und das alles soll weibliches Empowerment sein? Und das ist das Bild einer befreiten Frau? Echt jetzt? Allzeit bereit? Fortpflanzung als Knopf zum ein- und ausschalten, so ganz mechanisch? Und nur ja nicht um die eigenen Kinder kümmern? Gruselig. Für die Kinder sowieso. Aber doch auch für die Mütter.

Die Philosophin Kathleen Stock vermutet, dass hinter der aggressiven Behauptung vieler Frauen, dass Embryonen nur Zellklumpen und ganz unwichtig seien, viel schlechtes Gewissen verborgen ist. Von Frauen, die diesen Schritt gemacht haben und jetzt krampfhaft sich selbst und andere davon überzeugen wollen, dass das so schon okay war. Ich bin mir da nicht so sicher. 

Mein Eindruck ist eher, dass sich der in den Siebziger Jahren völlig verständliche Schrei der Frauen nach mehr Freiheit irgendwie verselbständigt hat. Jetzt wird mehr und immer noch mehr davon gefordert und alles in Bausch und Bogen verteufelt, was diese Freiheit einschränken könnte. Nur ja keine Care-Arbeit, die macht einen unfrei. Und das stimmt ja auch. Wenn das Baby nachts Hunger hat, dann ist es mit der individuellen Freiheit der Mutter nicht mehr weit her. Da beginnt der Busen einfach zu tropfen und wer kein nasses Bett möchte, legt das Baby mal lieber schnell an. 

Klar bringt Teilzeit nach Kindern einen Karriere-Knick, und der bringt wiederum Abhängigkeit vom Kindsvater. Wer ganz frei sein möchte, sollte verhüten, sich nicht binden, im Notfall einfach abtreiben und immer versuchen, das Hamsterrad als Karriereleiter zu interpretieren. Am freiesten ist man ganz allein. Das ist alles sachlich richtig. Und doch kommt es mir so vor, als wären wir hier mit Volldampf am Wesentlichen vorbeigerauscht. 

Frausein muss doch wohl mehr bedeuten, als die schlabbrigen Körperteile im Vergleich zu Männern weiter oben zu haben. Weiblichen Geschlechts zu sein, bedeutet üblicherweise, Eierstöcke und eine Gebärmutter zu haben. Und die sind grundsätzlich dazu da, Kinder zu bekommen. Die Brüste hängen da rum, um Babys stillen zu können. Kinder zu bekommen, ist ein Wunder. Es ist eine grossartige Fähigkeit, die bei vielen Frauen mit unglaublichen Glücksgefühlen verbunden ist. (Allein schon, wenn ich mir hier beim verbalen Rumeiern zuhöre: üblicherweise, grundsätzlich, viele! Um nur ja keiner Frau auf die Füsse zu treten, die keine Kinder haben möchte. Wer nicht will, soll ordentlich verhüten und es bleiben lassen, keine Frage. Aber Babys machen halt glücklich. Auch wenn sie viel Arbeit machen und die Freiheit in einem Masse einschränken, das wirklich ganz unglaublich ist.) Das grosse Glück von eigenen Kindern ist ein noch schlimmeres Tabu als der Herzschlag von Föten. Fruchtbarkeit tritt nicht als etwas Positives auf, sondern als Fallstrick auf dem Weg zur totalen Freiheit.

Und bei all dem «Freiheit, Freiheit über alles»: Bleibt da nicht vielleicht sehr, sehr viel auf der Strecke? Die Kinder zum Beispiel. Deutsche Kitas sind eine Schande – das wäre definitiv einen eigenen Artikel wert. Und auch das ein Tabu: Während wir alle irgendwie schon wissen, dass Pflegeheime keine schönen Orte sind, sprechen wir nie von der Situation der Kitas. Die sich übrigens auch je nach Wohnviertel sehr unterscheiden – Bildungsbürger bekommen Plätze in besseren Kitas. Viele haben vermutlich noch nie eine von innen gesehen: Tütensuppenfrass für 2,25€ pro Tag (und ja: da sind die Kosten für die Nahrungsmittelfabriken, das Personal, den Transport und das spätere Erhitzen des Tiefkühlfrasses mit drinnen), «Fachkräfte», die nicht vom Fach sind, IPads in allen Gruppen, um die Kinder still zu bekommen, offene Gruppen, wo selbst kleinste Kinder keine verlässliche Bezugsperson mehr haben. 

Und davon wollen wir echt noch mehr? Mich wundert es überhaupt nicht, dass Gen Z und Generation Alpha solche Schneeflöckchen sind, mit so vielen Angststörungen und Dachschäden, die nichts mehr aushalten. Sie haben als kleine Kinder wenig emotionale Stabilität kennengelernt, wie sollen sie jetzt den Stürmen des Lebens trotzen? Niemand setzt sich explizit für schlechte Kitas ein, aber die Forderung nach mehr Qualität habe ich schon lange nicht mehr gehört. Mehr Quantität, klar. Längere Öffnungszeiten, flexiblere Öffnungszeiten, billigere Kitaplätze. Aber kindgerechte Betreuung? Wohl kaum. Denn um die Kinder geht es ja gar nicht. Die sind nur der Sand im Karrieregetriebe ihrer Mütter. 

Es ist ein Jammer, dass Fruchtbarkeit und Mutterschaft in unserer Gesellschaft so ein schlechtes Standing haben. Denn das schliesst sehr, sehr viele Frauen aus. Die sich Kinder wünschen und eine Familie (uups, noch so ein Tabu!). Die sich die Zeit nehmen wollen, ihre Kinder in Liebe grosszuziehen und nicht maximal abzudrücken. Frauen haben in den letzten beiden Jahrzehnten nicht gewonnen, sie haben viel verloren. Sie machen noch immer den Grossteil der Hausarbeit und reissen zusätzlich einen Job. Ihnen wurden die Unterhaltsansprüche bei einer Scheidung gekürzt und zusätzlich zu den geringeren Pflichten haben die Kindsväter mehr Rechte erhalten, Männer dürfen sich jetzt Frauen nennen und deren Räume erobern, die Digitalisierung mit der Porno- und Tinderindustrie war eine Katastrophe für Frauen, die Sicherheit im öffentlichen Raum ist am Boden. Jetzt wird das Ehegatten-Splitting abgeschafft, damit Familien noch mehr Steuern zahlen, falls sie es wagen, nicht beide ganztags zu arbeiten. Witwenrenten werden deutlich kleiner ausfallen. Ach ja, und sollte eine Frau sich Zeit genommen haben, ihre Kinder grosszuziehen, wird jetzt diskutiert, dass sie für die Rente halt länger arbeiten soll. Charmante Idee, findet Bärbel Bas.

Da wäre es doch schön, wenn wir wenigstens nicht auch noch die Gebärmutter für Angebot und Nachfrage freigeben würden. Der §218 ist ein guter Kompromiss, denn er schützt Frauen und lässt ihnen trotzdem die freie Wahl. Und das ist gut so. Alice Schwarzer hat auf der Frauenkonferenz Heroica gesagt, die jungen Frauen hätten gar kein Interesse mehr daran, den Paragrafen 218 abzuschaffen. Aber das ist doch wunderbar! Denn dann können wir uns vielleicht mal den Themen zuwenden, die wirklich brennen. Und nicht den Vertretern von Männerrechten und Fruchtbarkeits-Vermarktern weiter warmen Wind unter die Flügel pusten mit der Behauptung, das, was sich da in der Gebärmutter abspiele, sei eh nur ein unwichtiger Klacks. 
 

Anne Burger

Anne Burger

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