Der Veteran lebt in einem Camp, das unter dem Namen «Veterans Row» bekannt ist – ein Ort, an dem Zelte in US-Flaggen gehüllt sind und Passanten daran erinnert werden, wie oft das US-Militär Menschen zerkaut und dann ausspuckt. Der Mann beginnt, den Text eines alten Rekrutierungswerbespots der Armee zu rezitieren; der Film blendet zu eben diesem Werbespot über, in dem derselbe Mann als junger Soldat zu sehen ist. Er kennt noch immer jede Zeile auswendig.
Earth’s Greatest Enemy ist ein Dokumentarfilm über die Klimakrise und den Imperialismus – darüber, wie das US-Militär als grösste Institution den Planeten in den ökologischen Kollaps treibt. Auf den ersten Blick scheint die Geschichte eines obdachlosen Veteranen nichts mit diesem Thema zu tun zu haben. Doch im Verlauf des Films zeigt Martin mit grosser Präzision, dass die Zerstörung der Umwelt durch das US-Militär nicht nur die Natur um uns herum schädigt, sondern auch uns selbst – wie etwa in Szenen, die das verseuchte Wasser in Camp Lejeune thematisieren.
Der Film zeigt das unvorstellbare Ausmass des ökologischen und menschlichen Leids, das durch Militarismus verursacht wird. Er berichtet von den Kosten der Kriege für die Ozeane, für die Tier- und Pflanzenwelt, für das Süsswasser und vieles mehr. Für jeden, der im Bauch dieser ungeheuerlichen militärischen Maschinerie lebt, sollte Earth’s Greatest Enemy Pflichtprogramm sein.
Ein Abschnitt des Films fokussiert die Zerstörung der Meere durch das US-Militär, insbesondere während der von den USA geführten RIMPAC-Manöver – den grössten maritimen Militärübungen weltweit. Kampfjets vom Typ Growler donnern über den Pazifik, während ausrangierte Schiffe in offenen Gewässern gesprengt werden. Sie feuern scharfe Munition ab und verschmutzen den Ozean fünf oder sechs Wochen lang ununterbrochen. Martin dokumentiert, wie das Militär in Okinawa Berge sprengt und den Aushub zum Auffüllen von Korallenriffen verwendet, damit das Militär das Land als Teil einer Militärbasis nutzen kann. Eine der überraschendsten Enthüllungen des Films: Das US-Militär legt selbst fest, wie viele Meeressäuger es töten darf. All dies wirkt sich auf die Fischerei und die Artenvielfalt der Ozeane aus und auf das Leben von Menschen und Tieren auf der ganzen Welt – am unmittelbarsten natürlich auf die Menschen im Pazifik, sei es in Hawaii, Okinawa oder auf andere Inseln, wo die USA dauerhafte Militärstützpunkte eingerichtet haben.
Earth’s Greatest Enemy untersucht auch die durch das US-Militär verursachte Wasserverschmutzung. Etwa in der Mitte des Films kommt Kim Ann Callan zu Wort, die in den letzten 15 Jahren die Auswirkungen giftiger Abfälle des Militärs in Camp Lejeune aufgedeckt hat. Über Jahre hinweg vergiftete das Militär dort das Grundwasser, was wiederum die Familien der Militärs vergiftete. Infolgedessen erkrankten ganze Familien an Krebs, was die Armee zu vertuschen versuchte. Die Kamera begleitet Callan über einen Friedhof, auf dem Grabsteine von Säuglingen dicht an dicht stehen – viele mit der Inschrift «geboren und gestorben» am selben Tag. Manche Familien verloren gleich mehrere Babys durch Krankheiten, die auf Umweltverschmutzungen des Militärs zurückzuführen sind.
Callan reflektiert:
Als ich damit anfing, hatte ich eine ganz andere Vorstellung vom Militär. Und ich hatte grossen Respekt vor dem Militär … Heute habe ich keinen Respekt mehr weder vor der Regierung noch vor dem Militär.»
Die Vergiftung von Militärfamilien auf ihren Stützpunkten ist kein Einzelfall: Der Film deckt auf, wie giftig US-Militärbasen weltweit sind – mit ähnlich verheerenden Geschichten in jeder der über 800 Stützpunkte in mehr als 80 Ländern und in Hunderten von Militärbasen innerhalb der USA.
Martin beleuchtet auch, wie konventionelle Kriegsführung den Planeten zerstört – etwa wenn die USA oder ihre Verbündeten, wie Israel, über Wochen oder Monate hinweg ganze Landstriche bombardieren. Oft ist das Ergebnis ein totaler «Ökozid», bei dem den Überlebenden so gut wie nichts mehr zu Ackerbau und Leben bleibt.
Der Film zeigt auch die kumulativen Auswirkungen der im Irak abgefeuerten Kugeln. Konservative Schätzungen gehen davon aus, dass für jeden Menschen, der in den US-amerikanischen Kriegen im Irak und in Afghanistan getötet wurde, mehr als 250 000 Kugeln verwendet wurden. Jede Kugel verbreitet Blei, Quecksilber und abgereichertes Uran in der Luft, im Wasser und in der Erde. Studien wiesen sogar Titanpartikel in den Lungen von US-Soldat:innen und in Haarproben von Kindern in Irak und Afghanistan nach. Die USA führen nicht nur Krieg gegen Luft, Wasser und Land, sondern auch gegen Körper, Blutlinien und Generationen von Menschen.
Das US-Militär zerstört alles Leben – und wofür? Selbst diejenigen, die die Kriege führen, landen nach ihrer Rückkehr letztendlich auf der Strasse.
Am Ende des Films ist die Botschaft unmissverständlich: Das US-Militär ist tatsächlich der grösste Feind der Erde. Es kontrolliert – und bedroht – alles Leben auf diesem Planeten. Doch als Organisator:innen innerhalb der Antikriegsbewegung ist für uns überdeutlich, wie isoliert dieser Kampf vom Rest der Umweltbewegung oft ist. Um für die Zukunft des Planeten zu kämpfen, müssen wir in der Antikriegsbewegung unsere Kräfte mit der Klimabewegung bündeln. Unsere Gegner:innen sind dieselben: Kriegsgewinnler:innen und Politiker:innen, die uns in den Klimakollaps treiben. Die Aktivistinnen und Aktivisten an der Frontlinie des Kampfes gegen diese, durch den Militarismus ausgelöste planetarische Krise – von Hawaii über Okinawa bis Atlanta – haben es verstanden: Der Kampf um das Land ist untrennbar mit dem Kampf gegen den Militarismus verbunden. Wir haben keine andere Wahl, als die politischen, philanthropischen und organisatorischen roten Linien zu durchbrechen, die uns trennen. Denn, wie Martin und Prysner mit empathischem Storytelling und radikal ehrlichem Journalismus verdeutlichen, wird die Kriegsmaschinerie uns am Ende alle einholen. Wir müssen jetzt handeln.
Aaron Kirshenbaum ist Kampagnenleiter der War is Not Green-Initiative von CODEPINK und regionaler Organisator für die Ostküste. Der gebürtige New Yorker lebt in Brooklyn und hat einen Master in Gemeinwesenentwicklung und -planung, zudem einen Bachelor in Human- und Umweltgeographie sowie Stadt- und Wirtschaftsgeographie der Clark University. Während des Studiums engagierte er sich in der internationalen Klimagerechtigkeitsbewegung, in der Entwicklung von Bildungsprogrammen sowie für Palästina, Mieterrechte und die Abschaffung der Todesstrafe.
Danaka Katovich ist nationale Co-Direktorin von CODEPINK. Sie schloss ihr Studium an der DePaul University im November 2020 mit einem Bachelor-Abschluss in Politikwissenschaft ab. Sie ist eine führende Stimme gegen die militärischen Interventionen der USA, setzt sich für den Ausstieg aus Investitionen im Waffengeschäft und kritisiert das wachsende Budget des Pentagon. Ihre Texte erscheinen unter anderem in Jacobin, Salon, Truthout und CommonDreams.
Die Übersetzung aus dem Englischen wurde vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Wir suchen Freiwillige!
Kommentare
Service Citoyen??
Wenn ich obigen Artikel so lese, kann ich nicht nachvollziehen, wie auf derselben Homepage ein Werbebanner für die Service Citoyen Initiative stehen kann, wo es doch u.a. ein erklärtes Ziel der Initiative ist, für genügend Soldat:innen zu sorgen?!
Wieso nicht stattdessen für eine Abschaffung des Militärs, also für die GsOA werben? Das wär doch die logische Konsequenz?!?
Gut Gemeint ist halt eigentlich immer schlecht gemacht, das gilt leider wohl auch für den Service Citoyen. Oder übersehe ich etwas?
Danke und PEACE!