Der Häuptling zittert

Die Deutschland-Zentrale von Unilever hat ungebetenen Besuch bekommen: Vor dem Gebäude des Konzerns campieren indonesische Ureinwohner. Sie protestieren gegen ihre Vertreibung durch den Palmöllieferanten des Lebensmittel-Multis.

Hamburg - Clanchef Bidin ist es definitiv zu kalt in Hamburg. Ausgezehrt steht er am Mittwoch mit seiner Frau Ida und ihrem zweijährigen Sohn vor der Unilever-Zentrale der Hansestadt. Mit ihnen zittert das Plakat, das sie in den Händen halten: «Rama - Landraub zum Frühstück» steht da drauf. Auf einem anderen ist zu lesen: «Unilever's Palmöl zerstört Regenwald.»

Bidins Heimat war der Wald, der indonesische Urwald auf der Insel Sumatra. «Ich bin im Wald geboren und wir leben dort seit der Zeit der Ahnen», sagt der Häuptling aus dem Dorf Sungai Buayan in der Region Jambi. «Weichen werden wir niemals.»
Das allerdings wird schwer. Anfang August hat die berüchtigte Polizeibrigade Brimob die Häuser des Dorfs niedergewalzt und Ureinwohner gefangen genommen. Im Auftrag von Wilmar, einem der größten Palmölproduzenten der Welt. Der Bewohner eines anderen Dorfs hatte zuvor versucht, Palmölfrüchte, die Wilmar für sich beansprucht, zu verkaufen.

Wichtigster Rohstoff der Welt

Mit Hilfe der NGO Rettet den Regenwald und Robin Wood ist es Bidin und einem halben Dutzend Indonesiern gelungen, ihren Protest nach Europa zu tragen. Nicht umsonst haben sie dafür Unilever ins Visier genommen: Mit rund 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr ist der niederländisch-britische Konzern einer der grössten Palmölverbraucher weltweit. Der Schmierstoff in den Früchten der Ölpalme gilt inzwischen als einer der wichtigsten Rohstoffe der Welt. Er steckt in Biodiesel genauso wie in Nutella, Margarine, Shampoos und Hautcremes.

Zwar schmückt sich Unilever mit Öko-Auszeichnungen und dem Versprechen, für nachhaltiges Palmöl zu sorgen. Doch die indonesische Wirklichkeit sieht anders aus: In jeder Stunde fällt auf Sumatra Holz auf einer 88 Fussballfeldern entsprechenden Fläche - meist für Palmölplantagen. Der hohe Pestizideinsatz auf den Monokulturen verseucht Flüsse und das Grundwasser. Genehmigungen für Plantagen gibt es offenbar wie geschmiert: Von den 40.000 Hektar der Wilmar-Plantage Asiatic Persada, wo Bidins Leute vertrieben wurden, seien 20.000 Hektar illegal errichtet, berichten indonesische Zeitungen.

«Werk von Kriminellen»

Wilmar war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. In einem internen Schreiben an seine Kunden tut der Konzern die Auseinandersetzung allerdings als «Werk von Kriminellen» ab. Weiter unten in dem Schreiben gibt Wilmar dann jedoch zu, dass das Landrecht der Indigenen beeinträchtigt wurde - das Unternehmen aber für Kompensation sorge. Wo genau bei dieser Auseinandersetzung die Wahrheit liege sei «schwer zu sagen", windet sich Unilever-Sprecher Merlin Koene. Die Angelegenheit sei «sehr komplex».

Deutlicher wurde Koene in einer internen E-Mail an die Unilever-Mitarbeiter: «Die uns vorliegenden Untersuchungen», heisst es in der E-Mail, «zeigen, dass es in Jambi, Indonesien, in der Tat zu unrechtmäßigen Handlungen eines unserer Lieferanten gekommen ist.» Gemeint ist Wilmar.
Inzwischen aber - und offenbar auch erst nach Aufforderung von Unilever - hat Wilmar immerhin ein Hüttencamp für die Menschen errichtet, die das Unternehmen vorher obdachlos gemacht hatte. Vor die Unilever-Zentrale in Hamburg ist nun auch Merlin Koene gekommen. Er bietet dem frierenden Bidin sein Jackett an, doch der lehnt ab. Er würde den Demonstranten sogar die Duschen im Haus zur Verfügung stellen, sagt Koene. Nur wenn etwas kaputtginge, würde man ihnen die Rechnung schicken.

Die Rechnung schicken - das hätten Bidin und seine Frau eigentlich auch gern gewollt. Eine Entschädigung für ihr zerstörtes Haus haben sie nämlich bis heute nicht bekommen.


Quelle: spiegel.de
18. Dezember 2011
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