Am Tag der Deutschen Einheit, dem 3. Oktober 2025, demonstrierten Friedensfreunde in zwei deutschen Grossstädten: in Berlin und in Stuttgart. In der Schwabenmetropole waren laut Veranstalter, der Friedensvernetzung Südwest, 15 000 Demonstranten versammelt. Etwa 500 Organisationen unterstützten die Friedenskundgebung. Man traf sich zur Kundgebung auf dem zentralen Schlossplatz und zog in einem kilometerlangen Zug durch einen Teil der Innenstadt.
Auffallend viele Ältere, darunter besonders viele Frauen, waren aus dem gesamten Südwesten zur Friedensdemo gekommen, während sich der Anteil der jüngeren Teilnehmer, die doch vom «neuen Wehrdienst» betroffen sind, in Grenzen hielt. Allerdings gab es einen «Jugendblock» im Demonstrationszug mit organisierten jungen Menschen. Auf dem Schlossplatz wurde Informationsmaterial an verschiedenen Ständen verteilt, etwa von Pax Christi, von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und Gewerkschaften sowie Parteien des linken Spektrums, wie etwa der Deutsche Kommunistischen Partei (DKP).
Besinnungsloses Aufrüsten
Sevim Dagdelen, Sprecherin für Aussenpolitik der Gruppe Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), geisselte den Kriegs- und Rüstungswahnsinn der deutschen Regierung, die leichtfertig das Leben der Bevölkerung aufs Spiel setze. Mit dem Ausrufen des «Spannungsfall» hebele man die Grundrechte aus. Sie sprach von «besinnungslosem Aufrüsten». Es hiesse, wir könnten uns den Sozialstaat nicht mehr leisten, aber eigentlich sei es gerade andersherum:«Wir können uns diese Kriegspolitik nicht mehr leisten.» Sie kritisierte die Waffenlieferungen an Israel und stellte fest, dass die Regierung sich damit der «Komplizenschaft im Völkermord» schuldig mache.
We need diplomacy
Per Video war der amerikanische Ökonom Jeffrey Sachs zugeschaltet, der die beiden Friedensdemonstrationen in Deutschland würdigte und die Verträge und Abkommen zwischen Russland und dem Westen aufzeigte, die der Westen gebrochen habe. Er kritisierte auch die Einmischung des britischen Ex-Premier Boris Johnson in die Friedensverhandlungen zwischen Moskau und Kiew 2022 und forderte Diplomatie, Gespräche und ein Wiedererstarken der Stimme des Volkes – «voice of the people». Lothar Binding (SPD) hat das Friedensmanifest des Ex-Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich mit unterzeichnet und forderte bei der Kundgebung eine neue Sicherheitsarchitektur, Erneuerung der Verträge und Abrüstung.
Epochenbruch in der Sozialpolitik
Die prominente Theologin Margot Käßmann, die sich in der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) engagiert, forderte: Nicht Kriegstüchtigkeit sei gefragt, sondern Friedensfähigkeit. Wehrpflicht bezeichnete sie als «Kriegsdienstzwang». Die Alten wollten die Jungen in den Kriegsdienst zwingen und lockten vor allem sozial Benachteiligte mit besonderen Angeboten in die Bundeswehr. Sie verwies auf die Beratungsstellen für Kriegsdienstverweigerer. Es sei ein Hohn, dass Kriegsdienstverweigerer eine Gewissensprüfung durchlaufen, während Kriegswillige ihr Gewissen nicht befragen müssten. Die Kirchen seien immer in die Irre gegangen, wenn sie sich für den Krieg einsetzten und wohlmöglich noch Waffen segneten. Schulkinder bräuchten ausserdem kein Schnupperpraktikum in der Bundeswehr, sondern Friedenserziehung. Die Zukunft unserer Kinder werde nicht durch Atomwaffen gesichert. Käßmann missbilligte die Diffamierung von Pazifisten als Putinversteher etc. Auch die Landesvorsitzende Baden-Württemberg der Gewerkschaft Verdi Maike Schollenberger und Ulrike Eifler von Die Linke sowie Gewerkschafterin übten Kritik am Rüstungs- und Kriegskurs der Regierung. Die Kürzungen im Sozialbereich aufgrund der horrenden Rüstungsausgaben stellten einen «Epochenbruch in der Sozialpolitik» dar und zerstörten fundamentale gewerkschaftliche Errungenschaften. Betroffene Pflegekräfte berichteten vom Militarisierungskurs in den Krankenhäusern.
Die Friedensvernetzung Südwest geht davon aus, dass die beiden nationalen Friedensdemos am Tag der Deutschen Einheit erst der Anfang der Proteste waren.