Jedesmal, wenn ich zum Beispiel – so wie gestern - dem Wort Menschenwürde begegne, sehe ich zwei Polizisten vor mir, die sich in der Bahnhofshalle von Roma-Tiburtina um einen betrunkenen, etwas verwahrlosten Alten bemühten, der auf einer Bank in der Halle offenbar übernachtet hatte.
Warum ich in Roma-Tiburtina auf einen Zug wartete, weiss ich nicht mehr. Aber ich erinnere mich noch an den Namen des Bahnhofs. Und die Bank mit dem alten Mann steht wieder deutlich vor mir.
Ich sass auf der Bank nebenan, hatte Zeit und schaute den beiden Beamten zu, wie sie den Penner mit grosser Geduld zu bewegen versuchten, sich zu erheben, die Bank freizugeben für Wartende und irgendwo sonst seinen Rausch auszuschlafen. Der eine ging vor dem Alten sogar in die Hocke, redete auf ihn ein und anerbot sich, ihm beim Aufstehen zu helfen.
Doch der Betrunkene wollte nicht.
Die beiden Polizisten besprachen sich und beschlossen, es ein zweites Mal zu versuchen. Sie baten den Clochard bestimmt, aber nett, die Sitzbank zu räumen.
Doch der Alte blieb störrisch.
Darauf berieten sich die Gesetzeshüter erneut und blickten sich um, als könnten sie irgendwo Hilfe finden. Sie verbargen nicht ihre Ratlosigkeit, obwohl sie doch berechtigt gewesen wären, den Mann zu packen und mitzunehmen.
Sie taten es nicht. Sie liessen ihn unangetastet.