Mit dem Stadtplan von Paris durch London fahren

Der Verein Ethik und Medizin fragt: Bildet der Medikamentenspiegel wirklich die Krankheitslast einer Praxis ab? 

Medikamente
Rund 70% der Medikamente der Spezialitätenliste sind auf der PCG-Liste gar nicht erfasst. Foto: Julie Viken

Das Konzept überzeugt aufs Erste: Die Medikamente, die eine Praxis verschreibt, lassen Rückschlüsse auf die Morbidität des behandelten Patientenguts zu, sehr präzise Rückschlüsse sogar. Wer etwa eine Patientin oder einen Patienten mit Insulin behandelt, die oder der keinen Diabetes hat, der riskiert die Gesundheit der Patientin, des Patienten, und so verhält es sich mit vielen Medikamenten. Der «Verein Ethik und Medizin Schweiz» (VEMS) hat deshalb das Konzept der Adjustierung durch pharmaceutical cost groups (PCG) befürwortet, welches als Verbesserung der neuen Wirtschaftlichkeitsverfahren verkauft wurde. 

Der Teufel steckt allerdings wie so oft im Detail, und hier ist dieses Detail kein unerhebliches: Mit welcher Liste wird gearbeitet? Man nimmt die PCG-Liste des Bundes. Diese aber wurdee für den Risikostrukturausgleich zwischen den Versicherern entwickelt. Für den VEMS heisst das: Man versucht mit dem Stadtplan von Paris, sich in London zurechtzufinden. Und das sei dann eben nicht besser, als gar keinen Stadtplan zu haben, sondern schlechter, denn damit wird die Willkür der Wirtschaftlichkeitsverfahren auf eine neue Absurditätsstufe gehoben.

Der VEMS hat die PCG-Liste durchgearbeitet und stellt fest: Rund 70% der Medikamente der Spezialitätenliste sind auf der PCG-Liste gar nicht erfasst. Kein Wunder, identifiziere auch das neue Verfahren fälschlich rund 30% der freien Praxen als Überarzter. Und nun könnten die Versicherer auch noch von einer höhere Verlässlichkeit sprechen, denn jetzt sei das Screening ja «verfeinert» worden. Der Ethikrat der öffentlichen Statistik der Schweiz hat das Verfahren bereits 2006 in einer Stellungnahme als «Missbrauch der Statistik» bezeichnet. 

Schlussfolgerung des VEMS: Nicht immer gilt, was lange währt, wird endlich gut. Man sollte den Systemfehler des Verfahrens endlich eingestehen und dieses komplett neu aufsetzen. 

Mehr Informationen: Verein Ethik und Medizin Schweiz, Spitalstrasse 9, 4600 Olten, Tel: 062 212 44 10, www.vems.ch Ein Engagement der Stiftung für Fairness im Gesundheitswesen Fairfond, www.fairfond.ch 


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18. März 2024
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