Schwiegermütter: besser als ihr Ruf

Altes Beziehungsproblem erstmals wissenschaftlich untersucht

Obwohl das Bild der «bösen Schwiegermutter» seit Jahrhunderten und in allen Kulturen existiert, wurde es nie wissenschaftlich untersucht. Die Psychologin Andrea Kettenbach von der Fernuniversität Hagen hat das nachgeholt. In ihrer Doktorarbeit beschreibt sie erstmals vier Typen von Schwiegermüttern, die sich aus ausführlichen Interviews mit 34 verheirateten Frauen herauskristallisierten und bei über 400 weiteren bestätigten. «Die Schwiegermutter ist viel besser als ihr Ruf. Konfliktpotenzial gibt es aber», so das Resümee der Wissenschaftlerin.

Die gute und die böse
Die gute, nette, aufmerksame und fürsorgliche Schwiegermutter, die manchmal von der Schwiegertochter sogar als «gute Freundin» beschrieben wird, ist in Kettenbachs Kategorisierung die «Schwiegermutter Typ eins». Typ zwei ist die aus Sicht der Schwiegertochter gemeine, hinterhältige, sich einmischende und daher böse Schwiegermutter. «Hier gibt es einfach kein Auskommen, sondern nur gegenseitige Ablehnung, was auf Zerrüttungen und ungelöste Konflikte der Vergangenheit zurückgeht», so die Psychologin.

Haltung des Mannes entscheidend
Doch es gibt auch Formen zwischen diesen Extremen. So etwa die «nervige, aber nützliche» Schwiegermutter vom Typ drei. «Sie hat das Wohl der jungen Familie im Auge und unterstützt diese, mischt sich aber auch ein. Der Mann drückt dabei ein Auge zu und ergreift in Konflikten ungern Partei gegen seine Mutter.» Die auf die Hilfe angewiesene Frau fühlt sich dadurch oft unverstanden und auf verlorenem Posten. Kettenbach rät, beiderseits Grenzen im Gespräch abzustecken. «Viele Frauen formulieren, dass auch Ratschläge Schläge sind und dass der Mann die neue Familie wichtiger nehmen soll als die Herkunftsfamilie.»

Der vierte Typ ist schliesslich die defensive, desinteressierte Schwiegermutter. «Hier gibt es wenig Konflikte, doch viel kühle Distanz und Oberflächlichkeit. Schwiegertöchter sind dabei oft enttäuscht, dass die Enkel keine Oma haben. Diese bevorzugt öfters die Kinder der eigenen Tochter gegenüber den 'Fremdenkeln'.» Häufig sind schlechte Beziehungen dieser Art allerdings nicht. Mehr als 50 Prozent der Schwiegerfrauen kommen heute sehr gut miteinander aus, beweisen quantitative Studien von deutschen Frauenzeitschriften. Zwischen Männern und ihren Schwiegermüttern sind Probleme überhaupt grosse Ausnahme.

Image aus dunkler Vergangenheit
Der Blick auf Buchtitel oder Internet-Suchergebnisse zeigt, dass der Begriff «Schwiegermutter» immer noch sehr negativ besetzt ist. Die vielen Witze und Karikaturen entspringen aus der Familiensituation vergangener Zeiten, vermutet Kettenbach. «Bis vor hundert Jahren vertrat der Vater durch sein Handwerk die Familie nach aussen, die Mutter war jedoch Chefin im Haus. Heiratete der Sohn, lebte dessen Frau im Elternhaus als weiteres Kind mit. In der Hackordnung stand sie jedoch unter der leiblichen Tochter.» Das führte zu Konkurrenzkämpfen um den Titel der besseren Mutter oder der attraktiveren Frau.

Die Situation hat sich deutlich geändert. Heute kommen Frauen in der Regel älter, besser ausgebildet und finanziell unabhängiger «unter die Haube» als früher. Zudem leben frisch Verheiratete kaum noch im Elternhaus des Mannes, was die Kontakthäufigkeit einschränkt. Ein wenig Konfliktpotenzial gibt es aber noch immer. «Besonders wenn Enkel ins Spiel kommen und eine Frau erstmals Grossmutter wird, kann es Spannungen geben. Dabei geht es meist um das Eingreifen oder um Ratschläge bei Haushaltsführung und Kindererziehung.»
29. August 2010
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