Wir haben keine Ahnung von der Welt.

Die botswanische Durchschnitts-Frau geht 9 Jahre zur Schule, heiratet mit 27 und bringt 2.5 Kinder zur Welt. Hans Rosling beleuchtet mit seinen Statistiken unser Halbwissen.

Wann waren Sie zuletzt in Botswana? Ach, Sie waren da noch gar nie? Ich auch nicht. Aber schlimm ist es da, nicht wahr? Sehr schlimm. Muss es ja auch sein, sonst würden die Hilfswerke nicht sammeln, Madonna keine Kinder adoptieren und wir beide, wir wären sonst auch schon dort gewesen. Sicher gibts da viel Armut. Slums. Riesige Familien und keiner wird alt. Schulen haben die Botswani sicher auch keine. Oder heisst es Botswaner? Oder Botswanesen? Und Hunger, mein Gott, Hunger haben sie bestimmt auch!

Unser Wissen ist sehr oft Halbwissen. Das ist okay, man muss nicht für jedes Thema Experte sein. Nicht okay ist, dass unser Halbwissen oft veraltet ist. Was wir über die Welt zu wissen glauben, stammt aus Zeiten, als man noch überzeugt die Welt in eine Erste und eine Dritte unterteilte – und dazwischen gähnte eine grosse Lücke. Hier die oberen, dort die unteren. Wissen Sie was? Die Lücke ist weg und das lässt sich auch beweisen. Am einfachsten mithilfe eines schwedischen Zahlenfreaks.

Hans Rosling heisst der Mann, der so ziemlich alle soliden Statistiken zusammenträgt, die sich überhaupt finden lassen. Die publiziert er dann ausgesprochen anschaulich auf seiner Website www.gapminder.org. Und die Trends stimmen zuversichtlich. 1970 betrug die Lebenserwartung in China 57 Jahre, heute sind es 77. Damals starben in Bangladesch 22 von 100 Kindern vor dem fünften Geburtstag, heute nur noch 4 von 100. 1970 hatte jede Algerierin im Schnitt 7.6 Kinder, heute bloss noch 2.7.

In den Zeitungen stehen oft hundert Katastrophen einer vom Baum geretteten Katze gegenüber. In der Realität stehen jedem Terroranschlag zehntausende Kinder gegenüber, die länger zur Schule gehen.
Und die Botswaner? Das Durchschnitts-Mädchen geht dort fast 9 Jahre zur Schule, heiratet mit 27 und bringt dann 2.5 Kinder zur Welt. Die Lebenserwartung liegt bei 67 Jahren und das durchschnittliche Einkommen bei 17'200 Dollar pro Person und Jahr. Das sind nüchterne Zahlen auf weissem Papier. Wenn wir verstehen wollen, was das für die Leute vor Ort bedeutet, müssten wir vielleicht doch einmal hin.




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19. März 2016
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