Mahnwachen 16. Mai 2020

Mahnwachen wurden uns für folgende Orte gemeldet

15. Mai 2020
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Report vom Sechseläutenplatz

von Mammut
Grüezi mitenand, Seit heute bin ich polizeilich aktenkundig. Meine erste Kundgebung - und dann das… Ich war die Verhaftete Nr. 2, man hat mich vernommen, eine Anzeige wurde gestellt, und ich wurde wieder freigelassen. Ich hab’ aus nächster Nähe mit angesehen, wie Nummer 1 zu Boden geworfen und von fünf oder sechs Beamten „fixiert" wurde. Wie lange er dort so gehalten wurde, mit dem Kopf am Boden den Beamten völlig ausgeliefert, ich weiss es nicht mehr. Ich habe an den Cordon der sich rundum aufbauenden Beamten appelliert, den jungen Mann doch bitte wieder loszulassen, er sei ja zu keinerlei Gegenwehr mehr fähig: Erfolglos.  Ich habe gesagt, keiner von ihnen sei tatsächlich so: Sie nicht, Sie nicht, und Sie auch nicht, habe ich gesagt - und ich könne einfach nicht glauben, dass so etwas ihr Ernst sein könne. Die ganze Zeit liefen mir die Tränen in Strömen aus den Augen, und die Qualen des Opfers waren irgendwie auch meine. Der arme Junge schrie immer wieder auf, während sein Kopf immer fester auf die Steinplatten gepresst wurde Die Szene wurde von immer mehr Menschen umringt, die auf die Polizisten einschrieen, es sei jetzt genug, und ob sie das denn nicht erkennen könnten.  Man stellte also den Verhafteten Nr.1 am Ende doch auf die Beine und führte ihn ab. Er schien noch selbst gehen zu können, aber da sie ihn nicht losliessen, war das schwer zu erkennen. Daraufhin wandten sich die Beamten, an die ich appelliert hatte, mir zu. Ich habe jetzt, so sagten sie, 20 Sekunden Zeit, um meine Sachen zu nehmen und den Platz zu verlassen; ich befände mich auf einer ungenehmigten Demonstration und müsse bei Weigerung mit einer Verzeigung rechnen. Ich sagte, da niemand von mir abhänge, hätte ich die Möglichkeit, mich darin frei zu entscheiden, und ich habe mich entschieden, genau da sitzen zu bleiben, wo ich seit Beginn der Kundgebung gesessen hatte. Man versicherte mir, ich würde ganz gewiss nicht bleiben, man werde meine Personalien aufnehmen und mich anschliessend abtransportieren, und dann hätte ich einen Eintrag ins Strafregister zu gewärtigen. Ob ich nicht doch lieber gehen wolle. Ich kann nicht, sagte ich - nicht nach dem, was ich da eben mitangesehen habe.  Es ist mir nicht möglich - es muss dann wohl so sein.  Damit öffnete ich meine Handtasche und reichte den Beamten meinen Pass. Kurz und gut, man nahm die Personalien auf, zeigte mir in welches Auto ich zu steigen habe, stellte meine Handtasche, meinen Einkaufsbeutel und das Fresskörbchen, das ich für die Polizisten vorbereitet hatte, sicher, legte mich in Handschellen und packte mich in den Wagen. Wie es Nr.1 gehe, darüber wollte man sich nicht äussern. Noch im Wagen kamen mir immer wieder die Tränen, wenn ich an den armen Jungen dachte - leider hatte man mir sogar meine Papiertaschentücher abgenommen. Nun - auf dem Präsidium wurde ich, da ich mich immer einer korrekten Ausdrucksweise bediente, sogar mit einer gewissen Höflichkeit behandelt. Dass der Vernehmungs-Vordruck eine Angabe über „Schwierigkeiten bzw. Widerstand bei der Aufnahme der Personalien“ enthielt konnte ich richtig stellen, aber über die Frage, mit wem genau ich auf die Veranstaltung gekommen sei, war ich denn doch schockiert. Was, wenn sie darauf bestanden hätten, ich solle Leute verpfeifen, die doch - wenn ich denn dort jemanden gekannt hätte - wahrscheinlich meine Freunde gewesen wären… Gut für mich, dass ich dort niemanden kannte - schliesslich war dies die erste Kundgebung, an der ich je teilgenommen habe. Es hatten sich mir zwar Personen vorgestellt, aber die waren meinem schlechter werdenden Kurzzeitgedächtnis augenblicklich wieder entfallen. Angekommen war ich allein, und ich war auch die ganze Zeit allein auf meinem Metallsessel gesessen, mich über die erfrischende Vielfalt und Lebensfreude dieser bunten Gemeinschaft freuend. Nachdem man meine Aussage aufgenommen hatte, entliess man mich, und ich wurde bis 05:00 früh der Stadt verwiesen. Meinen Wagen hinterm Globus abholen zu gehen gestattete man mir. Das Fresskörbchen - nachdem ich mich daraus selber bedient hatte - hinter dem Präsidium für die nächsten Wiederfreigelassenen stehen lassend machte ich mich auf den Weg zum Taxistand. Ich erwarte also jetzt das Schreiben der Staatsanwaltschaft. Der Grund, aus dem ich auf die Kundgebung gegangen bin, wurde so festgehalten: „Damit aus einer Notverordnung kein Bundesgesetz werden kann - ohne Volksabstimmung.“ Zweimal habe ich den Beamten, der mich vernommen hatte, darauf aufmerksam gemacht, dass bei mir Wiederholungsgefahr bestünde - ich sei mit diesem Gewissen geboren und werde es nicht ablegen, so lange ich lebe. Mein Eindruck war, dass er nicht recht wusste was er mir darauf entgegnen sollte. Immerhin. Es besteht noch Hoffnung.