Paschas Palast stand einst stolz im Herzen des Stadtteils Al-Daraj in Gaza-Stadt. Seine alten Steine waren vom Duft neun Jahrhunderte alter Geschichte durchdrungen. Er verband die Menschen in Gaza mit längst vergangenen Zivilisationen – Mamluken und Osmanen hatten ihre Spuren in seinen Mauern hinterlassen. In seinen Hallen befanden sich Hunderte seltener Artefakte: Töpferwaren, Glaswaren, Manuskripte und Münzen – Zeugnisse der unzerstörbaren Identität eines Volkes, das sich weigert zu sterben.
Doch in einem einzigen Augenblick, im Dezember 2023, traf eine israelische Rakete den Palast und verwandelte ihn in Schutt und Asche. Seine Konturen verschwanden, Steine wurden verstreut, und die Epochen, die er verkörperte, lösten sich auf – als hätte die Geschichte selbst einen tödlichen Schlag erlitten. Nur eine einsame Mauer im Süden und eine zerbrechliche im Norden blieben stehen, bevor israelische Bulldozer später über das Gelände rollten, um die Zerstörung zu vollenden – ein Versuch, die Erinnerung an die Stadt auszulöschen und ihr Erbe zu vernichten.

Der Palast war nicht nur ein archäologisches Bauwerk, er war eine lebendige Erinnerung, die durch die Gassen von Gaza pulsierte, ein Ziel für Forscher, Studenten und Besucher aus allen Gesellschaftsschichten. Er war ein nationales Wahrzeichen, das die palästinensische Geschichte gegen den Strom der Auslöschung bekräftigte.
«Ich war ein Kind, das in den Gassen spielte, und der Pascha-Palast stand vor mir wie ein Berg. Jahre vergingen, Zeiten änderten sich, aber der Palast blieb stehen, als wolle er sagen: Ich bin die Erinnerung dieses Landes. Es war nicht nur ein altes Gebäude, es war ein Museum, in dem wir unsere Geschichte gelebt haben. Seine Mauern erzählten die Geschichten unserer Vorfahren – jede Ecke flüsterte Geheimnisse aus der Zeit der Mamluken und Osmanen», sagt der 71-jährige Haj Abdul-Raouf Al-Ghazali.

Er fügt hinzu: «Ich habe meine Kinder und Enkelkinder regelmässig dorthin mitgenommen, in den Ferien und zu besonderen Anlässen. Selbst an normalen Tagen sahen wir Schüler und Studenten, die im Rahmen von organisierten Ausflügen hierherkamen. Sie sassen im Innenhof des Palastes und lauschten den Erklärungen der Führer zu den einzelnen Ausstellungsstücken – von Töpferwaren und Glas bis hin zu alten Koranen und antiken Münzen. Ich war stolz, wenn ich die strahlenden Augen der Kinder sah, die den Geschichten über eine glorreiche Vergangenheit lauschten. Ich dachte mir: Das ist unsere Geschichte, unsere Identität, und das müssen wir bewahren.»
Aber heute ist nichts mehr davon übrig. Der Palast, der über siebzig Jahre lang neben Al-Ghazali stand, ist zu einem Trümmerhaufen geworden. Eine einzige Rakete – nicht mehr – hat neun Jahrhunderte Geschichte ausgelöscht.
Der alte Mann erzählt von dem Moment, als er die Zerstörung miterlebte: «Mein Herz brach, als ich sah, wie die Bulldozer die letzten historischen Steine wegräumten. Es ist, als ob sie nicht damit zufrieden sind, die Lebenden zu töten – sie wollen auch unsere Erinnerung auslöschen.»
Al-Ghazali fährt fort: «Als ich nach dem Bombenangriff an der Stelle vorbeikam, habe ich geweint. Ja, ich habe geweint wie ein Kind. Nicht nur um die Steine, sondern um das, was sie repräsentierten – um den Geist, der an diesem Ort lebte, um die Geschichte, die vor unseren Augen verschwand, um eine Generation, die nie erfahren wird, dass es einmal einen Palast namens Pascha-Palast gab, der die Geschichte einer Heimat erzählte.»
Die Erinnerung einer Nation und die Identität eines Volkes
In einer Ecke ihrer kleinen Bibliothek in einem Flüchtlingszelt im Zentrum von Gaza sitzt Walaa Al-Masri, Masterstudentin am Fachbereich Geschichte der Al-Azhar-Universität, und starrt auf ihren alten Laptop. Sie blättert durch die Seiten ihrer unvollendeten Abschlussarbeit. Der Titel lautete: «Die administrative und militärische Rolle des Pascha-Palasts in der Mamluk- und Osmanenzeit.»Aber nach Dezember 2023 änderte sich alles.
«Der Pascha-Palast war das Herzstück meiner Abschlussarbeit», sagt Walaa mit fester Stimme, hinter der jedoch tiefe Trauer mitschwingt. «Ich war regelmässig dort, habe Notizen gemacht, Fotos geschossen und mich in die komplizierten Verzierungen und Inschriften vertieft. Ich hatte das Gefühl, Geschichte nicht nur zu studieren, sondern sie zu leben.»
Für Walaa war die Zerstörung des Palastes ein doppeltes Verbrechen. «Es wurde nicht nur ein Gebäude bombardiert, sondern die Erinnerung einer Nation und die Identität eines Volkes.» Sie fährt fort: «Ich habe viel geweint – nicht nur über die verlorenen Monate der Forschung, sondern auch über die Tatsache, dass es keinen physischen Ort mehr gibt, an den wir zurückkehren können.»
Da die Ruinen des Palastes unter Trümmern begraben sind, musste Walaa den Titel ihrer Abschlussarbeit ändern. Sie schreibt nun über «Den Verlust des palästinensischen Erbes und der palästinensischen Identität nach der Zerstörung des Pascha-Palastes».
«Das war nicht geplant, aber ich empfand es als meine Pflicht», sagt sie. «Diese Abschlussarbeit wurde zu einer Form des Widerstands – zu einer Form der Dokumentation – zu einer Möglichkeit, auf den Versuch zu reagieren, unsere Geschichte auszulöschen.» In Walaas Augen ist die Wissenschaft nicht mehr nur ein Mittel, um einen Abschluss zu erwerben, sondern ein Instrument, um das zu schützen, was von einer Identität in einer Zeit übrig geblieben ist, in der Steine vor Menschen bombardiert werden.

Die Geschichte des Palastes
Laut Nariman Khallah, Direktorin des Pascha-Palastes, war der Palast «nicht nur ein historisches Bauwerk, sondern eine lebendige Erinnerung – ein integraler Bestandteil der Geschichte Gazas und ein Facette seiner kulturellen und nationalen Identität».
Sie fügt hinzu: «Wir haben jahrelang daran gearbeitet, ihn zu erhalten und zu restaurieren. Wir haben ihn mehrmals wiedereröffnet, um Besucher aus Gaza und darüber hinaus willkommen zu heissen. Er diente als Zentrum für Bildung, Reflexion und kulturelle Begegnung.»
Khallah erzählt von einer faszinierenden historischen Verbindung zwischen dem Palast und dem französischen Staatsmann Napoleon Bonaparte, die bis zu dessen Feldzug im Osten Ende des 18. Jahrhunderts zurückreicht. Historischen Berichten zufolge soll Napoleon 1799 auf seinem Feldzug in der Levante auf dem Weg von Ägypten nach Akko im Pascha-Palast übernachtet haben.
«Als Napoleon in Gaza einmarschierte, machte er den Palast zu seinem provisorischen Hauptquartier. Von dort aus plante er seinen Angriff auf Akko und versammelte seine obersten Befehlshaber, um die militärische Strategie zu besprechen. Deshalb begannen die Einheimischen, ihn als <Napoleons Palast> zu bezeichnen, obwohl er viel früher, während der Mamluk-Zeit, erbaut worden war», erklärt Khallah.
Napoleons Aufenthalt verlieh dem Palast eine europäische historische Bedeutung und machte ihn zu einem der bedeutendsten archäologischen Wahrzeichen Gazas und zu einer wichtigen Attraktion für Besucher – insbesondere für diejenigen, die sich für die Schnittpunkte der palästinensischen, regionalen und globalen Geschichte interessieren.
Khallah berichtet, dass der Palast einst zwischen 500 und 700 Artefakte beherbergt hatte, darunter Töpferwaren, Glaswaren, alte Münzen und ein seltenes Koranmanuskript aus der Zeit der Osmanen – «von der Art, wie sie einst den Palästen von Sultanen und Prinzen vorbehalten waren», wie sie beschreibt.
«Wir sahen ihn als Freilichtmuseum für zukünftige Generationen. Jedes Jahr kamen Zehntausende hierher – Studenten, Forscher und palästinensische Familien, die hier eine Möglichkeit fanden, ihr nationales Zugehörigkeitsgefühl zu vertiefen», fügt sie hinzu.
Doch all das endete in einem Augenblick, als israelische Kampfflugzeuge am 8. Dezember 2023 während ihres Angriffs auf Gaza-Stadt den Palast direkt angriffen. «Er wurde in einem Augenblick dem Erdboden gleichgemacht. Nur ein kleiner Teil des Südflügels und eine einzelne Mauer in der nördlichen Ecke blieben stehen. Wir sahen zu, wie die Steine zusammenbrachen, als würden sie bluten», sagt Khallah.
Sie glaubt, dass die Bombardierung «kein Zufall, sondern absichtlich war – mit dem Ziel, historische Wahrzeichen zu vernichten, die von der palästinensischen Präsenz auf diesem Land zeugen». Sie argumentiert, dass die Besatzungsmacht «eine Generation ohne Erinnerung, ohne Geschichte, ohne Wurzeln will. Die Zerstörung des Pascha-Palasts ist Teil dieser systematischen Politik.»
Khallah weist darauf hin, dass das Ministerium für Tourismus und Altertümer in Zusammenarbeit mit dem Kulturzentrum in Bethlehem und der «Alpha»-Stiftung kürzlich eine von ihr als «Erste-Hilfe-Massnahme» bezeichnete Initiative für den Palast gestartet hat, bei der verstreute Steine gesammelt und katalogisiert werden, um sie nach Kriegsende wieder zusammenzusetzen.
Sie schliesst mit den Worten: «Wir werden nicht zulassen, dass unsere Geschichte ausgelöscht wird. Wir werden jeden Stein an seinen Platz zurückbringen und aus den Trümmern eine Erinnerung wiederaufbauen, die stärker ist als je zuvor.»