Wälder in Zeiten des Klimawandels

Über den Stress, den Hitze und Trockenheit vielen Bäumen bereiten, wurde in den letzten Jahren ausführlich berichtet. Doch es gibt Hoffnung, denn nicht jeder Waldschaden ist schlimm für die Natur – im Gegenteil.

Die Natur entwickelt sich von selbst zu lichten Jungwäldern ©Baciu Cristian Mihai / naturesavenue

Bestes Bespiel ist der Nationalpark Berchtesgaden. Dort kann man die ersten Ergebnisse eines sich selbst regenerierenden Waldes – auch unter veränderten Klimabedingungen – beobachten. Wo über zehn Jahre lang der Borkenkäfer im Totholz abgestorbener Fichten sein Unwesen trieb, streben jetzt Bergahorn, Esche, Birke und Mehlbeere dem Licht entgegen. Durchschnittlich bis zu 10‘000 Jungpflanzen tummeln sich pro Hektar – und sie haben sich sämtlich ohne menschliches Zutun selbst ausgesät.

Experten in Deutschland haben festgestellt, dass es den (forstwirtschaftlich) genutzten Wäldern vor allem daran fehlt, frühe und alte Stadien der Waldentwicklung parallel zu fördern, sie koexistieren zu lassen. «Um dem entgegenzuwirken, müsste man mancherorts die Bäume wieder weit über 100 oder 150 Jahre alt werden lassen, anderswo dagegen sollte sich die Natur nach Windwurf und Borkenkäfer ungestört zu lichten Jungwäldern entwickeln dürfen», postulierte Spektrum kürzlich in einem Artikel zur Zukunft des Waldes.

«So gesehen könnte man die in den letzten Jahren entstandenen 300’000 Hektar Schadensfläche als unfreiwilliges Naturschutzprogramm interpretieren, denn gerade stark bedrohte Arten wie das Auerhuhn oder viele Waldschmetterlinge werden von den lichteren Wäldern profitieren», zitiert das Magazin Rainer Luick, Professor für Natur- und Umweltschutz.

Eine kürzlich in Nature veröffentlichte Studie kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Ein Forscherteam an der Universität Würzburg konnte belegen, dass vor allem in Wäldern mit einem starken Wechsel von Lichtungen und dichtem Wald die Biodiversität der meisten Arten deutlich erhöht ist. Diese Art von Wald ist vor allem dort vorzufinden, wo zuvor «Schäden» aufgetreten waren.

Wichtige Voraussetzung dafür ist jedoch, dass das Totholz nicht abgeräumt, sondern im Wald belassen wird. Es sorgt nach seiner Zersetzung für die nötige Biomasse, die neuen Humus bildet und Wasser im Boden binden kann.

Deshalb schauen die Wissenschaftler nicht allzu pessimistisch in die Zukunft. «Wir haben in Mitteleuropa sicher noch keine Kipppunkte erreicht, an denen wir Angst haben müssten, dass Wälder sich grossflächig in baumlose Steppen verwandeln», beruhigt Dr. Simon Thorn, Mitarbeiter an der Ökologischen Station der Universität Würzburg.

17. Oktober 2020
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