Chefärzte verdienen deutlich weniger als behauptet

Eine Erhebung der Akademie Menschenmedizin zeigt: Die Zahlen, die dieses Jahr durch die Medien gereicht wurden, sind stark übertrieben und lenken davon ab, dass es bei den Ärztelöhnen tatsächlich Handlungsbedarf gibt: Mengenabhängige Boni müssen abgeschafft, Fixlohnsysteme für leitende Ärzte eingeführt werden.

Illustration: ron&joe

Im Februar 2018 behauptete die Beratungsagentur Klingler Consultants medienwirksam, viele Chefärzte in der Schweiz hätten ein Millioneneinkommen, 200 bis 250 von ihnen verdienten gar zwischen 1,5 und 2,5 Mio. Franken jährlich (vgl. Rundschau vom 21.02.2018). Die Online-Zeitung Infosperber rechnete darauf basierend nach, dass jeder sechste Prämienfranken an Spitalärzte gehe und dass laut Klingler jeder vierte Chefarzt mehr als 1,5 Millionen verdiene.

Rufschädigende Behauptungen auf unklarer Grundlage

Basis dieser Aussage ist laut CEO Urs Klingler eine Liste des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) über den Personalaufwand von 174 Spitälern. Die Akademie Menschenmedizin (AMM) forderte diese Liste beim BAG an – doch auf ihrer Grundlage lassen sich die Folgerungen von Klingler Consultants nicht nachvollziehen. Obschon die AMM bereits vor der Veröffentlichung der Befunde mit Urs Klingler in Kontakt stand und die Zahlen in Frage stellte, kam es zur Publikation. Zu den Berechnungsgrundlagen wollte Klingler keine näheren Angaben machen.

Millionengehälter sind Ausnahmen

Die Akademie Menschenmedizin erhob deshalb eigene Daten. Wir schrieben dieselben 174 Spitäler an und baten diese, in fünf Stufen unterteilt festzuhalten, wie viel ihre Chefärzte pro Jahr verdienen.
Die uns nun vorliegenden Resultate bestätigen die Annahme, dass die von Klingler Consultants kommunizierten Daten massiv übertrieben sind. Von 451 auswertbaren Angaben liegen 218 oder 48,3% der Einkommen unter 350‘000 Franken/Jahr, weitere 44,7% (202) zwischen 351‘000 und 550‘000 Franken. Lediglich 5% (23) liegen zwischen 551‘000 und 750‘000 und gar nur 1,7% (8) zwischen 751‘000 und 1 Mio. Franken. Kein Kaderarzt aus unserer Umfrage verdiente über 1 Mio. CHF/Jahr.

In der Zwischenzeit haben zudem verschiedene Spitäler (Zürich, Zug, Luzern, Basel, Solothurn, Aarau) proaktiv über die Löhne ihrer leitenden Ärzte informiert. Demnach verdienen lediglich am Unispital Zürich und am Unispital Basel insgesamt 8 Ärzte über 1 Mio. Franken jährlich, die Löhne aller anderen Chef- und Kaderärzte liegen mehrheitlich weit unter 550‘000 Franken.

Wo wirklich Handlungbedarf besteht: Fixlöhne statt Boni!

Insgesamt muss festgehalten werden, dass die Behauptungen von Klingler Consultants rufschädigend für eine ganze Gruppe oft hochengagierter Personen mit weit überdurchschnittlichem Arbeitsaufwand sind, die zudem eine sehr lange Ausbildung durchlaufen. Das ist nicht zuletzt deshalb stossend, weil es bei der Entlöhnung von Kaderärzten tatsächlich Handlungsbedarf gibt – nur anderswo:

Die immer noch gewährten mengenabhängigen Boni inkl. Privatpatienten-Honorare gehören abgeschafft. Wir schlagen ein Fixlohnsystem für Chef- und Kaderärzte vor, wie es seit Jahrzehnten an der renommierten Mayo Clinic in den USA und mittlerweile auch an einzelnen Spitälern in der Schweiz (Spital Bülach, Kantonsspital Luzern, REHAB Basel) bestens funktioniert.

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