Corona als Vorwand für Massenentlassungen in Nähfabriken

Seit die Krise über die Welt gerollt ist, vergeht kaum ein Tag, ohne dass man nicht von Entlassungen liest. Nicht alle sind nachvollziehbar oder sie werden fragwürdig umgesetzt: So verletzt etwa eine Textilfabrik in Myanmar die Arbeitnehmerrechte aufs gröbste. Auch die Schweizer Modefirma Tally Weijl produziert dort.

In der Fabrik Rui Ning in der Region Yangon wurden Anfang April mehr als ein Viertel der insgesamt 1158 Beschäftigten unter dem Vorwand von Covid-19 Schutzmassnahmen entlassen. Laut dem Fabrikmanagement wurden vor allem Arbeiterinnen und Arbeiter entlassen, die weniger als ein Jahr in der Fabrik arbeiteten. Allerdings sind 298 der 324 Entlassenen Gewerkschaftsmitglieder – der Verdacht gezielter Gewerkschaftsunterdrückung liegt deshalb nahe.

Auch der Gewerkschaftspräsident verlor seine Stelle, und wurde am 8. April unter mysteriösen Umständen von vier Männern mit Messern angegriffen – wahrscheinlich ein Einschüchterungsversuch (er überstand den Angriff glücklicherweise unverletzt). Das Fabrikmanagement informierte die Gewerkschaft zudem erst zwei Stunden vor der Entlassungswelle und ging auf Aufforderungen zu Verhandlungen nicht ein.

Neben der Massenentlassung hat das Fabrikmanagement nach Angaben der Gewerkschaft im April und Mai die Löhne nur teilweise ausbezahlt. Und als am 19. Juni in der Fabrik ein Feuer ausbrach, wurden die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht vorsorglich evakuiert, sondern zum Weiterarbeiten genötigt, während der Ursache des Feuers auf den Grund gegangen wurde.

In der Fabrik Rui Ning werden Jacken für die Schweizer Firma Tally Weijl, aber auch für Inditex (Zara), Bestseller (ONLY) und Mango genäht. Die Massenentlassung gewerkschaftlich organisierter Arbeiterinnen und Arbeiter in Rui Ning ist kein Einzelfall: Die Organisation Clean Clothes Campaign (CCC) weiss von zwei weiteren Fabriken in Myanmar, wo Gewerkschaften mutmasslich unterdrückt werden. Besonders frappant: Inditex (Zara) und Bestseller (ONLY) produzieren in allen drei Fabriken.

Grundlegende Arbeitsrechte verletzt

Die Vorfälle verletzen grundlegende Arbeitnehmerrechte, die sowohl in den Verhaltenskodizes der Modeunternehmen Tally Weijl, Zara oder Bestseller als auch in den internationalen Arbeitsrechtskonventionen festgelegt sind. Die Gewerkschaft von Rui Ning fordert daher:

  • Unverzügliche Wiedereinstellung mit Lohnnachzahlung des Gewerkschaftspräsidenten und die Zusicherung, dass alle anderen entlassenen Arbeiterinnen und Arbeiter so rasch als möglich wieder eingestellt werden, sobald sich die Geschäfte wieder normalisieren.
  • Die Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen in der Fabrik müssen verbessert werden. Zudem dürfen die führenden Mitglieder der Gewerkschaft nicht mit Lohnabzügen als Vergeltungsmassnahme bestraft werden, weil sie solche Verbesserungsmöglichkeiten suchen.
  • Unbezahlte Löhne, die den Beschäftigten gesetzlich zustehen, aber im April und Mai von der Unternehmensleitung einbehalten wurden, müssen unverzüglich in voller Höhe ausgezahlt werden.

Diese Forderungen sollen durch eine unterzeichnete Vereinbarung garantiert werden, die auch sicherstellt, dass das Fabrikmanagement die Gewerkschaft anerkennt. Seit Anfang April versucht die Gewerkschaft, mit dem Fabrikmanagement Verhandlungen über ihre Forderungen aufzunehmen, bisher jedoch ohne Erfolg: Das Fabrikmanagement verweigert das Gespräch.

Tally Weijl & Co. in der Verantwortung

Gewerkschaftsdiskriminierende Entlassungen, ein Angriff auf die physische Integrität des Gewerkschaftspräsidenten, mangelnder Brandschutz und das Nichtrespektieren gesetzlich garantierter Lohnzahlungen sind massive Verletzungen der grundlegenden internationalen Arbeitsrechte und der Verhaltenskodizes der Unternehmen.

Die Modefirmen stehen in der Verantwortung, in ihrer Lieferkette solchen Vorwürfen nachzugehen und die Achtung der Arbeitsrechte zu gewährleisten.

Weil das Management von Rui Ning nicht bereit ist, mit der Gewerkschaft zu verhandeln, müssen die Auftraggeber unverzüglich intervenieren. Die Clean Clothes Campaign und Public Eye haben Tally Weijl, Inditex, Mango und Bestseller dazu aufgefordert, unmittelbar ihrem Zulieferer gegenüber auf die Umsetzung der Forderungen der Gewerkschaft zu pochen. Bis jetzt haben jedoch nur Inditex und Bestseller das Gespräch mit ihrem Zulieferer gesucht – nicht aber die Schweizer Marke Tally Weijl.