Der Totalitarismus des 21. Jahrhunderts
Hannah Arendt würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie das heutige Europa und seine Entwicklung im ersten Viertel unseres Jahrhunderts sehen könnte.
Hannah Arendt auf dem 1. Kulturkritikerkongress 1958, Foto: Barbara Niggl Radloff
Hannah Arendt auf dem 1. Kulturkritikerkongress 1958, Foto: Barbara Niggl Radloff

Die Gesellschaften sind gespalten und verunsichert, der atomisierte Zustand aus vereinzelten, oft einsamen Individuen ist offensichtlich, und diffuse Ängste, Gefühle und Feindbilder dominieren die psychische Verfassung der Bevölkerung. Die für den Erhalt bzw. die Schaffung einer freien und offenen Kultur unbedingt notwendige Bildung eines eigenen begründeten Urteils fällt in diesem Zustand schwer. Unter dem Einfluss der Macht von einer Politik, die mit Rechtssprechung und Medien Hand in Hand geht, wird sie für viele Menschen fast unmöglich.

Totalitäre Regime gründen ihre Macht auf neuen Vorstellungen. Diese werden mit dem Ziel in die Welt gesetzt, die eigene Macht und den eigenen Reichtum zu vergrössern. Alles, was diese Vorstellungen in Frage stellt, wird bekämpft. Die totalitäre Maschinerie ist äusserst gut organisiert und gibt mit Hilfe ihrer stark vernetzten Strukturen die Richtung vor, in die marschiert wird. Oppositionelle Kräfte, Abweichler und Kritiker werden diffamiert und ausgeschaltet. Der Totalitarismus beginnt nicht mit Gewalt, sondern mit der Zerstörung der Pluralität schrieb Hannah Arendt in den 1950er Jahren.

Er hat es um so leichter, je grösser die diffuse Angst ist, die in der Bevölkerung grassiert. Diese Angst resultiert aus einem oft unbewussten Gefühl der Unsicherheit, deren Ursache der Mensch nicht benennen kann. Das Leben in einer profitgesteuerten Welt aus Arbeit und Konsum generiert Unzufriedenheit und scheint dem inneren Anspruch nach einem wirklich menschlichen Leben nicht zu genügen. Es fehlt der Halt, die Humanität, die Orientierung. Es fehlen Werte, nach denen sich das Leben ausrichten lässt.

Die diffuse Angst ist ein optimaler Nährboden für das Wachstum konkreter Furcht. Die Furcht vor Krankheit, Klima oder Krieg gibt ihr eine Richtung, und gerade diese Richtungsgebung schwächt und mildert sie. Endlich scheint die Herkunft der bedrückenden Angst und die Mittel und Wege zu ihrer Überwindung klar. Die neuen Narrative und propagierten Bedrohungsszenarien müssen dabei nichts mit der Realität zu tun haben. Sie können frei erfunden und erlogen sein. Hauptsache, sie entlasten unsere belastete Seele.

Hat sich die Furcht erst etabliert, wird die Ursache nicht mehr hinterfragt. Furcht und Vernunft sind unvereinbar. Unser Gehirn kann nicht gleichzeitig Furcht empfinden und rational handeln. Die Vernunft ist getrübt und das Regime hat leichtes Spiel, die Menschen in die gewünschte Richtung zu lenken.

Politik und Medien halten die Massen in Schach, d.h. in Furcht. Die Bedrohung des eigenen Lebens durch Viren, Wetter und innere sowie äussere Feinde sind die gegenwärtig genutzten Vorwände, die beständig wiederholt werden und der Rechtfertigung totalitärer politischer Massnahmen dienen. Die Bedrohungsszenarien liegen immer irgendwo in der Zukunft. Sie sind Vorhersagen, Annahmen und Prophezeiungen, die niemand beweisen, doch an die der Mensch glauben kann. Der Glaube gibt ihm Halt.

Der Totalitarismus des 21. Jahrhundert war bisher ein Pharma- und Klimatotalitarismus. Nach dem Glauben an die Gefährlichkeit eines Virus und eine vom Menschen verursachte globale Erwärmung, den resultierenden politischen Massnahmen und den Milliardenprofiten der Konzerne folgt nun der in der Logik des Totalitarimus typische Übergang in den Krieg, von dem primär die Rüstungsindustrie profitiert.

Friedensziele kennt der Totalitarismus nicht. Als eine Form des Materialismus stellt er die materielle Produktion über das Leben. Die Herstellung von Pharmaka, Solarmodulen, Windrädern, Panzern und Drohnen steht über dem Schutz von Natur, Umwelt und dem Leben des Menschen. In Folge wird die Natur zerstört und zahllose Menschenopfer entstehen. Es profitieren wenige überproportional auf Kosten der Vielen. Die Grosskonzerne kassieren zu Lasten der Bevölkerung ab.

Der Staat dringt immer weiter in das individuelle Leben ein, schreibt vor und übt Zwang aus. Die Lebensverhältnisse der Allgemeinheit werden schlechter und der Sozialstaat schrumpft. Eine kleine Gruppe profitiert und viele Menschen machen in dem Glauben mit, aufgrund ihres Mitmachens von den negativen Auswirkungen verschont zu bleiben. Die grosse eingeschüchterte Masse bleibt stumm  und lässt das totalitäre Regime gewähren.

Das Mitmachen und Schweigen resultiert aus der diffusen Angst, der Furcht vor den propagierten Bedrohungen, dem Glauben an die Narrative und der Unterwürfigkeit gegenüber der Übermacht des Staates. Wie gehorsame Kinder laufen die Erwachsenen ihren Führerfiguren hinterher. Nietzsche nannte den Staat den kältesten aller kalten Ungeheuer und das Mitläufertum als Götzendienerei. Unfähig zur Selbstreflektion, gefangen in unsicheren Vorstellungen, verängstigt und verwirrt erhalten und unterstützen die Vielen die totalitär agierende Regierung. So entsteht aus dem banalen Mitmachen und Schweigen das Böse.

Mit Hilfe von Krediten, die Wirtschaft und Staat eine Zeitlang stützen, kann ein totalitäres Regime seinen Zusammenbruch aufschieben. Zwei mal fünfhundert Milliarden, wie sie gegenwärtig in Deutschland den zukünftigen Generationen als Schulden auferlegt werden, können fehlende Staatseinnahmen künstlich kompensieren. Doch zusammenbrechen wird jeder aufgeblähte Staatsapparat. Durch Bankrott, Krieg oder Revolution.

Immer sind Menschen die Täter. Einfache Menschen mit Vor- und Zunahmen. Sie gieren nach monetärem Reichtum und Macht. Sie streben und klettern wie die Affen nach dem Thron, als ob das Glück dort sitze. Gegenwärtig verlagern diese Menschen die Risiken ihres Handelns auf die Bevölkerung. Sie selbst haben nichts zu befürchten. Sie setzen nicht ihre eigene Haut aufs Spiel, sondern die Haut der Menschen, die sie gewählt haben und für die sie eigentlich sorgen sollten. Hinzu kommt die Dysfunktionalität des Kapitalismus in seiner monopolistischen und korporatistischen Form, die die Kleinteiligkeit der Wirtschaft und damit ihre Robustheit untergräbt.

Das grösste Verhängnis an der gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklung liegt jedoch vermutlich darin, dass so viele Menschen gar nicht bemerken, dass sie selbst einem totalitären Denken anhängen und das sich in Folge ihr Verhalten verändert hat. Sie haben in ihrer Angst Glaubenssätze angenommen und verinnerlicht, die sie selbst und die gesamte Gesellschaft schädigen.

Die einzige Möglichkeit, Schlimmeres zu verhindern besteht darin, die propagierten Narrative und die aus ihnen hergeleitete Notwendigkeit politischer Massnahmen, letztendlich des Krieges der Lüge zu überführen, so dass die Glaubenssätze inhaltslos werden und die Menschen wieder vernünftig.



Weiterführende Literatur:

Hannah Arendt: «Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft»
Hannah Arendt: «Eichmann in Jerusalem»
Friedrich Nietzsche: «Also sprach Zarathustra»

 

Tom Reimer

Tom Reimer
Tom Reimer

Tom Reimer

Freier Autor, Journalist und Kabarettist

promovierter Neurobiologe

seit 2000 massenpsychologische Studien

Studium Biologie, Germanistik, Philosophie und Geschichte

Kontakt: 0151 27175283

tom-reimer.org

  

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