Bischof Ulrich mahnt "Bruttoinlandsglück" an

Der Schleswiger Bischof Gerhard Ulrich (60) hat ein "Bruttoinlandsglück" als Wertmaßstab für einen Wohlstand angemahnt, der sich nicht auf materiellen Zuwachs gründet. "Vieles von dem, was ein gutes Leben ausmacht, können wir nicht kaufen und können es uns auch nicht verdienen", sagte der Vorsitzende der nordelbischen Kirchenleitung auf einer Veranstaltung des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt am Dienstagabend in Kiel. Das Geheimnis des "Bruttoinlandglücks" sei eine bestimmte Haltung zum Leben, "zu unseren Nächsten und zu Gottes Schöpfung insgesamt".

Ulrich kritisierte eine einseitige Konzentration auf das Wirtschaftswachstum und verwies auf die Oderflut mit ihrer zerstörerischen Wirkung. Die Beseitigung der Schäden habe mit Millionen Euro wirtschaftlich gesehen positiv zu Buche geschlagen. "So lässt sich Wohlstand nicht messen, und das hat sich inzwischen auch herumgesprochen", sagte der evangelische Theologe.

Weiter kritisierte der Bischof eine sich öffnende Schere zwischen Arm und Reich. Dies falle statistisch in der Summe für den materiellen Wohlstand der Gesellschaft nicht ins Gewicht. Für die Mehrheit der Menschen sei der Rückgang ihrer Reallöhne aber Realität. Ulrich verwies auf eine britische Studie. Danach seien die sogenannten eher "gleichen" Gesellschaften wie in Skandinavien statistisch bewertet deutlich glücklicher. "Ungleichheit teilt eine Gesellschaft und reibt sie auf - so das Ergebnis der Studien", sagte der Bischof.

Prof. Niko Paech von der Universität Oldenburg forderte auf der Veranstaltung den Verzicht auf Wirtschaftswachstum. Er schlug zugleich vor, die derzeitige Arbeitszeit von durchschnittlich 40 Stunden pro Woche auf 20 und damit auf die Hälfte zu reduzieren. In der zusätzlichen Freizeit könnten sich die Menschen der nichtkommerziellen Versorgung widmen. Dazu zählten Eigenarbeit, Tauschringe, Netzwerke der Nachbarschaftshilfe, Verschenkemärkte und gemeinschaftliche Nutzung von Geräten.

Nach den Worten von Paech müssten Güter so produziert werden, dass sie möglichst lange halten und nicht ständig neu hergestellt werden müssten. Nur so ließe sich der Energieverbrauch deutlich senken und die Umwelt nachhaltig schonen. Straßen müssten zurückgebaut werden. Weiter müsse eine individuelle Kohlendioxidbilanz eingeführt werden. Eine derartige "Postwachstumsökonomie" wäre genügsamer, stabiler und ökologisch verträglicher als eine auf Wachstum angewiesene Wirtschaft. Paech: "Sie würde auch die vielen Menschen entlasten, denen im Hamsterrad der materiellen Selbstverwirklichung schon ganz schwindelig wird."

Quelle:  Evangelischer Pressedienst
http://www.epd.de/nord/nord_index_85616.html
12. März 2011
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