Mein Weg zur Digiverweigerin

Irgendwie habe ich einen Instinkt für Sachen, die sich irgendwann gegen Mensch und Umwelt richten.

Rauchen am Schulsilvester, Autoprüfung mit achtzehn – sicher nicht, das machen ja alle. Erst nach 27 kamen gesundheitliche, «grüne»und soziale Aspekte zu meinen Entscheidungen: Fleisch weg, Zucker weg, Bio.
Ein Migros-Einkäufer erzählte mir, wie er Produzentenpreise drücken muss. Die Mutter meines Pflegekindes musste Sozialleistungen beziehen, weil der Migros-Lohn nicht reichte. Ich subventioniere mit meinen Steuergeldern den Riesengewinn der Migros, ist meine Folgerung. Also Migros gestrichen, etwas später auch Coop. Das, als Grundlohn, Lädelisterbe, Umweltbelastung noch kein Thema war.
Dann der Einzug des Computers. Ich unterrichtete Asylbewerber und konnte das Unterrichtsmaterial gezielt gestalten. Ein Kollege führte mir das Internet vor. Wir schauten nach Costa Rica. Mein Gedanke: «Wenn man da hinschauen kann, kann man auch hineinschauen.» Keine Ahnung, wie ich auf diesen Gedanken und die Befürchtung kam. Damals noch kein Thema, aber Internet war sofort abgeschrieben.

Doch noch ein Laptop-Erlebnis. Ich hatte Räume, die ich stunden- und tageweise vermieten wollte. Das musste ich übers Internet machen. Auch für die Horoskope brauchte ich einen Compi. Also belästigte ich meine Tochter. Eines Tages kam sie mit ihrem «alten»Laptop, ich könne das selber machen. Ich sei inkonsequent. Recht hatte sie. Doch das Ding spürte meine Abneigung und funktionierte nie richtig. Auch Fachmänner hockten ratlos da. Also keine Astro mehr und die Inserate ins A-Bulletin. Jetzt benutze ich alle Paar Monate den Laptop bei meiner Tochter, um Bestellnummern fürs Buchzentrum rauszuschreiben, und ich habe eine Liste mit Internetadressen, auf denen ich etwas nachschauen möchte, weil ich denke, ich müsse ja nicht stur sein. Schon nach der zweiten Adresse stelle ich ab. Es ist nicht mein Ding. Es macht mich nicht froh. Es zieht nicht nur viel Energie aus der Steckdose, sondern auch aus den Menschen.
Wenn ich heute über die negativen Folgen der Zucker-, Fleisch-, Autoindustrie usw. lese, bin ich glücklich und froh, dass ich nicht zum Elend der ausgenützten Menschen und zur Zerstörung der Natur beigetragen habe – soweit das in unserer Kultur noch möglich ist.
Dass ich möglichst mensch- und naturschonend lebe, ist nicht mein Verdienst, ich kann nicht anders.

Was hat das Ganze mit Digitalisierung zu tun?
Bis jetzt konnte ich all diesen menschenverachtenden, naturzerstörenden Geldmaschinen ausweichen. Doch wenn ich nicht auf Radio und Telefon verzichten will, ist die Digitalisie-rung in meinen Räumen notwendig. Was dieser Zwang bedeuten soll, weiss ich nicht – ganz sicher ist er nicht zum Wohle des Menschen. Plötzlich können Gespräche mit Kurden gefährlich werden.
Neben den wenigen positiven Aspekten, die das Internet bietet, verschlimmert es das Elend auf dieser Welt ganz rasant. Auch durch den Elektrosmog, der durch die Schulen frischfröhlich gefördert wird.
Im Tösstal gibt es eine kleine analoge Krankenkasse. Natürlich kommt auch sie unter Digitalisierungszwang. Was reibungslos und kostengünstig läuft, muss weg. Beweise, dass es auch Alternativen gibt, verträgt dieses System nicht.
Für mich ist die Digitalisierung eine Überschallbahn auf einem Gleise ohne Ausweichmöglichkeiten, ohne Alternativen, ohne Bremsen. Was in die Quere kommt, wird überfahren und doch von allen Seiten angreifbar. Ständig neue Probleme schaffend. Die Umgebung kann von den Mitfahrern nicht mehr wahrgenommen werden. Wie lange und wohin die Bahn fährt, ist ungewiss. Vielleicht in eine Felswand, ein Atommülllager, ins Meer… Vielleicht löst sich alles auf. Blub, wie eine Seifenblase. Aber nur virtuell.
Zu virtuell kann ich nichts sagen. Eine mir unbekannte Welt. Einem Mann werden virtuelle Bitcoins virtuell gestohlen und er geht zu einem realen Polizisten. Für mich als Zuhörer tönt das wie ein Witz. Überhaupt amüsiere ich mich oft über die Dinge, die zur Lebenserleichterung angeboten werden und über die Probleme, die ich als analog lebender Mensch nicht kenne.