Wir alle haben die Erfahrung gemacht, dass Musik uns berührt und unsere Stimmungslage verändern kann. Als Prozessbegleiterin verwende ich nicht Musik, sondern spezifische Frequenzen einzelner Klänge und deren Wirkung. Meine Instrumente sind Stimmgabeln und tibetisch-nepalesischen Klangschalen. Die Schwingungsqualität dieser Instrumente ermöglichen es vielen Menschen, sich in kurzer Zeit in andere Sphären tragen zu lassen. Selbst wer analytisch ist hat die Chance, durch diese Schwingungen berührt zu werden und in tiefere Ebenen zu sinken. Diese Klangwelten sind Türöffner für Begegnungen mit unserer nicht-linearen Innenwelt, zu der wir über die Ratio keinen Zugang finden. Deren Strukturen kennen wir aus Träumen, die nicht in linearen Raum- und Zeitgefügen spielen, die sich unserer Logik entziehen und jeweils einen Einblick in unser Unbewusstes ermöglichen.
Es gibt Klänge, die berühren unseren Wesenskern und tragen uns unvermittelt weg. Klangschalen haben ein viel reicheres Spektrum an Obertönen als europäische Musikinstrumente und können dadurch ein grösseres Spektrum an Resonanzen in uns berühren. (1) Die Schwingungen von Klangschalen und Stimmgabeln sind sehr fein und doch wirkungsvoll. Die Wasseranteile im Körper reagieren seismorafisch auf Schwingungen, nehmen sie auf und stossen Prozesse an. Dieses Klangerleben knüpft in unserem Kulturkreis kaum an alte Erinnerungen an und so wird kein Anker in musikalische Anekdoten geworfen. Es entstehen beim Erleben eigenständige, neue Verbindungen in uns. Klangreisen können somit Türöffner zu verborgenen Anteilen unseres Selbst sein.
Wenn Starre sich löst
Es kann vorkommen, dass bei einer Klangbehandlung beim Klienten tiefliegende, erstarrte Schichten durch diese feine Schwingungen berührt werden. So vermag sich eine Blockade, die manchmal seit Jahrzehnten unbewusst Teil des Lebens war, unverhofft lösen. Dann befreit der Körper eingeschlossene Energien durch unkontrolliertes Zittern aus dem System. Ein solcher Moment wird dabei nicht durch das bewusste Ermüden der Muskulatur forciert – es entsteht während der Klangbehandlung aus der natürlichen Entspannung des Nervensystems heraus. Tritt es ein, ist dies jeweils ein grosses Geschenk, auch für mich als Prozessbegleiterin, und ein Ereignis, welches im Klienten oft lange nachhallt.
Bereits 1974 experimentierte der Stimmgabel-Pionier John Beaulieu mit den Frequenzen von Stimmgabeln und stellte in seinen klinischen Versuchen fest, dass spezifische Frequenzen das Nervensystem zu «stimmen» vermögen. Mittels Blutuntersuchungen entdeckte er, dass es Frequenzen gibt, die entspannend und solche, die aktivierend wirken. (2) Die reine Quinte von C 256 Hertz zu G 384 Hertz ist dabei die perfekte Stimmung für das Nervensystem. (3) Erklingen die beiden Töne zeitgleich, entspannen sich die Gefässe und der Organismus schüttet Stickstoffoxyd aus. Ich beginne deshalb eine Klangbehandlung gerne mit dem Anspielen dieser zwei Stimmgabeln und habe sie in Momenten, in denen ich angespannt bin, in Griffnähe. Das Anspielen der Meisterschale, die die Frequenz 128 Hertz hat, bewirkt dasselbe – 128 Hertz ist die Differenz zwischen 256 Hertz und 384 Hertz.
Gestimmte Grundschwingung
Im Idealfall kommen wir wohlgestimmt auf die Welt. Froh sei, dessen Grundstimmung so bleibt, froh, wer sich gut selbst regulieren kann und immer wieder zurück in den harmonischen Klang, ich nenne ihn Eigenklang, findet. In dieser schnellen, von unzähligen sich überlagernden Fremdschwingungen durchdrungenen Welt benötigen wir oft überproportional viel Energie, um uns gegen fremde Schwingungsfelder zu schützen. Unsere Energie ist dadurch in die Abwehr gebunden und fehlt, um die Verbindung zu uns selbst zu halten und in unseren persönlichen Klang hinein zu wachsen.
Je weniger Natur um uns herum ist, desto wirkkräftiger werden diese Fremdfelder. Da wir zu grossen Teilen aus Flüssigkeit bestehen, reagieren wir auf jeden Schwingungsimpuls – sei die Schwingung wohltuend oder nicht, sei sie technischen Ursprungs oder zwischenmenschlicher Natur. So ist es wichtig, dass wir wenigstens die Klänge und Schwingungen, die wir beeinflussen können, in Form von harmonischen Frequenzen für uns nutzen. Ich denke dabei nicht nur an Musik im herkömmlichen Sinne, sondern auch an die «Musik» der uns umgebenden Menschen, der Arbeit, die wir verrichten, der Umgebung, in der wir leben und an unsere eigene Lebenspartitur. Wer in einer Mangelstimmung lebt, sendet diese auch in sein Umfeld aus und bekommt sie wiederum zurück gespiegelt. Ob das Glas halb voll oder halb leer ist – der Blickwinkel bildet die Gestimmtheit unseres Lebens, gestaltet den «Sound», den wir aussenden.
Ein wohlgestimmter Eigenklang ist ein Tor, damit sich etwas in uns entfalten kann, aus dem heraus wir kreativ werden und unser Potential leben. Es ist das Tor, durch das wir in Verbindung mit uns selbst finden, fern aller Konditionierung, und aus dem wir genährt werden. Der Eigenklang ist das Kraftwerk für unsere freie, schöpferische Energie. Es ist der Ort in uns, von dem aus wir freudvoll mit unserer Essenz verbunden der Welt begegnen. Er fordert zuweilen Stille in uns, damit er wahrgenommen werden und sich ausbreiten kann.
Die Welt ist Klang
Wir leben mitten in einem kosmischen Orchester, doch fehlt uns neben der Wahrnehmung mittlerweile auch das kulturelle Bewusstsein für diesen Klangraum. Johannes Kepler (1571 bis 1630) konnte die Gestirne zu seiner Zeit störungsfrei beobachten, ein Gespür für deren Rhythmen entwickeln und sich auf die Suche nach den Gesetzmässigkeiten des Universums machen – um dessen Harmonien zu entdecken, besser: wiederzuentdecken. «Harmonie» kommt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt «Fügung» – die Ordnung des Universums ist kein Zufall, sondern ein durchkomponierter Wohlklang, in dem sich alles geschmeidig ineinander fügt. Die Planeten stehen in harmonischen Verhältnissen zueinander, sie klingen und schwingen miteinander – und wir im Idealfall mit ihnen. Wer nicht in seiner Harmonie lebt, rutscht unverhofft in einen Missklang, verliert dadurch die Verbindung zur schöpferischen Kraft und wird schlussendlich krank.
1981 setzte Joachim Ernst Berendt mit seiner zweiteiligen Hör-Soirée «Nada Brahma. Die Welt ist Klang» (4) einen Meilenstein. Es ertönten dank dieser Soiréen die Klangwelten weit entfernter Kulturen in unseren Stuben und vermischten sich mit hiesiger Musiktradition und unserem Klangverständnis. Und siehe da, es fand sich Verwandtes, gar Resonanzen im Fremden, es führten verschiedene kulturelle Wege zu denselben Wurzeln. Aus den Lautsprechern des Radios erklang die Gewissheit: Die Welt ist Klang. 1983 folgte «Nada Brahma» als Buch.
Hans Cousto schlug mit «Die Kosmische Oktave» (5) 1984 einen Bogen zu Johannes Kepler. Der Mathematiker und Musikwissenschaftler zeigt in seinem Buch akribisch genau die mathematischen Verhältnisse der Klänge im Universum auf. Er legt darin die musikalische Gestimmtheit des Universums dar und verweist auf alte Kulturen, unter anderem die Ägypter und Griechen, die um diese harmonikalen Zusammenhänge wussten. Die Planeten sind Instrumente im grossen universalen Orchester und stehen in harmonischen Verhältnissen, die sich durch Intervalle auszeichnen, zueinander. Wenn wir uns als Resonanzkörper des Universums verstehen, können wir mit Sphären in Kontakt treten, die wahrlich nicht von dieser Welt sind und in die ich bei Klangreisen selber schon eintauchen durfte. Es bedaf dazu weder sogenannt bewusstseinserweiternde Substanzen noch jahrelange Mediationspraxis.
Das Instrument in uns
Das Instrument, welches wir immer bei uns haben, ist die Stimme, und unser Körper ist deren Resonanzraum. So bilden wir selber ein kleines Universum und können tönend unseren Zustand erkunden. Besonders in Angst- und Stressmomenten wirkt das Summen lösend auf Blockaden, auch wenn es gerade in diesen Momenten nicht einfach ist, überhaupt ins Summen zu finden. Gebe ich mich diesem brüchigen Moment hin, halte ich mich darin aus, kommt der Moment der Überwindung und es beginnt zu fliessen. Summe oder krächze zu Beginn in den Körperbereich, in dem die Angst sitzt – es ist dies Kehlkopf, Herz- oder Bauchraum –, nimm die feinen, sich ausdehnenden Schwingungen wahr. Und nimm auch wahr, wie sich der Angstknoten löst.
Ich brauche dazu keine geschulte Stimme, ich darf einfach tönen, egal wie es klingt. Summen erweitert die Gefässe und schüttet grosse Mengen an Stickstoffoxyd und Oxytocin aus. Es entspannt und beruhigt uns durch und durch. Summen und Tönen löst die Starre in uns. Der vibrierende Kehlkopf massiert den Vagusnerv, der seitlich am Kehlkopf durchläuft und hilft, Blockaden zu lösen. Am effektivsten gelingt mir diese Übung barfuss auf Naturboden. Immer öfter auf diesem Weg werden wir mit unserem Eigenklang verbunden sein. Schwingen wir gut, können wir unseren emotionalen Raum mit Wohlklang bewohnen. Wir können uns schöpferisch entfalten, gar neue Welten in uns entdecken. Es schläft dein Lied in dir – küsse es wach, es wird dich gerne begleiten.
(1) Eva Rudy Jansen, «Klangschalen Zimbeln und Glocken – Funktion und Anwendung», Binkey Kok Publication BV Verlag, Havelte (NL) 2000, S. 35
(2) John Beaulieu, «Klangheilung mit Stimmgabeln» at Verlag, Aarau/München 2019, S. 10
(3) John Beaulieu, «Klangheilung mit Stimmgabeln» at Verlag, Aarau/München 2019, S. 55
(4) Joachim Ernst Berendt, «Nada Brahma – Die Welt ist Klang»
Hör-Soirée-CD: Auditorium-Netzwerk DEBK47-1008-318 (auf youtube fehlen auf Grund von Urheberrechten viele Musikbeispiele)
Buch: Suhrkamp Verlag, Berlin 2007
(5) Hans Cousto, «Die Kosmische Oktave» Synthesis Verlag, Essen 1984