Naher Osten, Frieden weit

Erinnern Sie sich an die Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein? Sie führten zu einem Krieg mit Hunderttausenden von Toten und mehreren Billionen Dollar Kosten (von den Dollar-Besitzern in aller Welt durch 20-prozentigen Wertverlust innerhalb eines Jahres wesentlich mitfinanziert). Am Ende mussten die USA zugeben: Der Kriegsgrund, die Massenvernichtungswaffen, hatten gar nicht existiert. Aber das Ziel war erreicht, das irakische Öl gesichert.

Erinnert dieses Szenario nicht an die laufende Kampagne gegen den Iran, der sich zudem wie Saddam Hussein und Ghadaffi erdreistet, sein Öl nicht gegen Dollar, sondern gegen Euro zu verkaufen. Nur: der Iran ist eine alte Kulturnation, die sich nicht einfach wegschiessen lässt wie der Irak, ein britisches Reissbrettprodukt nach dem Fall des osmanischen Reiches. Wer den Iran angreifen will, muss seine Kräfte bündeln. Wie praktisch, dass Libyen gefallen und Ägypten nach der Revolution faktisch handlungsunfähig ist. Bleibt noch Syrien, der einzige arabische Staat, der sich vom Westen nicht vereinnahmen liess, beharrlich die Wiederherstellung der Grenzen von 1967 fordert und an dessen Spitze mit Bashar al-Assad der populärste Herrscher der arabischen Welt steht. Solange Assad an der Macht ist, bleibt der bereits geübte israelische Erstschlag gegen den Iran ein unkalkulierbares Risiko.
Ich habe Syrien vor zwei Jahren während dreier Wochen bereist, als Tourist, aber mit intensivem politischem Interesse. Ich habe mit Dutzenden von Menschen aller Schichten gesprochen und festgestellt: Assad wird verehrt, die Korruption der Clique seines Vaters zugeschrieben. Das isolierte Land mit seiner uralten multireligiösen Tradition ist zwar arm, aber friedlich und sicher. Das sicherste Land, das ich je bereiste.
Mit dieser persönlichen Erfahrung konnte ich den gewaltsamen Volksaufstand der letzten Monate einfach nicht verstehen. Da besuchte mich im Februar Freedom Ezabel, der von alternativen Radiostationen als verfolgter syrischer Schriftsteller interviewt worden war. Zu meiner Überraschung bestätigte er meine Zweifel und setzte noch eins drauf: Es würden auch gezielt falsche Informationen verbreitet, zum Beispiel über eine Beschiessung seines eigenen Wohnorts, von der er nicht das Geringste mitbekommen hätte.

Wer Hintergrundinformationen über Syrien sucht, ist mit dem französischen réseau voltaire gut bedient, wenn seine Website www.voltairenet.org nicht gerade gehackt wird. Frankreich, als letzte Besatzungsmacht, ist besonders eng mit dem Aufstand verbunden und hat als erstes Land (nach Libyen) den syrischen Nationalrat der Opposition anerkannt. 19 französische Armeeangehörige mit NATO-Kommunikationsanlagen sind in Syrien bereits verhaftet worden, darunter ein hoher Informationsoffizier. Was haben diese Leute dort zu suchen? Und wie gelangten die Rebellen in den Besitz der teuren Panzerabwehrraketen, mit denen sie der syrischen Armee den Granatbeschuss der besetzten Gebiete aufzwangen? Und womit bezahlen tausende von islamistischen Kämpfern die Hotels in Jordanien und in der Südtürkei, in denen sie auf ihren Einsatz in Syrien warten?
Die Massenmedien beantworten diese Fragen natürlich nicht, sondern bombardieren uns mit ungesicherten Parteiinformationen und regelrechter Propaganda. So zeigte das ZDF im November einen Film, in dem Soldaten Zivilisten brutal verprügelten, angeblich aus Syrien. Das Video wurde aber 2007 aus dem Irak hochgeladen! Das Video finden Sie hier.



Zur Zeit sieht es nicht nach einem Fall Assads aus, das islamische «Emirat» Baba Amr in einem Stadtteil von Homs ist aufgelöst. Das verändert die strategische Lage für den gewollten Krieg gegen den Iran erheblich. Es droht ein Mehrfrontenkrieg, den sich die US-israelische Allianz gründlich überlegen wird. Dies ist ein günstiger Moment für die Friedensbewegung – wenn sie denn erkennt, dass hinter vielen Menschenrechtsgruppen geheimdienstliche Absichten und Mittel stehen.

Am iranischen Nationalfeiertag war ich zu einem Empfang in der Residenz des Botschafters geladen. Es ergab sich ein einigermassen politisch unkorrektes Gespräch mit einem ehemaligen Nationalrat und einem prominenten Friedensforscher über den Propagandakrieg im Nahen Osten. Da sagt der Friedensforscher: «Ist es nicht interessant, dass wir uns exterritorial treffen, um uns offen über den Frieden auf der Welt zu unterhalten.»

Was tun? Informieren Sie sich auf alternativen Kanälen und werden Sie politisch unkorrekt. Wahrer leben kann auch Spass machen. Meine Favoriten in dieser Hinsicht sind die deutschen Kabarettisten Volker Pispers und der unvergleichliche Georg Schramm, dessen Kultfigur, der zornige Rentner Lothar Dombrowski in einer enormen Internet-Kampagne sogar als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten lanciert wurde. Die beiden Leuchttürme verbreiten eigentlich nichts anderes als die Wahrheit. Aber als Kabarettisten muss man sie nicht ganz ernst nehmen und kann über das lachen, was uns eigentlich das Blut in den Adern gefrieren lassen sollte.
04. Mai 2012
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Christoph Pfluger

Submitted by admin on Do, 07/13/2017 - 08:33

Christoph Pfluger ist seit 1992 der Herausgeber des Zeitpunkt. "Als Herausgeber einer Zeitschrift, deren Abobeitrag von den Leserinnen und Lesern frei bestimmt wird, erfahre ich täglich die Kraft der Selbstbestimmung. Und als Journalist, der visionären Projekten und mutigen Menschen nachspürt weiss ich: Es gibt viel mehr positive Kräfte im Land als uns die Massenmedien glauben lassen".

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