Corona-Demo: Widerspruch wird pauschal verteufelt

Tausende haben letzten Samstag in Berlin demonstriert. Die Berichterstattung vor und nach der Demo von Kritikern der Corona-Politik ist skandalös – auch wenn man der Demo selber inhaltlich distanziert gegenübersteht: Die Diffamierung als rechtsextrem und der Umgang mit absurden Teilnehmer-Zahlen ist höchst unseriös.

Es gab wohl selten eine Demonstration in Deutschland, die so konsequent und so einhellig von Politik und Medien diffamiert wurde wie die Demonstration von Kritikern der Corona-Politik am Samstag in Berlin.

Nur 20.000 asoziale und rechtsextreme Hedonisten.

Zu kritisieren sind vor allem folgende Punkte: Eine scharfe inhaltliche Abwertung, bereits im Vorfeld – weite Teile von Medien und Politik waren sichtlich bemüht, möglichst viele Bürger von einer Teilnahme abzuhalten, indem der Charakter der Demo als „rechtsextrem“ dargestellt wurde. Beispiele für diese teils giftigen Vorberichte finden sich etwa hier oder hier oder hier. Dass sich trotz dieser offenen medialen Feindschaft viele Bürger auf die Straße getraut haben, ist erstaunlich. Bei den aktuellen Berichten und der medialen Nachlese fällt auch die flächendeckende Übernahme der von der Polizei mit 20´000 angegebenen Zahl an Teilnehmern negativ auf. Diese Zahl erscheint angesichts der für alle Bürger zugänglichen Bilder von der Demo absurd niedrig. Eine Anfrage bei der Berliner Polizei dazu blieb bislang unbeantwortet.

Kritikwürdig ist auch das bestimmende Motiv der Berichterstattung, die die Demonstranten pauschal nicht als um die Verfassung besorgte Bürger darstellt, sondern als generell unbesonnene Menschen, die nur endlich ihr altes Leben wiederhaben wollten und dafür bereit seien, die ganze Gesellschaft zu gefährden. Und die zusätzlich bereit seien, für dieses schäbige Ziel mit Nazis und Reichsbürgern gemeinsame Sache zu machen. Zu diesem Punkt folgt weiter unten mehr.

Man kann der Demo distanziert gegenüberstehen. Ich persönlich hätte sie nicht besucht. Aber wenn eine inhaltliche Bewertung in die nun erlebte Diffamierung ausartet, stellt sich die Frage: Ist es legitim, wenn Medien und Politik in der praktizierten Schärfe, Einhelligkeit und Unseriosität die politische Meinungsäußerung von zahlreichen Bürgern zu einem wichtigen Thema so hart verteufeln?

Denken die Redakteure, sie könnten das im Internet-Zeitalter einfach so behaupten?

Zu strikter Neutralität wären zumindest die Behörden verpflichtet gewesen. Die Auflösung der Demo und das Stellen von Strafanzeigen gegen die Veranstalter steht aber in Kontrast zum behördlichen Verhalten etwa gegenüber den Demos gegen Rassismus vom vergangenen Juni. Zu den sehr unrealistischen Polizei-Angaben zur Teilnehmerzahl und ihrer unkritischen Übernahme durch fast alle Medien fragen sich wohl nun viele Bürger auch: Denken die Redakteure, sie könnten das im Internet-Zeitalter einfach so behaupten?

Diese Demo war nicht rechtsextrem dominiert – wer das sagt, verharmlost die wirklich Rechtsextremen, wie Albrecht Müller in dem Zusammenhang bereits kürzlich in den Hinweisen des Tages kommentiert hat. Wie sollte man denn zukünftig richtige Nazis bezeichnen? Als Veranstalter hat man zudem nicht die volle Kontrolle über jeden Demonstranten und auch nicht darüber, wer außerhalb des Organisatoren-Kreises selbstständig (zusätzlich) zu einer Demo aufruft. Kontrolle hat man als Veranstalter jedoch über die Rednerliste. Die dort angekündigten Redner haben mich persönlich übrigens nicht angesprochen. Die Verteidigung des Prinzips der Meinungsfreiheit und auch der Gleichbehandlung verschiedener Ansichten bedeutet keineswegs die Übernahme aller Positionen etwa der Demo vom 1. August.

Ähnlich wie in den Vorberichten wurde auch im Nachhinein hart mit den Demonstranten ins Gericht gegangen. Laut „Tagesschau“ waren „Corona-Leugner, Verschwörungsideologen, rechte Esoteriker und Rechtsextremisten aus dem ganzen Bundesgebiet“ darunter. In einer anderen Ausgabe der „Tagesschau“ wurde die Demo in Kontrast zu der „erhöhten Zahl von Neuinfektionen“ gesetzt: „Dessen ungeachtet demonstrierten in Berlin etwa 20´000 Menschen.“ Diese Aussage muss als unseriös bezeichnet werden: sowohl die nicht ins Verhältnis gesetzten „Neuinfektionen“ als auch die Übernahme der offensichtlich viel zu niedrig angesetzten Teilnehmerzahl.

Dass gegen die Demo-Veranstalter Strafanzeige gestellt wurde, haben viele Medien berichtet, etwa das ZDF. Dieses rigide Vorgehen der Behörden wurde aber nicht in Relation gesetzt zum vergleichbar laxen medialen und juristischen Umgang mit anderen Demos, deren Inhalte vielen Redakteuren und Politikern näher scheinen. Behörden und weite Teile von Medien und Politik scheinen die Auslegung des Demonstrationsrechts von den jeweiligen Inhalten abhängig machen zu wollen. Das ist fatal. Mit dieser Aussage sollen die Inhalte der Corona-Demo nicht bewertet werden. Nicht negativ, aber auch nicht positiv: Die Gewährung des Versammlungsrechts sollte von der inhaltlichen Frage getrennt sein, solange in den offiziellen Aufrufen und Reden nicht justiziable Inhalte verkündet werden. Anfragen bei der Berliner Polizei zu diesen Unterschieden im Umgang wurden ebenfalls bislang nicht beantwortet. Ein Phänomen: Die Demonstrationen gegen die Corona-Politik in den vergangenen Wochen waren strengen ordnungspolitischen Begrenzungen ausgesetzt, aber etwa den Großdemos gegen Rassismus vom Juni in Deutschland in dieser Hinsicht erheblich mehr Spielraum gelassen wurde.

Wenn so einfach ein Ausnahmezustand kreiert werden kann, dann nährt das bei vielen Bürgern Ängste, auch für weitere Entwicklungen in der Zukunft.

Zur weit verbreiteten Praxis, das Unbehagen über die Corona-Politik als hedonistischen Egoismus abzutun, sei hier noch angemerkt: Diese Hedonisten gibt es natürlich. Auf der anderen Seite geht es aber sehr vielen Bürgern nicht zu allererst um die akuten Einschränkungen wie die Maskenpflicht. Die würden viele Menschen wohl durchaus akzeptieren, wenn sie nicht das Gefühl hätten, dass die Begründung für die aktuellen Einschränkungen auf unseriösen Daten beruht und das seriöse Fragen danach bereits als Ketzerei verdammt werden. Darum pochen zahlreiche Skeptiker auch genau darauf: Nämlich festzustellen, ob die Zahlen- und Daten-Grundlage für die bis vor einigen Monaten undenkbaren politischen Schritte so fehlerhaft und unseriös ist, wie es den Eindruck macht.

Wenn auf einer mutmaßlich unseriösen Grundlage so schnell und so einfach ein Ausnahmezustand kreiert werden kann, dann nährt das bei vielen Bürgern Ängste, auch für weitere Entwicklungen in der Zukunft. Und diese Sorgen gehen weit über aktuelle Alltagseinschränkungen hinaus, und sie haben wenig mit einem asozialen Hedonismus zu tun. Im Gegenteil: Wenn man den Spruch „Wehret den Anfängen“ ernst nimmt, so muss man den Impuls vieler Bürger nachvollziehen, einer möglicherweise heraufziehenden und jeweils mit „übergeordneten Gütern“ begründeten Überwachungs-Gesellschaft entgegentreten zu wollen. Diese Ängste mag man je nach Standpunkt als übertrieben empfinden. Aber abtun, wie man es in den vergangene Wochen erlebt hat, sollte man sie nicht.

Die langfristigen sozialen Folgen der Corona-Episode unter anderem in Form von nochmals wachsender Ungleichheit müssen als dramatischer angenommen werden als alles, was seit dem Zweiten Weltkrieg vonstatten ging. Dazu kommt kommt eine von vielen Bürgern empfundene Ignoranz gegenüber jenen sozialen Belangen zugunsten eines radikalen medizinischen Tunnelblicks. All das wird aber als Lappalie abgetan und hinter einer Medien-Empörung über den angeblich kleinlichen Bürger-Egoismus, dem schon eine getragene Maske „zu viel des Gemeinschaftssinns“ sei. Dass (im Gegenteil) manche der Corona-Skeptiker die Verfasstheit der Gesamtgesellschaft und ihre potenzielle Entwicklung nach den Erfahrungen der letzten Wochen eher mehr im Blick haben als die in einer akuten Alarmstimmung des Augenblicks verharrende Mehrheit der Journalisten und Politiker, wird oft nicht angemessen wahrgenommen.

Zum Vorwurf der Unterwanderung der Skeptiker von Rechts: Wer aus dem progressiven, ehemals „links“ bezeichneten Spektrum würde sich denn nach den nun wieder erlebten Kampagnen überhaupt noch trauen, auf einem kritischen Podium zur Corona-Politik aufzutreten – etwa, um linke Standpunkte zum Potenzial der Überwachung zu vertreten? Wer das tut, muss wirklich hart im Nehmen sein. Ist diese Art der medialen Einschüchterung zu vertreten, zumal in deren Folge viele „Linke“ es nicht mehr wagen, öffentlich zu dem Thema zu sprechen und dadurch automatisch anderem Personal die Bühne bereitet wird?
 

03. August 2020
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