Der Witz, eine verkannte Kunst?

©ron&joe

Meine Güte, was haben wir in der Lobby gelacht. Nach einer Veranstaltung mit dem Schauspieler Hanspeter Müller-Drossaart in Lenzerheide lud ich ihn zu einem Drink ein, und die Gäste setzten sich zu uns. Er zeigte sich auch nach dem offiziellen Programm als begnadeter Erzähler von Witzen – und kennt eine Unmenge davon. Da war mir wieder klar, dass der Witz eine unterschätzte Konversations-Kunst ist.

«Witz» gehört sprachhistorisch zu den Wortfamilien Verstand und Wissen, so das Duden-Herkunftswörterbuch. Im 17. Jahrhundert kam im Deutschen die Verwendung im Sinne von «Esprit, Gabe des geistreichen Formulierens» auf. «Witzeln» oder «Spötteln» standen im 16. Jahrhundert für «klug reden». Witze werden erzählt, um Dummheit und Nichtwissen blosszustellen.

Ein Scherz funktioniert nur, wenn alle wissen, was die Realität ist. Ohne Tatsachen gäbe es den Humor nicht. Wenn jemand einen Witz erzählt, muss er voraussetzen können, dass seine Zuhörer genug gebildet sind, um ihn zu verstehen. Sie müssen also ein Mindestwissen haben, so dass sie die erzählte Geschichte als eine Unmöglichkeit erkennen. Satire, Comedy und Kabarett sind Formen des Witzes, zugeschnitten auf ein passendes Publikum, je nach Ort und Anlass.

Der Witz legt Schwachstellen im System bloss und deckt Mängel in der Gesellschaft und Politik auf. Wer welche Art von Witz erzählen darf, ist auch eine Frage der Position. Während die Herkunft der Appenzeller-, Österreicher- oder Ostfriesenwitze  unterschiedlich interpretiert wird, haben die Jüdischen Witze eine tiefe historische Kultur. Und wenn Sie mal eine Gesellschaft unterhalten möchten, dann seien Sie sich bewusst, dass der Inhalt des Witzes Ihren Geist und Stil widerspiegelt. Das ist das eine. Nun kommt aber die zweite massgebende Herausforderung! Der Witz ist erst gelungen, wenn er auch entsprechend mit Rhetorik, Modulation und Charakterspiel zum Besten gegeben wird. Und hier wäre für so manchen Witzliebhaber noch ein Workshop fällig. Stimmts?
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