Ich liebe die dunkle Zeit als Zeit der stillen Einkehr und Intimität. Eine Zeit, in der wir auf das Wunder warten. Im allerdunkelsten Moment des Jahres, wenn wir immer stiller geworden sind und alle Aktivitäten, Erwartungen und Selbstwichtigkeiten herunterfahren, dann kann es kommen: all das, was unser Herz sich wünscht, wir aber nicht mehr für möglich hielten.
«Träum´ weiter!» sagt diese garstige, allzu bekannte Stimme in mir. «Es gibt keine Wunder.» Vielleicht gibt es sie wirklich nicht, jedenfalls solange wir nicht das erkennen und entmachten, was uns da immer die Suppe versalzt: Das Böse.
Das Böse erkennen – das haben wir versucht mit dem neuen Zeitpunkt-Magazin, welches jetzt beim Drucker ist. Ein Leser hat uns dabei auf eine Webseite aufmerksam gemacht: explainingevil.com – das Böse erklären. Ich fand sie interessant und habe mir wesentliche Teile aus dem Englischen übersetzt. Ich weiss nicht, ob die anonymen AutorInnen alles wirklich wörtlich meinen. Für mich ist es ein brauchbares Gleichnis.
In aller Kürze: Das Böse gibt es, es sind materielle und geistige Wesen mitten unter uns. Sie hielten sich für gottgleich, wollten sich nicht mehr verändern, sondern herrschen, Menschen kontrollieren, Macht ausüben. Ihre stärkste Waffe dazu heisst PIN: eine «programmierte Illusion der Normalität». In dieser Schein-Normalität gibt es keine Wunder, Krieg ist ein Naturgesetz, Armut und Ungerechtigkeit sind unvermeidlich. Die meisten Menschen akzeptieren dies unbewusst, stellen es nicht mehr in Frage – und damit manifestiert es sich immer aufs Neue, seit Tausenden von Jahren.
Doch das Böse ist nur mächtig, solange ihm blindlings folgen: Wenn genügend Menschen erkennen, dass unsere «Normalität» eine bösartige Programmierung ist und keine Realität, können wir es entwaffnen.
Dazu lade ich ein in dieser Adventszeit. Ich wünsche uns allen Lichtmomente, in der etwas anderes wichtiger und mächtiger ist als unsere Scheinnormalität. Jeder solcher Momente ist ein Riss in der kollektiven Programmierung. Ein Riss, durch den wir eine schönere Wirklichkeit erkennen können.
Eine schönere Wirklichkeit wird sich im Äusseren nicht nur durch Stille manifestieren, sie braucht auch Denken, Planen, Zusammenkommen und Arbeit, Versuch und Irrtum. Aber eben auch etwas, das ich ganz altmodisch Gnade nenne. Ohne die Risse werden wir diese Gnade nicht wahrnehmen.