Trump verkündet historische Einigung im Nahost-Konflikt
Die arabischen Staaten unterstützen Trumps Plan, doch Netanjahus Vorbehalte lassen schwierigen Weg erahnen
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(Screenshot Medienkonferenz)

In einem dramatischen Marathontreffen im Weissen Haus ist es US-Präsident Donald Trump gelungen, Israels Premierminister Benjamin Netanjahu zur Zustimmung zu einem 20-Punkte-Friedensplan für Gaza zu bewegen.

Das ursprünglich auf 1,5 Stunden angesetzte Gespräch dauerte fast drei Stunden und deutet auf erhebliche Verhandlungshürden hin. Die anschliessende Pressekonferenz offenbarte tiefe Gräben zwischen den vermeintlichen Partnern.

Während Trump den «umfassenden Plan zur Beendigung des Gaza-Konflikts» als historischen Durchbruch feierte, machte Netanjahu deutlich, dass seine Zustimmung unter dem Vorbehalt der Akzeptanz durch die Hamas steht. Sie wird ihrer Auflösung ohne Rechtsgarantien für die Palästinenser in Gaza – deren formelle Regierung sie immer noch ist – kaum zustimmen.

Der israelische Regierungschef ging sogar noch weiter: Sollte die Hamas das Abkommen ablehnen oder später brechen, werde Israel «die Arbeit selbst zu Ende bringen» – eine unverhohlene Drohung mit weiteren Militäroperationen.

Die Palästinensische Autonomiebehörde müsse beweisen, dass sie sich reformiert habe – beispielsweise, indem sie ihre Verfahren vor dem Int. Gerichtshof und dem Int. Strafgerichtshof («Lawfare») einstelle. Netanjahu dankte seinen «unglaublich mutigen Soldaten» und erklärte, sie stünden «an der Frontlinie im Krieg zwischen Zivilisation und Barbarei».

Besondere Brisanz erhielt die Pressekonferenz durch eine erzwungene Entschuldigung Netanjahus gegenüber Katar für die jüngste Bombardierung Dohas. Trump hatte eigens während des Treffens einen Anruf bei Emir al-Thani initiiert. Als Geste der Wiedergutmachung kündigte Trump einen «trilateralen Dialogmechanismus» zwischen USA, Israel und Katar an.

Was an der Pressekonferenz auch aufgefallen ist: Jede Erwähnung geschweige den Anerkennung des laufenden Völkermordes wurde vermieden. Vielmehr liess Trump durchblicken, dass man den Gazastreifen niemals den Palästinensern hätte überlassen sollen – denen er seit dem Ende des Osmanischen Reiches immer gehörte

International erfährt Trumps Plan überraschend breite Unterstützung. Acht arabische und muslimische Staaten – darunter Saudi-Arabien, Katar, Ägypten und die Türkei – begrüssten den Vorstoss in einer gemeinsamen Erklärung. Sie betonen besonders elementare Punkte: Verhinderung der Vertreibung der Palästinenser, den vollständige israelischen Rückzug, massive humanitäre Hilfe und eine Zwei-Staaten-Lösung.

Doch die Diskrepanzen zwischen Trumps Darstellung und Netanjahus Aussagen sind eklatant. Während der US-Präsident sich auf Geiselbefreiung und Entwaffnung der Hamas konzentrierte, erwähnte er nicht die im Plan festgeschriebenen heiklen Punkte wie sofortige Lieferung von 600 Lkw Hilfsgütern täglich oder das Verbot israelischer Annexionen in Gaza.

Netanjahu stellte zusätzliche Bedingungen, darunter Reformen der Palästinensischen Autonomiebehörde und die Einstellung von Klagen vor internationalen Gerichten. Seine martialische Rhetorik von der «Frontlinie zwischen Zivilisation und Barbarei» lässt wenig Hoffnung auf konstruktive Zusammenarbeit.

Der Plan wurde unmittelbar nach der Pressekonferenz an Hamas-Unterhändler übergeben. Ob der fragile Kompromiss hält, bleibt ungewiss. Trump kündigte zwar an, einen «Friedensrat» (mit Tony Blair als Mitglied!) zu leiten, räumte aber gleichzeitig ein, eigentlich «keine Zeit für den Nahen Osten» zu haben. Die kommenden Tage werden zeigen, ob dieser Widerspruch den vielbeschworenen Friedensprozess bereits im Keim erstickt.

Der Plan (siehe unten) klingt gut, doch es fällt schwer, den beiden Politikern zu glauben. Beiden klebt Blut an den Händen – Netanjahu, weil er den Völkermord an den Palästinensern in Gaza betreibt, Trump, weil der Genozid ohne seine Unterstützung nicht möglich wäre. Irgendeine Form der Reue war bei beiden nicht wahrnehmbar.

Trump hat schon viele Versprechungen abgegeben und nicht gehalten. Und Netanjahu steht angesichts der breiten Unterstützung für einen Palästinenserstaat in der Defensive und muss sich mit einer Friedensoffensive Spielraum schaffen.

Es ist also durchaus möglich, dass der Plan schon wieder ein Theater ist, während hinter den Kulissen die nächste Phase auf dem Weg zu Erez Israel vorbereitet wird.

Wenn Trump es ernst meint, muss er die Waffenlieferungen an Israel sofort stoppen, mit Ausnahme eindeutiger Defensivwaffen. Und er muss sofort die uneingeschränkte humanitäre Hilfe durchsetzen.

Video der Pressekonferenz von Trump und Netanjahu:


Kritik: zu vage und kein Schutz für die Palästinenser

Phyllis Bennis, eine renommierte US-amerikanische Aktivistin, Fellow am Institute for Policy Studies (IPS) in Washington und Autorin zahlreicher Bücher kritisiert den Plan in einem Videogespräch auf Al Jazeera, dem Sender aus Katar:

Ihre wesentlichen Kritikpunkte:

  1. Fehlender Schutz für Palästinenser: Der Plan bietet keinerlei Garantien für palästinensische Interessen. Er adressiert weder die hohen zivilen Opferzahlen noch grundlegende Rechte wie das Rückkehrrecht oder eine Zwei-Staaten-Lösung. Stattdessen priorisiert er einseitig israelische Sicherheitsinteressen.
  2. Zementierung der Besatzung: Die vorgesehene internationale Truppenpräsenz würde eine langfristige Besatzung unter US-Dominanz institutionalisieren. Die unklaren Regeln für Einsatz und Rückzug ermöglichen eine dauerhafte Präsenz, die palästinensische Souveränität verhindert.
  3. Vage Umsetzung & Ausschluss: Unklare Formulierungen zu Reformen und israelischem Rückzug schaffen Vetomöglichkeiten für Israel. Palästinensische Stimmen werden marginalisiert, während eine nicht-gewählte, technokratische Verwaltung die Selbstbestimmung untergräbt.
  4. Rezept für anhaltendes Leid: Der Plan setzt koloniale Siedlerlogik fort, ignoriert historische Zusammenhänge und riskiert permanente Konflikte. Bennis fordert globale Solidaritätsbewegungen als Gegenkraft.


Der 20-Punkte-Plan 

in leicht gekürzter Übersetzung, basierend auf der offiziellen Veröffentlichung des Weissen Hauses):

  1. Gaza als terrorfreie Zone: Gaza wird zu einer entradikalisierten, terrorfreien Zone, die keine Bedrohung für seine Nachbarn darstellt.
  2. Wiederaufbau für die Bevölkerung: Gaza wird zum Wohle seiner Menschen neu entwickelt, die mehr als genug gelitten haben.
  3. Sofortiges Kriegsende bei Zustimmung: Wenn beide Seiten zustimmen, endet der Krieg sofort. Israelische Truppen ziehen sich auf die vereinbarte Linie zurück, um die Geiselfreilassung vorzubereiten. Alle Militäroperationen, einschliesslich Luft- und Artillerieangriffe, werden ausgesetzt; die Frontlinien bleiben eingefroren, bis die Bedingungen für einen vollständigen, schrittweisen Rückzug erfüllt sind.
  4. Freilassung aller Geiseln: Innerhalb von 72 Stunden nach öffentlicher Annahme durch Israel werden alle Geiseln, lebend und tot, freigelassen.
  5. Gegenseitige Freilassungen: Sobald alle Geiseln freigelassen sind, entlässt Israel 250 lebenslänglich Inhaftierte sowie 1.700 Gazaner, die nach dem 7. Oktober 2023 festgenommen wurden, einschliesslich aller Frauen und Kinder. Für jede freigelassene Leiche eines israelischen Geisels werden die Leichen von 15 verstorbenen Gazanern freigegeben.
  6. Amnestie für Hamas-Mitglieder: Sobald alle Geiseln zurück sind, erhalten Hamas-Mitglieder, die friedliches Zusammenleben geloben und ihre Waffen abgeben, Amnestie. Mitglieder, die Gaza verlassen möchten, erhalten sicheren Durchgang in Aufnahmeländer.
  7. Sofortige humanitäre Hilfe: Bei Annahme wird volle Hilfe sofort in den Gazastreifen geschickt. Mindestmengen entsprechen dem Abkommen vom 19. Januar 2025, inklusive Wiederherstellung von Infrastruktur (Wasser, Strom, Abwasser), Krankenhäusern, Bäckereien und Ausrüstung zur Schuttbeseitigung und Strassenfreimachung.
  8. Unabhängige Hilfsverteilung: Die Einfuhr und Verteilung von Hilfe erfolgt ohne Störung durch die Parteien über die UN und ihre Agenturen, den Roten Halbmond sowie andere neutrale internationale Institutionen. Die Eröffnung der Rafah-Übergänge in beide Richtungen unterliegt dem Mechanismus vom 19. Januar 2025.
  9. Übergangsverwaltung: Gaza wird vorübergehend von einem technokratischen, apolitischen palästinensischen Komitee verwaltet, das für den täglichen Betrieb öffentlicher Dienste und Kommunen verantwortlich ist. Dieses Komitee besteht aus qualifizierten Palästinensern und internationalen Experten, unter Aufsicht eines neuen internationalen Übergangskörpers, dem «Board of Peace", das von Präsident Donald J. Trump geleitet und moderiert wird. Weitere Mitglieder und Staatschefs werden angekündigt, einschliesslich des ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair. Der Rat legt den Rahmen fest und handhabt die Finanzierung des Gaza-Wiederaufbaus, bis die Palästinensische Autonomie ihr Reformprogramm (z. B. aus Trumps 2020-Plan und saudisch-französischen Vorschlägen) abgeschlossen hat und Gaza sicher übernehmen kann. Er nutzt internationale Standards für moderne, effiziente Governance, die Investitionen anzieht.
  10. Trump-Wirtschaftsplan: Ein Trump-Entwicklungsplan zum Wiederaufbau Gazas wird durch Experten erstellt, die moderne «Wunderstädte» im Nahen Osten geschaffen haben. Internationale Investitionsvorschläge werden integriert, um Sicherheits- und Governance-Rahmen zu schaffen, die Jobs, Chancen und Hoffnung schaffen.
  11. Spezielle Wirtschaftszone: Eine spezielle Wirtschaftszone wird eingerichtet mit bevorzugten Zöllen und Zugangsraten, die mit teilnehmenden Ländern verhandelt werden.
  12. Keine Zwangsvertreibung: Niemand wird gezwungen, Gaza zu verlassen; wer gehen möchte, kann das tun und auch wieder zurückkehren. Wir ermutigen zum Bleiben und bieten die Chance, ein besseres Gaza aufzubauen.
  13. Demilitarisierung und Hamas-Ausschluss: Hamas und andere Fraktionen haben keine Rolle in der Gaza-Verwaltung, direkt, indirekt oder in anderer Form. Alle militärischen, terroristischen und offensiven Infrastrukturen, einschliesslich Tunnel und Waffenproduktionsstätten, werden zerstört und nicht wiederaufgebaut. Es gibt einen Demilitarisierungsprozess unter unabhängiger Überwachung, inklusive Deaktivierung von Waffen, einem international finanzierten und verifizierten Rückkauf- und Reintegrationsprogramm. Das neue Gaza verpflichtet sich zu einer prosperierenden Wirtschaft und friedlichem Zusammenleben mit den Nachbarn.
  14. Garantien durch regionale Partner: Regionale Partner garantieren, dass die Hamas und andere Fraktionen ihre Verpflichtungen einhalten und das neue Gaza keine Bedrohung für Nachbarn oder seine Menschen darstellt.
  15. Internationale Stabilisierungskraft (Int. Stabilization Force): Die USA arbeiten mit arabischen und internationalen Partnern an einer temporären Internationalen Stabilisierungskraft (ISF), die sofort in Gaza statiioniert wird. Die ISF schult und unterstützt geprüfte palästinensische Polizeikräfte und konsultiert dabei Jordanien und Ägypten. Sie ist die langfristige innere Sicherheitslösung, sichert Grenzen mit Israel und Ägypten, verhindert Munitionseinfuhr und erleichtert den Warenfluss für den Wiederaufbau. Ein Deeskalationsmechanismus wird vereinbart.
  16. Keine israelische Annexion oder Besetzung: Israel wird Gaza nicht besetzen oder annektieren. Sobald die ISF Kontrolle und Stabilität etabliert, zieht das israelische Militär schrittweise ab, basierend auf vereinbarten Standards, Meilensteinen und Fristen. Ziel: Ein sicheres Gaza ohne Bedrohung für Israel, Ägypten oder Bürger. Praktisch: das israelische Militär übergibt besetzte Gebiete schrittweise an die ISF, bis zum vollständigen Rückzug, ausser einem Sicherheitsperimeter, der bleibt, bis Terrorbedrohungen beseitigt sind.
  17. Fallback bei Ablehnung durch Hamas: Falls Hamas den Plan verzögert oder ablehnt, gelten die obigen Massnahmen, inklusive der erweiterten Hilfsoperation, in den terrorfreien Gebieten, die vom israelischen Militär an die ISF übergeben werden.
  18. Interreligiöser Dialog: Ein interreligiöser Dialogprozess wird eingerichtet, basierend auf Toleranz und friedlichem Zusammenleben, um Denkweisen und Narrative von Palästinensern und Israelis zu ändern und die Vorteile des Friedens zu betonen.
  19. Pfad zur palästinensischen Selbstbestimmung: Während der Gaza-Wiederentwicklung und bei treuer Umsetzung des Reformprogramms könnten Bedingungen für einen glaubwürdigen Pfad zur palästinensischen Selbstbestimmung und Staatlichkeit geschaffen werden, die wir als Aspiration des palästinensischen Volkes anerkennen.
  20. Politischer Dialog: Die USA etablieren einen Dialog zwischen Israel und Palästinensern, um einen politischen Horizont für friedliches und prosperierendes Zusammenleben zu vereinbaren.


«Die israelische Armee wird in den meisten Teilen des Gasastreifen bleiben»,

sagt Benjamin Netanjyhu nach der Pressekonferenz in diesem Interview mit einem israelischen Sender:

 

 

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