«Wir müssen uns fragen: Wie wollen wir als Gesellschaft zusammen leben?»

Susanne Baumann kandidiert als Vertreterin der Integralen Politik für den Nationalrat. Im Interview erzählt sie, warum wir eine neue Art von Politik brauchen – und warum sie die Richtige für den Job ist.

44-Jährige europäische Frau mit grau melierten, kinnlangen Haaren und weisser Bluse sitz auf einem weissen Sofa und blickt in die Kamera
Susanne Baumann von der Integralen Politik (IP) kandidiert für den Nationalrat. (Bild: zvg)

Die Integrale Politik (IP) gibt es seit zehn Jahren als Bewegung und seit wenigen Jahren als Partei. Nun kandidieren Mitglieder aus den Kantonen Zürich, Luzern, Basel-Stadt und Genf für den Nationalrat.

Susanne Baumann, 44, ist eine von ihnen. Sie hat Wirtschaft und Internationale Beziehungen an der Universität St. Gallen studiert und arbeitete danach in unterschiedlichen Branchen und Positionen. Nach einem längeren Aufenthalt in Indien gründete sie ihre eigene Schule für Yoga und Meditation in Zürich, die sie mehrere Jahre lang erfolgreich führte. Heute coacht sie als Unternehmerin Führungskräfte und Teams, die sich einer Mission verpflichten. Wir trafen sie zum Interview und wollten von ihr wissen:

Susanne Baumann, was läuft schief in der Politik?

Susanne Baumann: Sie wird vor allem durch kurzfristige Ereignisse gesteuert. Sollte es diesen Sommer einen Terroranschlag geben, rutscht sie nach rechts. Gibt es einen heissen Sommer und den Ruf nach mehr Klimaschutz, rutscht sie nach links. Die Gesellschaft reagiert stark auf emotionale Ereignisse. Was fehlt, ist eine Vision: Wie wollen wir als Gesellschaft langfristig zusammen leben – Menschen, Tiere, Technik und Natur?

Eine solche Vision brauchen wir. Erst daraus lassen sich politische Massnahmen ableiten, die mithelfen, unsere Zukunft nachhaltig zu gestalten und auch schwierige Zielkonflikte sinnvoll zu lösen, wie jene zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern oder zwischen Natur und Wirtschaft. Die Klimaschäden sind Realität und die Zeit wird knapp, aber man macht einfach so weiter.

«Die Integrale Politik setzt sich dafür ein, dass allen Ebenen Rechnung getragen wird – nicht nur der rationalen, wie es heute der Fall ist.»

Wie erklären Sie sich das? Dass man in der Politik zwar sieht, wohin man steuert, aber trotzdem keine Kurskorrektur vornimmt, zum Beispiel bezüglich Klimaschäden?

Wir haben den Schmerz ausgeklammert, der mit der Zerstörung der Natur verbunden ist. Menschsein umfasst vier Ebenen: die rationale, die Gefühlsebene, die Körperebene und die spirituelle Ebene.

Die Integrale Politik setzt sich dafür ein, dass allen Ebenen Rechnung getragen wird – nicht nur der rationalen, wie es heute der Fall ist. Wir brauchen Politiker, die nicht nur rational begreifen, was passiert, wenn die Natur zerstört wird, sondern die bereit sind, auch diesen Schmerz und damit die Verbundenheit mit allem Leben zuzulassen.

Den Schmerz zulassen – warum ist das wichtig?

Dieser Schmerz ist der Motor für echte Veränderung. Unangenehme Gefühle müssen wieder zugelassen und gefühlt werden. Auf dieser Basis können wir inklusive politische Lösungen entwickeln, die alle Standpunkte und die dahinter verborgenen Bedürfnisse berücksichtigen – auch wenn es für uns unangenehm ist, den Widerspruch in uns zu spüren. Es reicht nicht, die Dinge nur mit dem Verstand zu begreifen. Wir müssen auf einer Herzensebene verstehen, wie es anderen Menschen in ihrer Situation geht.

«Wir passen uns häufig an, und so haben wir verlernt zu wissen, was wir wollen.»

Welchen Beitrag leistet die Integrale Politik an die Entwicklung einer Vision für unsere Gesellschaft?

Es gilt zunächst einmal, Bewusstsein zu schaffen, dass Visionen wieder notwendig sind, nicht nur in der Unternehmensführung, sondern auch in der Politik. Allerdings wurden wir nie darin trainiert, Visionen zu entwickeln. Wir passen uns häufig an, und so haben wir verlernt zu wissen, was wir wollen. Dazu braucht es auch einen inneren Wandel, eine Transformation. Wir müssen lernen, uns selbst wieder besser wahrzunehmen, abseits von der Flut an Information und Unterhaltung, die täglich auf uns einstürzt.

Immer mehr Menschen machen sich auf den Weg und wollen wieder mehr Sinn in ihr Leben bringen und ihre wirklichen Bedürfnisse entdecken. Wir unterstützen diese Entwicklung und zeigen in unseren Positionspapieren auf, was es unserer Meinung nach braucht, damit wir als inklusive Gemeinschaft mit Chancen für alle im Einklang mit Natur, Umwelt und Technik weiter kommen.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Integrale Bildung beispielsweise. Sie geht davon aus, dass alles Leben verbunden ist und berücksichtigt alle Potenziale eines Menschen gleichermassen – nicht nur die rational-intellektuellen, sondern auch die körperlichen, emotionalen und intuitiv-spirituellen.

Für die Schule bedeutet das, dass Kinder individuell gefördert werden, gemäss ihren Talenten und Interessen. Heute ist es ja so, dass alle alles lernen müssen, auch wenn es ihnen überhaupt nicht liegt und sie das Gelernte später nicht brauchen können. Wenn Kinder sich mit Dingen beschäftigen dürfen, die sie brennend interessieren, haben sie auch öfters Erfolgserlebnisse. Das stärkt das Selbstvertrauen, die Leidenschaft und die Expertise, was sich wiederum positiv auf die Gemeinschaft auswirkt.

«Ich kandidiere, weil ich eine Vision habe von einer integralen Gesellschaft und einer Politik, die auf einem neuen Bewusstsein basiert.»

Warum kandidieren Sie jetzt für den Nationalrat? Und warum sollte man Sie wählen?

Ich kandidiere, weil ich eine Vision habe von einer integralen Gesellschaft und einer Politik, die auf einem neuen Bewusstsein basiert. Meine Ausbildungen, Erfahrungen und die persönliche Entwicklung liefern mir das Rüstzeug, mit dem ich jetzt aktiv in die politische Auseinandersetzung hinein gehen kann. Aufgrund meines Hintergrunds bringe ich eine komplementäre Intelligenz ins Parlament; ich kann Raum schaffen, scheinbar unvereinbare Positionen auf einer tief liegenden Ebene verstehen und daraus innovative, lebensdienliche Lösungen entwickeln.

Ich bin dankbar für die gute Grundlage, die wir hier in der Schweiz haben. Vieles in der Schweizer Politik finde ich persönlich sehr gut: das demokratische Grundverständnis, das Kollegialitätsprinzip, die direkte Demokratie. Diese Basis trägt, und darauf können wir als Gemeinschaft bauen.

Susanne Baumann, vielen Dank für das Gespräch.

Integrale Politik und Susanne Baumann kennenlernen?

Dazu gibt es Gelegenheit:

Kennenlern-Event in Zürich einmal pro Monat, demnächst wieder am 11. Juni und 7. Juli 2019. Die Nationalratskandidatinnen und -kandidaten sind anwesend
Sommerfest in Zürich am 20. Juni 2019

Mehr über Susanne Baumann: https://integrale-politik.ch/menschen/susanne-baumann/
Mehr über die Integrale Politik: https://integrale-politik.ch