Vom Kommunist zum Commonist

Warum Kommunisten Ökos sein müssten… Die Samstagskolumne.

Es gab einmal einen Kommunismus, der sich nicht an Kadervorschriften orientierte, sondern an Ebbe und Flut, an Tag und Nacht, an den Jahreszeiten und den Erfordernissen der Natur. Foto: Zukiman Mohamed

Genau genommen sind sie es. Wie schade und selbstverwundend, dass Kommunistinnen dieses Wissen (in aller Regel) noch nicht teilen. Aber ein Anfang ist gemacht. Das Wort Ökosozialismus ist immer öfter zu hören, in Sachen Kommunismus herrscht noch Schweigen unterm D.A.CH.

Ich weiss, der Idee des «Kommunismus» gilt nach wie vor ein Denkverbot, das 1933 begann, nach 1945 zeitweise aufgeweicht wurde, mit zunehmender atomarer Aufrüstung sich wieder verfestigte, mit dem Fall der Mauer und dem Zusammenbruch des osteuropäischen Staatskapitalismus lange Zeit unbeachtet blieb, aber seit ca. zehn Jahren – also mit dem dräuenden Zusammenbruch der Industriegesellschaft in ihrer jetzigen Form – wieder Energie gewinnt. Über Kommunismus nachzudenken, ist wieder ein No Go.

Umso wichtiger, es zu tun. Warum ist das so: Warum müssten, wie ich denke, Kommunisten «eigentlich» ökologisch orientierte Menschen sein? Was macht denn einen Kommunisten zu einem Kommunisten? Zunächst einmal, und ein wenig verblüffend: die Geburt. Wir werden alle als kleine Kommunistinnen geboren. Die ersten Lebensjahre sind nicht von Mein und Dein geprägt, sondern von einer Schenkökonomie, in der eine Mutter ihr Leben lang keinen Gegenwert für ihre gespendete Muttermilch verlangt oder für die vielen Standen, in denen ihr Baby Trost und Zuwendung brauchte.

Natürlich vergessen wir jene paradiesische Zeit ziemlich schnell. Die Sozialisationsmaschine – Erziehung, Krabbelgruppe, Hort, Kindergarten, Schule, Ausbildung – beschiesst uns mit Sperr- und Dauerfeuer; da rette sich, wer kann: in Ideologien, in Glaubensätze, in Parteipolitik, in die traute Zweisamkeit, in esoterische Isolation, in Fundamentalismus etc.

Aber immer wieder gelingt ein erwachender Durchbruch, ein wenig Licht scheint durch den Spalt im festgefügten Denk- und Fühlgehäuse, die Vermutung, dass wir gar nicht so getrennt sind von der Welt, dass die Umwelt möglicherweise eine Mitwelt ist, und die Erde ein «common» ist. (Englisch für: gemeinsam oder Gemeingut.) Ja, es gab Zeiten, in denen die Welt ein Festival der Commons war, eines Kommunismus, der sich nicht an Kadervorschriften orientierte, sondern an Ebbe und Flut, an Tag und Nacht, an den Jahreszeiten und den Erfordernissen der Natur, in die wir mit allen Geschwistern eingewoben waren.

Wie richtig also, dass im Sprachgebrauch der «alternativen Szene» immer häufiger das Wort «Kommunist» durch das Wort «Commonist» ersetzt wird. Und wie wichtig, denn der Commonist ist ein Anarchist, dem jede künstliche Hierarchie abhold ist, der aber die Herrschaft der Natur als die einzig logische anerkennt. Und der weiss, dass nichts auf ewig gefügt ist, nicht einmal das Universum selbst; dass tatsächlich alles mit allem zusammenhängt, dass Hierarchien Denkfehler sind, weil nun einmal alles in sich wandelnden, pulsierenden Netzwerken geschieht – dass also die Gewissheit besteht, dass das hierarchische Gebäude, in dem wir zu leben gezwungen sind, eines Tages zusammenkracht – eine Hoffnung, die Kommunisten und Commonisten nahtlos verbindet.

Über

Bobby Langer

Submitted by cld on Mi, 04/05/2023 - 07:30
Bobby Langer

*1953, gehört seit 1976 zur Umweltbewegung und versteht sich selbst als «trans» im Sinn von transnational, transreligiös, transpolitisch, transemotional und transrational. Den Begriff «Umwelt» hält er für ein Relikt des mentalen Mittelalters und hofft auf eine kopernikanische Wende des westlichen Geistes: die Erkenntnis nämlich, dass sich die Welt nicht um den Menschen dreht, sondern der Mensch in ihr und mit ihr ist wie alle anderen Tiere. Er bevorzugt deshalb den Begriff «Mitwelt».

Kommentare

Unterschiede Kommunismus, Anarchismus

von al dorper
Der Kommunismus  will die Macht erobern. Um dann mit einer zentralistischen Macht dem Volke Gerechtigkeit und Wohlstand zu bringen. Der Anarchismus möchte die Macht zerschlagen. Um an deren Stelle die Gesellschaft dezentral zu organisieren. Der Anarchismus geht davon aus dass in jeder Gesellschaft früher oder später eine kleine Gruppe die Macht an sich reisst, und diese Macht auch missbraucht. Deshalb braucht es periodisch den Prozess in der die Macht zerschlagen wird.