«Homeschooler übernehmen die Verantwortung für ihre Bildung selbst»

Eines neues alternatives Bildungsangebot hat im August seine Tore in der Region Bern geöffnet: Das Freilernwerk in Säriswil bietet Homeschoolern unter anderem ein Lernen in Projekten, in denen die Jugendlichen ihren Interessen und Bedürfnissen nachgehen können. Auch ausserhalb eines Schulzimmers.

Exkursion in die Wildnis: Der Jugendliche Siméon gibt ein Einführung ins Feuermachen. / © zvg

Immer mehr Eltern und Kinder entscheiden sich in der Schweiz für alternative Bildungsangebote – ausserhalb des öffentlichen, klassischen Schulsystems. Während der Coronakrise hat die Zahl der Schüler, die sich für Homeschooling anmelden, zugenommen. Auch die alternativen Bildungsangebote häufen sich: Verschiedene neue freie Schulen haben in Kantonen, in denen es erlaubt ist, ihre Tore geöffnet. So auch das Freilernwerk für Jugendliche ab zwölf Jahren in der Region Bern.

Es sind die ausgebildeten Lehrer Adrian Theilkaes und Severin Erni, die das Freilernwerk im August ins Leben gerufen haben. Damit wollen sie, wie sie sagen, «den Weg der selbstgestalteten Bildung zu Hause ergänzen». Es sei ein Treffpunkt für Freilernende, die sich mit Gleichgesinnten – anderen Homeschoolern – vernetzen und gemeinsam Projekte verwirklichen möchten.

«Uns gefällt die Arbeit mit Homeschoolern, weil sie mit ihren Familien die Verantwortung für ihre Bildung selber übernommen haben. Diese Jugendlichen kommen mit Begeisterung und sehr motiviert ins Freilernwerk. Und sie sind Profis darin, selbst aktiv zu sein», so Adrian Theilkaes. Ein Vorteil ihres Angebotes, sagt sein Kollege Severin Erni, sei natürlich auch, dass «wir keine Schule im Sinne einer Institution sind, sondern als ‹Freizeitangebot› freie Bildung leben können».

Jeden Montag sind die beiden Lehrer mit zehn Jugendlichen unterwegs. Der Morgen stehe jeweils im Zeichen der grundlegenden Kompetenzen, wo jeder Jugendliche sich mit einer individuellen Arbeit beschäftige. Die Inhalte werden vorher in Absprache mit den Familien definiert. «Das Arbeitsklima gestalten wir in diesem Morgenblock bewusst ruhig, und es entsteht eine konzentrierte Lernatmosphäre», so Erni. Während der Mittagszeit steht dann das Soziale und die Gemeinschaft im Zentrum, wo die Gruppe zudem das gemeinsame Essen zubreitet.

«Im Moment ziehen die Jugendlichen als Reporter los.»

Nach der Verpflegung und dem lockeren Zusammensitzen werden nachmittags Projekte umgesetzt, die aus den Interessen der Gruppe heraus entstanden sind und raus in die Welt führen. «Im Moment ziehen die Jugendlichen zum Beispiel als Reporter los, um hinter die Kulissen ihres Lieblingsfussballclubs zu blicken oder um mit einem Profi-Ornithologen in der Wildnis unterwegs zu sein», sagt Theilkaes. Von der E-Mail-Anfrage über Planung und Durchführung bis zum Abliefern des ausgearbeiteten Beitrags würde dabei ein Lernprozess stattfinden, der Spass und Sinn mache. «Wir Mentoren sind in einer unterstützenden Rolle dabei.» Und im weiteren Projekt «Die Band» spielen die Jugendlichen im Musikraum aktuelle Songs mit Gesang, Gitarren, Bass, Schlagzeug und Klavier ein.

Das Freilernwerk hat sich im ehemaligen Schulhaus Säriswil in der Gemeinde Wohlen bei Bern einquartiert, wo den Jugendlichen nebst Musikraum unter anderem auch eine Werkstatt, eine Turnhalle oder einen Sportplatz zur Verfügung stehen. Allerdings, so Theilkaes: «Die Nutzung ist zeitlich begrenzt, bis Weihnachten, wir sind auf der Suche nach einem neuen zu Hause in der Region Bern. Wenn jemand konkrete Hinweise für einen Lernort hat, bitte gerne melden.» Wer das Freilernwerk finanziell oder ideell gerne unterstützen möchte, sei auch sehr willkommen. «Denn bislang wird es ausschliesslich mit den Familienbeiträgen finanziell getragen», sagt Theilkaes.

Zu Beginn war das Bedürfnis der Familien, die sich für das Freilernwerk entschieden hatten, das Angebot vorerst lediglich an einem Tag wahrzunehmen. Jetzt ist aber ein zweiter Wochentag bereits in Planung. Es verwundert nicht, denn die Aktivitäten sind vielseitig und manchmal auch abenteuerlich. «Im September machten wir eine dreitägige Flusswanderung in der Wildnis. Die Erfahrung mit den Elementen der Natur, das Geschichtenerzählen am Feuer, der Bau eines Pizzaofens, das Angeln im Fluss und das Erwachen im Morgentau, waren einfach toll», sagt Severin Erni. Adrian Theilkaes fügt dem an: «Wer Interesse am Freilernwerk hat, kann mit uns jederzeit Kontakt aufnehmen und sich für ein Schnuppern anmelden.»


Mehr Infos zum Freilernwerk und Kontaktdaten: hier