«Sex ohne Zustimmung ist eine Vergewaltigung»

Anlässlich des heutigen Internationalen Frauentags macht Amnesty International zusammen mit einer Gruppe betroffener Frauen auf das Thema sexuelle Gewalt aufmerksam. Zurzeit wird in der Schweiz das Sexualstrafrecht reformiert – der erste Gesetzesentwurf löst viel Kritik aus.

© Cindy Kronenberg

In Dänemark gilt seit dem 1. Januar Geschlechtsverkehr ohne explizite Einwilligung als Vergewaltigung. In der Schweiz liegt dieser Tatbestand nur vor, wenn eine Frau unter Anwendung von Gewalt oder Drohungen zum Sex gezwungen wird und sich physisch zur Wehr setzt. Ein klares «Nein» reicht nicht aus.

Doch Betroffene fallen während einer Vergewaltigung oft in einen Lähmungszustand und können sich gar nicht physisch wehren. «Laut dem aktuellen Gesetzesentwurf sollen solche Fälle höchstens in die Kategorie eines sexuellen Übergriffs fallen und nicht als Vergewaltigung gelten. Das ist ein Hohn für die Betroffenen und ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse und die Realität sexueller Gewalt», sagt Morena Diaz – denn für sexuelle Übergriffe sind deutlich mildere Strafen vorgesehen. Morena Diaz und 9 weitere Frauen aus der Deutschschweiz und der Romandie kämpfen zusammen mit Amnesty International für eine zeitgemässe Reform des Sexualstrafrechts in der Schweiz.

Anfang Februar hat die Bundesverwaltung den Entwurf für das neue Bundesgesetz in die Vernehmlassung geschickt. Dieser stiess vor allem bei betroffenen Frauen nicht auf Zustimmung. «Viele Betroffene, die sich im Moment des Übergriffs nicht wehren konnten, fühlen sich von Polizei oder Justiz im Stich gelassen oder gar für die Tat mitverantwortlich gemacht», sagt Cindy Kronenberg, Präsidentin des Vereins vergewaltigt.ch. «Jetzt wollen wir die politischen Entscheidungsträger/innen erreichen, damit endlich per Gesetz festgehalten wird: Sex ohne Zustimmung ist eine Vergewaltigung.»

Auch Amnesty International fordert das Parlament auf, alle Formen von nicht-einvernehmlichem Geschlechtsverkehr als Vergewaltigung zu definieren. Um die Öffentlichkeit auf das Thema aufmerksam zu machen, hat die Amnesty-Frauenrechtsgruppe Zürich gestern Sonntag Abend Botschaften gegen sexuelle Gewalt grossflächig auf zentrale Gebäude der Stadt projiziert – rechtzeitig zum Internationalen Frauentag am 8. März.

Kommentare

Verantwortung annehmen?!

von Katja_
Ich bin eine Frau. Und was ich hier lese... ist vielleicht als besonderer Schutz gedacht, aber ich fühle mich entmündigt. Sex ohne Zustimmung soll eine Vergewaltigung sein, also eine Straftat? Aus meiner Lebenserfahrung kann ich sagen: Es ist möglich, klar zu kommunizieren. Es ist möglich, nein zu sagen, wenn ich nicht will, und mich damit durchsetzen. Und es ist eben auch möglich, in bestimmten Situationen Sex zu erleben, den ich „eigentlich“ nicht wollte, der aber passiert ist, weil ich nicht so bestimmt war, wie die Situation es erfordert hätte. Als mündige Frau bin ich in der Lage, Fehltritte zu verdauen und aus ihnen zu lernen. Vermutlich gibt es sehr viele Frauen, die an diesem Punkt nicht stehen, die nicht gelernt haben, so laut und deutlich nein zu sagen, dass es beim Gegenüber auch ankommt. Die dann mit Lähmung und Ohnmacht konfrontiert sind. Das respektiere ich, und es macht mich auch betroffen. Aber die Frage ist für mich: Wo entlang geht der Heilungsweg aus diesen vergewaltigungsnahen Situationen? Und meine Antwort darauf ist: Heilung geschieht in der Selbstermächtigung der Frauen, nicht in der Kriminalisierung der Männer und der Verantwortungsübernahme der Justiz für unsere intimsten Lebensbereiche!