3 Fragen an Klimaaktivistin Frida Kohlmann

Die Bilder gingen durch die Medien, als letzten Herbst zahlreiche junge Menschen den Bundesplatz in Bern besetzten, um auf die Dringlichkeit der Klimakrise aufmerksam zu machen. Nun meldet sich die Bewegung Rise Up For Change zurück und will sich den Schweizer Finanzplatz vorknüpfen. Ab Ende Woche wird es unter anderem ein Klimacamp und Aktionen in Zürich geben, wie die Organisatoren gestern an einer Pressekonferenz mitteilten. Auch sind wieder bunte Massenaktionen mit zivilem Ungehorsam angekündigt. Die Mediensprecherin der Klimabewegung, Frida Kohlmann, ist überzeugt, es braucht solche Mittel, um einen sozialen Wandel und eine klimagerechte Wirtschaft herbeizuführen.

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Zeitpunkt: Mit Heuballen und Sitzgelage habt ihr letztes Jahr Schlagzeilen gemacht und viel Aufmerksamkeit auf euch gezogen. Was dürfen wir dieses Jahr erwarten? Auch wieder Ungehorsam?

Frida Kohlmann: Das Rise Up for Change nimmt diesmal den grössten Treibhausgas-Verursacher der Schweiz in den Fokus: den Finanzplatz. Hier wird das Zwanzigfache der Inlandsemission produziert. Denn Schweizer Finanzinstitute, dazu zählen Banken, Pensionskassen und Versicherungen, spülen ungebremst Milliarden von Franken in die Förderung fossiler Energie, also Kohle, Öl und Gas. Das sind Technologien von vorgestern. Sie zerstören die Zukunft von uns allen, und das können wir nicht länger zulassen. Rise Up for Change fordert diesen Sommer alle Menschen auf, sich dem Klimaprotest anzuschliessen – nicht nächstes Jahr, sondern jetzt!

Zum Ungehorsam: Stellen Sie sich vor, wir gingen zusammen auf eine Bergtour. 
Jeder von uns hat drei Liter Trinkwasser im Rucksack. Es gibt keine Möglichkeit, unterwegs Wasser zu finden. Wir sollten, besonders wenn es heiss ist, nicht länger als einen Tag unterwegs sein. Manche wollen aber zwei, andere gar fünf Tage wandern und versuchen die Wasserreserven der Anderen zu beanspruchen.
 Das ist die Situation in der wir uns in Bezug auf das begrenzte CO2-Budget zurzeit befinden. Will heissen: So wenig ist die Menge, die wir als Weltbevölkerung noch produzieren dürfen, um die 1,5 Grad globale Erwärmung nicht zu überschreiten. Je schneller wir runtergehen mit den Emissionen, umso eher reicht unser Vorrat – und wir kommen sicher an. Jedoch was wir alle beobachten, ist ein Aufschieben und ein Auf-die-Ausbeutung-anderer setzen. Um den Notstand und die Ungerechtigkeit zu thematisieren und um Empörung zu erzeugen, braucht es geeignete Mittel und Wege. 

Ziviler Ungehorsam ist historisch gesehen ein erfolgreiches Mittel, um den gesellschaftlichen Druck zu erhöhen und den sozialen Wandel herbeizuführen.

Was verlangt ihr von den Finanzinstituten konkret? Ihr habt ja gestern vor dem Hauptsitz der Credit Suisse auf dem Paradeplatz einen offenen Brief vorgelesen.

Von den international führenden Schweizer Finanzinstituten, einschliesslich der Schweizer Nationalbank, fordern wir, weltweit ein klares Zeichen zu setzen: Transparenz der Geldflüsse und einen sofortigen Stopp aller Mittel in fossile Energie. Bund und Kantone müssen die Geldhäuser gesetzlich zu Klimaschutz verpflichten und die Schweizer Finanzaufsicht FINMA muss die Umsetzung kontrollieren. Die Gewinne der Schweizer Nationalbank betragen 100 Milliarden Franken. Damit soll ein sozialgerechter Strukturwandel hin zu einer klimagerechten Wirtschaft gestaltet werden. Inzwischen ist allen klar, wie dringend unverzügliches Handeln in der Klimakrise ist. Es geht konkret um das Leben von Menschen in der Schweiz und an anderen Orten der Welt. Was nützt uns das Geld auf einem toten Planeten?

Im öffentlichen Brief von gestern fordern wir den gesamten Finanzplatz auf, sich nicht länger hinter ihren leeren Versprechungen und ihrem Greenwashing – dem Sichdarstellen als umweltbewusstes Unternehmen – zu verstecken, sondern endlich zu handeln. Zudem wollen wir allen Mitarbeitenden der Bank sagen, dass sich der Protest an die Banken und nicht gegen sie persönlich richtet. Wir laden sie alle ein, gemeinsam mit uns auf die dringend nötigen Änderungen im Bankgeschäft aufmerksam zu machen.

Ihr kämpft bereits seit einer Weile für Veränderungen im Umgang mit der Umwelt. Konntet ihr schon etwas bewegen? Was erhofft ihr euch mit den neuen Aktionen?

Global hat die Klimagerechtigkeitsbewegung bereits verschiedene Projekte zum Ausbau fossiler Energie verhindert. In der Schweiz lesen wir es als unseren Erfolg, dass das Thema Finanzplatz in der Öffentlichkeit angekommen ist. Wir erleben viel Solidarität und Unterstützung, auch finanzielle. 

Eines möchten wir aber klar festhalten: Über die Klimakrise besorgt zu sein, ist das Eine, und es ist schön, wenn Menschen aufhören zu fliegen oder anfangen vegan zu essen. Es braucht allerdings viel massivere Veränderungen in schwindelerregend kurzer Zeit – jenseits des individuellen Lebensstils. Diese Veränderungen betreffen die systemische Ebene unserer Wirtschaft und des kulturellen Verständnisses unseres Zusammenlebens. Das wird uns allen viel abverlangen. Werden wir die wenigen verbleibenden Jahre nutzen, um diesen Wandel gerecht zu gestalten?


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Aktionswoche: startet am Freitag, 30. Juli, auf der Stadionbrache in Zürich. Es wird Workshops, Diskussionsrunden, Aktionstrainings, Übernachtungsmöglichkeiten und vieles mehr geben. Infos: hier.

Forderungen von Rise Up For Change